Ein blühendes Leben für die Kunst, die einzig wahre Liebe

Interview mit Ursula Hodel

Denkt man an Gla­mour in Zürichs Kunst­sze­ne, dann gibt es nur eine, die für ein Inter­view in Fra­ge kommt: Ursu­la Hodel. Wir haben die Grand Dame in ihrer Woh­nung mit Blick auf den See besucht und mit ihr über die wah­re Lie­be zur Kunst und die Zei­ten „als Ger­hard Rich­ter noch erschwing­lich war“ gespro­chen. Für das Inter­view hat sich Ursu­la Hodel Out­fits zurecht gelegt. Eben wie es sich für die krea­ti­ve Mode­ken­ne­rin, die sich selbst ger­ne insze­niert, gehört. Dis­zi­pli­niert ver­läuft ihr Tages­ab­lauf: Regel­mä­ßi­ges Fit­ness-Trai­ning, die obli­ga­to­ri­schen Besu­che beim Coif­feur, Aus­stel­lungs­er­öff­nun­gen und natür­lich die Tref­fen mit den jün­ge­ren Freun­din­nen. Ursu­la Hodel ist ein Vor­bild für die jun­ge Gene­ra­ti­on. Sie hat gesam­melt, selbst Kunst pro­du­ziert und ist durch ihre Video­kunst, die sie in ihrer New Yor­ker Zeit erschaf­fen hat, inter­na­tio­nal aner­kannt. Die schö­nen Din­ge des Lebens haben es ihr ange­tan: Design­ob­jek­te, Möbel, aus­ge­fal­le­ne Immo­bi­li­en, Kunst und Hau­te Cou­ture. Dabei hat alles mit Kera­mik­va­sen begon­nen, die sie schon in jun­gen Jah­ren geformt hat und die sogar Teil einer James Bond Kulis­se waren. Ihre Mut­ter mal­te jeden Tag – auch das hat die jun­ge Ursu­la Hodel geprägt. Es gibt nur zwei Din­ge, die sie rück­bli­ckend bereut, aber dazu mehr im Gespräch, das ich auf einer Art­schwa­ger-Skulp­tur sit­zend, füh­ren durfte.

Ursu­la Hodel beim Inter­view © Xan­dra M. Linsin

Welches war ihr aller­ers­tes Kunst­werk, das Sie gekauft haben und aus wel­cher Moti­va­ti­on heraus?

Ich habe 1967 zum zwei­ten Mal gehei­ra­tet und mein dama­li­ger Ehe­mann hat­te ein gro­ßes Haus und vie­le lee­re Wän­de. Da bin ich ein­fach in eine Gale­rie gegan­gen und habe gesagt ich möch­te ein Bild kau­fen, ein abs­trak­tes Bild. Die Gale­ris­tin frag­te mich von wel­chem Künst­ler. Ich habe geant­wor­tet, dass mir der Künst­ler egal ist, aber es muss abs­trakt sein. Dann zeig­te sie mir ver­schie­de­ne Bil­der, dar­un­ter ein gro­ßes rotes, ein Hon­eg­ger, 1,50 m x 1.50 m. Das pass­te wun­der­bar zu mei­nem wei­ßen Saa­r­i­nen Tisch und den Stüh­len mit roten Kis­sen. Als das Bild gelie­fert wur­de, sah es mein Ex-Mann und sag­te: „Für die­ses Bild schla­ge ich kei­nen Nagel in mei­ne Wand.“ Dann habe ich einen Stuhl geholt, stell­te ihn an die Wand und das Bild dar­auf. Irgend­wann hat­te das Bild einen klei­nen defekt und Gott­fried Hon­eg­ger ist per­sön­lich gekom­men, um es zu repa­rie­ren. Er war ein sehr cha­ris­ma­ti­scher Mensch. Mein Ex-Mann war begeis­tert von sei­ner Per­sön­lich­keit und mein­te, ich kön­ne das Bild jetzt aufhängen.

Wieso muss­te das Werk abs­trakt sein?

Das muss­te abs­trakt sein, weil mei­ne Mut­ter von 1932 bis 1991 jeden Tag gemalt hat und zwar gegen­ständ­lich. Ich woll­te eine Abwechslung.

Wie ent­stand Ihre Lei­den­schaft beson­de­re Möbel und Design­ob­jek­te zu sammeln?

Mein ers­ter Mann und ich, wir hat­ten schon von Anfang an Möbel von Eileen Gray und Le Cor­bu­si­er. Eigent­lich habe ich schon mein gan­zes Leben mit die­sen Möbeln gewohnt.

Gab es Begeg­nun­gen mit Künst­lern, die Sie beson­de­res berührt haben?

Gott­fried Hon­eg­ger hat mich beein­druckt. Der war auch etwas in mich ver­liebt und des­halb hat er mir eine Skulp­tur von Lygia Clark geschenkt, die kei­nen Han­dels­wert hat, weil ich kein Zer­ti­fi­kat und kei­ne Quit­tung habe, aber ich lie­be die­se Skulp­tur. Ich kauf­te als ers­te Kun­din bei der Gale­rie Anne­ma­rie Ver­na, einen Loh­se und dann einen zwei­ten, danach einen Albers und, und, und. Jörg Immendorf habe ich auch per­sön­lich gekannt. Ich war bei der Hoch­zeit von Mary Boo­ne und Micha­el Wer­ner, dort waren auch Lüpertz und Base­litz, also alle, die von Micha­el Wer­ner ver­tre­ten wur­den. Das ist sicher 30 bis 40 Jah­re her. Mary Boo­ne ist ja mitt­ler­wei­le im Gefäng­nis. Kur­ze Zeit dar­auf habe ich auch Richard Art­schwa­ger ken­nen­ge­lernt. Ich besuch­te ihn in sei­nem Ate­lier und da stand nur ein ein­zi­ges Objekt. Der Stuhl, auf dem Sie sit­zen, den hat er bei sei­ner Ex-Frau in einer Nacht- und Nebel­ak­ti­on abge­holt. Das war das ein­zi­ge Objekt, das ich jemals direkt bei einem Künst­ler gekauft habe.

Ihre Bio­gra­phie ist bemer­kens­wert, da Sie nicht nur Samm­le­rin, son­dern auch selbst Künst­le­rin sind. Wie sind Ihre ers­ten Kunst­wer­ke ent­stan­den? Waren es Fil­me oder Bilder?

Das waren zu aller­erst Kera­mi­ken und danach dann Bil­der. Als mei­ne Mut­ter gestor­ben ist, habe ich mei­ne neue Woh­nung an der 5th Ave­nue neben dem Gug­gen­heim Muse­um gekauft. Dem Con­s­truc­tor, der selbst Künst­ler war, habe ich gesagt, dass ich in mei­nem Schlaf­zim­mer ein Ate­lier ein­rich­ten möch­te. Er ist mit mir nach Soho gefah­ren und hat alles ein­ge­kauft und mir gezeigt wie ich eigent­lich malen muss, denn ich war Auto­di­dak­tin. Ich habe immer abs­trakt gemalt. Ins­ge­samt 350 Bil­der. Für die Video­ar­bei­ten, die zwi­schen 1995 und 2003 ent­stan­den sind, habe ich einen Inten­siv­kurs an der Uni­ver­si­tät in New York für Video­kunst besucht. Dafür habe ich eine gro­ße Kame­ra gekauft und mich jeden Abend selbst gefilmt, mit Hüten, mit Schmuck, mit Klei­dern. Zuerst zum Üben, weil ich gelang­weilt davon war, was wir an der Uni­ver­si­tät gelernt haben. Am Ende hat­te ich 75 Stun­den auf­ge­nom­men und habe über eine Kol­le­gin das Elec­tro­nic Art Inter­mix in Erfah­rung gebracht und bin mit mei­nem Mate­ri­al dort­hin gegan­gen, um es zu edi­ten. Ein Edi­tor hat mir gehol­fen klei­ne Sequen­zen dar­aus zu machen. Im Gan­zen habe ich in mei­ner New Yor­ker Zeit 33 Kunst­vi­de­os pro­du­ziert. Das Video, in dem ich im Cha­nel Cat­su­it Scho­ko­la­de esse und Yoga Übun­gen mache, eigent­lich eine mei­ner ers­ten Arbei­ten, wur­de im Gug­gen­heim gezeigt.

Sie sind nach vie­len Jah­ren in New York wie­der nach Zürich zurück­ge­kehrt. Waren Sie hier auch gleich als Künst­le­rin aktiv?

Als ich nach 17 Jah­ren zurück kam von New York habe ich kei­ne Kunst mehr pro­du­ziert. Ich war seit Ende der 60er Jah­re Kunst­samm­le­rin und die Gale­ris­ten hier hat­ten mich lie­ber als Samm­le­rin, denn als Künst­le­rin. Obwohl mei­ne Vide­os inter­na­tio­nal bekannt waren.

Arbei­ten Sie aktu­ell an Kunst­wer­ken oder Filmen?

Nein

Haben Sie Ihre Samm­lung anhand eines bestimm­ten Kon­zepts auf­ge­baut oder ist die­se auch durch Zufalls­käu­fe entstanden?

Ich hat­te kein Kon­zept, aber zufäl­lig war es auch nicht. Ich habe immer sehr schnell gewusst was mir gefällt. Ich hat­te ein gutes Gefühl. Als ich den Ger­hard Rich­ter gekauft habe, waren die Prei­se noch ganz anders. „The Big abs­tract curtain“ bei­spiels­wei­se, ein Zen­tral­werk, war damals noch erschwinglich.

Wurden Wer­ke aus Ihrer Samm­lung auch als Leih­ga­ben in Muse­en ausgestellt?

Ja, ein­mal hat­te ich fast einen Schock bekom­men. Ich ging nach Luzern ins Muse­um, kam in einen rie­si­gen Raum und alle Bil­der dar­in waren aus mei­ner Samm­lung. Vom Mar­tin Dis­ler hat­te ich drei Bil­der und „The kil­ling of a pregnant woman“ war 4 m auf 2,5 m. Das habe ich direkt auf der Mes­se bei Eli­sa­beth Kauf­mann gekauft. Die­ses Bild, ein gro­ßer Pala­di­no und ein Mario Merz, ein Tuch mich Neon­röh­ren, waren in die­sem einen Raum gemein­sam aus­ge­stellt. Die­se Wer­ke hat­te ich als Leih­ga­be zur Ver­fü­gung gestellt, denn ich kann­te den Direk­tor des Muse­ums. Nach der Aus­stel­lung hat das Muse­um den Dis­ler angekauft.

Was ver­bin­den Sie mit dem The­ma Glamour?

Für mich liegt die Ästhe­tik nicht nur in der Kunst, son­dern auch in der Art und Wei­se wie ich mich anzie­he. Ich kann durch Klei­dung mei­ne Krea­ti­vi­tät und mei­nen ganz indi­vi­du­el­len Stil aus­drü­cken. Das ist ein wich­ti­ger Teil mei­nes Lebens, ich wid­me mei­nen Out­fits Zeit und bemü­he mich um Abwechslung.

Sie stel­len Ihre eige­ne Kunst regel­mä­ßig in Gale­rien aus. Las­sen Sie hier­für Kurator*innen ran oder tref­fen Sie selbst die Ent­schei­dun­gen bei der Kon­zep­ti­on der Ausstellung?

Jetzt will eine Gale­ris­tin mit mir eine Aus­stel­lung machen. Frü­her hät­te ich gesagt, ich mische mich nicht ein und wür­de ihr freie Hand las­sen. Aber sie möch­te auch mei­ne gesam­mel­te Kunst in der Aus­stel­lung zei­gen und qua­si das Leben von Ursu­la Hodel erzäh­len. Das macht mir Sor­gen. Wenn ich mir vor­stel­le, dass die­se Wer­ke nicht mehr hier bei mir sind, dann wür­de mir jedes Stück min­des­tens 10Mal am Tag feh­len. Bei Sotheby‚s gab es vor eini­gen Jah­ren eine Aus­stel­lung mit mei­nen Pain­tings, Vide­os und mei­nen Hau­te Cou­ture Klei­dern, das war sehr schön.

Wenn Sie heu­te zurück­bli­cken, gibt es etwas, das Sie als Künst­le­rin anders machen würden?

Ich wür­de nicht 350 Bil­der malen, denn die sind nun alle in mei­nem Lager. Sie sind auf brei­ten Stret­ches und fül­len einen gan­zen Raum. Ich habe in New York 3 Jah­re lang wirk­lich jeden Tag gemalt. Es war eine sehr glück­li­che Zeit. Und noch was fällt mir ein: Ich habe ein­mal in St. Moritz Gun­ter Sachs getrof­fen, noch bevor er mit Bri­git­te Bar­dot zusam­men war. Er woll­te mich in sei­nen Club Dra­cu­la ein­la­den und ich habe abge­lehnt. Das hät­te ich nicht tun sollen.

Eini­ge unse­rer Leser*innen sind jun­ge Samm­ler. Was wür­den Sie denen als erfah­re­ne Kunst­samm­le­rin raten?

Ich bin froh, dass ich die mei­ne Kunst­wer­ke immer nur gekauft habe, weil sie mir gefal­len haben. Wenn das ein oder ande­re viel­leicht ein­mal nicht mehr die­sen Wert hat, dann spielt es kei­ne Rol­le, weil es mir die gan­ze Zeit über Freu­de berei­tet hat. Ich wür­de nicht spe­ku­la­tiv kau­fen. In den 60iger Jah­ren, als ich ange­fan­gen habe zu sam­meln, hat man Kunst gekauft, weil man sie lieb­te. Jetzt ist Kunst eine Com­mo­di­ty gewor­den. Ich könn­te heu­te kei­ne Samm­lung mehr auf­bau­en. Ich wüss­te nicht wo anfan­gen, denn es gibt so vie­le Künst­ler. In den 60er Jah­ren gab es Künst­ler­grup­pen wie Tran­sa­van­guar­dia mit San­dro Chia, Fran­ces­co Cle­men­te, Enzo Cuc­chi, Nico­la De Maria und Mim­mo Pala­di­no. Von Nico­la De Maria hat­te ich 13 Stück und davon habe ich heu­te noch 8, denn ich mag jedes ein­zel­ne davon. Die Loui­se Bour­geois hier ober­halb des Tisches, die „Rub­ber Hearts“, habe ich in einer Gale­rie gese­hen und sofort gekauft.

Sammeln sie immer noch?

Ich sehe mir zwar immer noch die Mes­sen an, aber ich habe mei­ne Samm­lung abge­schlos­sen. Alles das, was ich wirk­lich ger­ne habe, kann man heu­te nicht mehr bezah­len. Viel habe ich ja sehr früh auch wie­der ver­kauft. Durch mei­ne Umzü­ge hat­te ich auch oft kei­ne ande­re Wahl. Mit dem, was ich jetzt habe, will ich leben.

Gibt es ein Zitat, wel­ches Sie inspiriert?

Was mich beein­druckt ist das Gedicht „Stu­fen“ von Her­mann Hes­se. Das ist etwas, das mich tag­täg­lich beglei­tet: Wie jede Blü­te welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebens­stu­fe, Blüht jede Weis­heit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern…Sie ken­nen es oder?

Ja, es ist wun­der­schön, und haben Sie auch ein per­sön­li­ches Credo …

Ich bin dis­zi­pli­niert. Das schul­de ich mei­nen jun­gen Freun­din­nen, die in mir ein Vor­bild sehen. Ich über­win­de jeden Tag den inne­ren Schwei­ne­hund. Ich mache alles mit Dis­zi­plin. Am liebs­ten möch­te ich zwar nur auf dem Sofa lie­gen und lesen, aber ich beschäf­ti­ge mich den gan­zen Tag, um das zu verhindern.

Beitrag teilen
geschrieben von

Das Kunstmagazin, das mehr Zeit zum Lesen und mehr Raum zum Schauen beansprucht: ein Gegentrend zu vielen Megatrends. Geeignet für Kunstliebhaber, die tiefer gehen möchten und bereit sind, inspiriert zu werden. Intellektuell anspruchsvolle Inhalte, innovatives Layout und elegantes Design auf höchstem Qualitätsstandard.

Consent Management Platform von Real Cookie Banner

Sie befinden sich im Archiv.
Hier geht's zum aktuellen stayinart Online Magazin.

This is default text for notification bar