Die Chance nutzen für die Entwicklung des Weltenbürgers?

Cosmopolitan – ein spannender Mix in vielerlei Hinsicht

Ich sit­ze in einer der Bars, wie sie in den Roma­nen von Ernest Heming­way beschrie­ben sind, in Gedan­ken ver­sun­ken und genie­ße einen herb-süßen, erfri­schen­den Cock­tail mit dem Namen Cos­mo­po­li­tan. Die Rezep­tur basie­rend auf Sour aus Wod­ka, Oran­gen­li­kör, Limet­ten- und Cran­ber­ry­saft. Sie lachen? Rich­tig, in Zei­ten der Coro­na­kri­se kön­nen wir den Cock­tail höchs­tens in Auf­re­gung über die Gescheh­nis­se, selbst­ge­mixt, zuhau­se auf der Couch genie­ßen, wäh­rend uns die Flug­rei­se rund um den Glo­bus und der anschlie­ßen­de Auf­ent­halt in frem­den Län­dern, an traum­haf­ten Strän­den, auf hohen Ber­gen und im tür­kis­blau­en Meer der­zeit ver­wehrt bleiben.

Bereits nach den ein­lei­ten­den Wor­ten ist es für mich ein „trif­ti­ger“ Grund, an die­ser Stel­le ein­mal über Cos­mo­po­li­tan nach­zu­den­ken. Nur „trif­ti­ge“ Grün­de müs­sen es sein, war­um wir unser Zuhau­se und unser Land ver­las­sen dür­fen. Nicht aus Freu­de oder mit Neu­gier­de kön­nen wir uns heu­te ein­fach so auf Rei­sen bege­ben. Blei­ben wir vor­erst bei dem Drink. Er wur­de von „Tra­vel­ling Mixolo­gists“ ent­deckt und wur­de erst­mals als ein Short­drink in einem Bar­buch von 1934, also vor fast einem Jahr­hun­dert, erwähnt. Was erle­ben wir hier gera­de? Ein Ermäch­ti­gungs-Déjà-vu? Ein Grund mehr für mich, sich mit dem kon­ser­va­ti­ven Habi­tus des Kos­mo­po­li­ten der dama­li­gen Zeit auseinanderzusetzen.

Rei­sen­de Bar­kee­per, die eine Zeit in ande­ren Län­dern leb­ten und arbei­te­ten, sich mit den Tra­di­tio­nen die­ser Län­der beschäf­tig­ten und Freund­schaf­ten knüpf­ten, wäh­rend sie ihr Wis­sen erwei­ter­ten, sich per­sön­lich wei­ter­ent­wi­ckel­ten, Rezep­te sam­mel­ten und ver­such­ten, die neu ken­nen­ge­lern­ten Drinks genau­so gut oder auch bes­ser zu mixen und neu zu inter­pre­tie­ren, haben die­sen Drink in unse­re Bars gebracht. Man kann die Lebens­er­fah­rung und die Lie­be in den Cock­tails füh­len und schmecken.

Gleich denen taten es die Kauf­leu­te. Sie waren Zeit ihres Lebens unter­wegs, haben ihre Fami­li­en auf sich gestellt zu Hau­se gelas­sen, sich den Gefah­ren der lan­gen Rei­sen aus­ge­setzt und dabei jede Men­ge Lebens­er­fah­rung, wert­vol­le Gewür­ze, gro­ße und klei­ne Kunst­schät­ze gesam­melt. Die Waren und Gewür­ze wur­den mit Lie­be und unter Ein­satz des eige­nen Lebens ein­ge­sam­melt, über wei­te Stre­cken durch Stür­me und Hoch­see­wel­len nach Hau­se gebracht, wo sie schluss­end­lich teu­er ver­kauft und von den Käu­fern jah­re­lang geschätzt wur­den. Was mei­nen Sie? Haben die dama­li­gen Käu­fer die Ener­gie, die der Kauf­mann ver­brauch­te, um an die wert­vol­len Stü­cke zu gelan­gen, in ihren Kunst­wer­ken wie­der­ge­fun­den? Hat die­se Ener­gie sie ange­zo­gen oder etwa ihr Leben beein­flusst? Waren die Kunst­wer­ke und Gewür­ze des­halb noch wert­vol­ler, weil man sich Kunst, Genuss und Kul­tur aus frem­den Län­dern viel enga­gier­ter erar­bei­ten muss­te? Waren die Gegen­stän­de wert­vol­ler, weil man Herz­blut und ein klei­nes Ver­mö­gen in die Ent­schei­dung des Kau­fes ste­cken muss­te, bevor man Din­ge sein Eigen nen­nen konn­te? Und könn­ten Sie sich vor­stel­len, dass die Mobi­li­en auch heu­te noch so wert­voll sind, weil genau die­se Ener­gie wei­ter­lebt und die­se sie wei­ter­hin zu belieb­ten Objek­ten wer­den lässt? Ich kann mir das vor­stel­len. Wenn man einen kunst­voll ver­zier­ten Dolch aus dem Mor­gen­land, der vor Jahr­hun­der­ten nach Euro­pa gebracht wur­de, in der Hand hält, reagiert der Mensch in einer bestimm­ten Wei­se, anders als auf ein heu­ti­ges Mes­ser „made“ in einem Billiglohnland.

Der Kauf­mann und auch der „Tra­vel­ling Mixolo­gist“ waren bei­des Kos­mo­po­li­ten und Patrio­ten zugleich. Ihre Lei­den­schaft war nicht allei­ne das Rei­sen. Ich den­ke, ihre Lei­den­schaft und ihr Antrieb waren das Ent­de­cken neu­en Wis­sens und neu­er Gebräu­che. Sie lieb­ten es, die Wer­te und Tra­di­tio­nen ande­rer Län­der und Völ­ker ken­nen­zu­ler­nen. In einer Hal­tung eines wiss­be­gie­ri­gen Men­schen haben sie ihr Gegen­über aner­kannt und respek­tiert, waren demü­tig und dank­bar für alle Ein­drü­cke, die sie gewin­nen und ins eige­ne Land impor­tie­ren konn­ten. Dort gaben sie den ansäs­si­gen Hand­wer­kern die Mög­lich­keit, um bei­spiels­wei­se bei dem Dolch aus dem Mor­gen­land zu blei­ben, zu erken­nen, wie die tau­sen­de Kilo­me­ter ent­fern­ten Hand­wer­ker arbei­te­ten. Dies befruch­te­te vie­ler­lei Zünf­te. Sie han­del­ten nicht um jeden Preis. Sie hat­ten Stolz, Wer­te und eige­ne Ansich­ten. Sie waren durch Lebens­er­fah­rung gebildet.

Ich könn­te noch vie­le Din­ge über die alten Zei­ten schrei­ben und in den Erin­ne­run­gen an alte Wer­te wie Treue, Wahr­haf­tig­keit, Ehre, Respekt, Gelas­sen­heit, Stär­ke, Gerad­li­nig­keit schwel­gen. Es gibt einem Sicher­heit und unser Inners­tes sagt uns, dass genau die­se Art das Leben zu leben viel rich­ti­ger ist und in Nach­hal­tig­keit kaum zu überbieten.

Rich­ti­ger im Ver­gleich wozu, wer­den Sie sich fra­gen? Wenn ich nun über den neu­zeit­li­chen „Cos­mo­po­li­tan“ schrei­ben wer­de, kön­nen Sie sich sofort vor­stel­len, was ich mei­ne. Dabei beschrei­be ich die Rei­sen­den vor der Kri­se. Sie ken­nen die­ses Exem­plar. Das Flug­ha­fen­ge­bäu­de voll von Men­schen, die Luft geschwän­gert von ver­schie­de­nen Körper‑, Par­fum- und Essens­ge­rü­chen. Nicht ani­ma­li­sche oder fein duf­ten­de Gerü­che, nein der Geruch von preis­wer­tem Essen aus der Fast­food-Ecke, ver­mischt mit dem neu­en Duft eines Stern­chens, das gera­de in Schall­ge­schwin­dig­keit am Musik­him­mel auf­geht und in die­sem Moment aber auch schon wie­der der Ver­gan­gen­heit ange­hört. Am Check-In der gehetz­te „Cos­mo­po­li­tan“ mit Fami­lie. Gestresst von Job mit dem neu­es­ten Smart­phone am Ohr, noch die letz­ten Hand­lun­gen im Office regelnd und in Erwar­tung auf den tol­len Urlaub, den er sich für sich und sei­ne Fami­lie aus­ge­sucht und teu­er bezahlt hat. Völ­lig über­dreht steigt der „Cos­mo­po­li­tan“ in das war­ten­de Flug­zeug, fällt spä­tes­tens auf sei­nem Sitz in sich zusam­men und ver­liert sei­ne teu­er bezahl­te Aus­strah­lung. Am Ziel sei­ner Träu­me ange­kom­men, erwar­tet er „Stil“ und „Stan­dard“. Er möch­te sich und auch sei­ne Gewohn­hei­ten nicht umstel­len. Daher ver­langt er ohne Umschwei­fe nach dem Con­ti­nen­tal Break­fast und der Mahl­zeit, die sein Magen gut ver­trägt. Viel­leicht hat er sein Essen aber auch gleich selbst ins frem­de Land mit­ge­bracht. Der Lie­ge­platz am Pool ist hart umkämpft, denn dort fühlt man sich wohl und trifft Men­schen, die glei­che Bedürf­nis­se haben, viel­leicht sogar einen Lands­mann, der die glei­che Spra­che spricht und mit dem man sich abends an der Bar zupros­ten kann. Das Meer will man ger­ne vom Hotel­zim­mer aus genie­ßen, denn aus der Nähe macht es schmut­zi­ge Füße und sal­zi­ge Haut. Wie­der zuhau­se ange­kom­men, kann man sich die vie­len Sel­fies, die man inner­halb der Hotel­an­la­ge geschos­sen hat, anschau­en und zum siche­ren All­tags­stress über­ge­hen. Was ist am „Cos­mo­po­li­tan“ kos­mo­po­li­tisch, fra­ge ich mich. Wo ist die Ent­wick­lung des Weltenbürgers?

Ich habe mich bewusst auf das Exem­plar „Cos­mo­po­li­tan“ vor der Kri­se bezo­gen, weil ich gera­de hier­in die Chan­ce auf eine posi­ti­ve Ent­wick­lung sehe. Die Chan­ce in der Kri­se. Wir sind der­zeit beschränkt auf die Flä­chen unse­rer Bun­des­län­der, und die Glo­ba­li­sie­rung ist wei­ter ent­fernt denn je. Eine Chan­ce, die eige­nen Gewohn­hei­ten zu über­den­ken und die Resi­li­enz alter Wer­te, so ver­staubt sie Ihnen vor­kom­men mögen, zu schät­zen. Wir haben jetzt die Chan­ce, Neues/Altes in unser Leben zu transferieren.

Kon­tro­vers ist, dass die muti­gen Män­ner und Frau­en frü­her kul­tu­rel­len Input für das eige­ne Land erar­bei­te­ten, wäh­rend die Men­schen heu­te das Gewohn­te ins frem­de Land mit­neh­men und aus­schließ­lich kon­su­mie­ren. Wir haben nun die Chan­ce, dass sich der Phö­nix (Kos­mo­po­lit) aus der Asche (Cos­mo­po­li­tan) in neue unge­ahn­te Höhen empor­schwingt und dadurch eine neue Ära einläutet.

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geschrieben von

Er ist Speaker, Coach und Autor. Mit seinem Mindflow-System und seinen Trainings- und Handlungstools von „I LOVE STRESS“ hat er in den letzten 25 Jahren schon mit zahlreichen Menschen in Seminaren, Workshops und individuellen Coachings gearbeitet, unter anderem mit bekannten Persönlichkeiten, Top-Manager*innen und spirituellen Größen wie Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama.

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