Er ist Künstler, Schichtarbeiter und Alchemist. Der südtiroler Gegenwartskünstler Robert Pan ist bekannt für seine farbintensiven Objekte in Harz. Mit technischer Perfektion erschuf er einen einzigartigen Bildkosmos an der Grenze von Malerei und Bildhauerei. Ein Besuch in seinem Studio in Bozen.
NOBLES MATERIAL
Jeder kennt es. Es ist flüssig, klebrig und verhärtet sich mit der Zeit. Die Rede ist von Harz. Was erstmal unspannend klingt, wird in der Industrie, in der Kunst und im Design vielfach verwendet. Beschichten, Gießen, Kleben, Laminieren – Harz ist ein echter Allrounder. Schon die alten Ägypter erkannten sein Potenzial und nutzten das »Gold der Natur« zur Mumifizierung. Auch Robert Pan ist fasziniert davon. Seit über 25 Jahren experimentiert der südtiroler Bildhauer mit dem »noblen Material«, wie er es nennt. Inzwischen ist es sein Markenzeichen. Pan ist bekannt für seine abstrakten Farbobjekte – einen Mix aus Harz und Pigmenten. Dabei arbeitet der Grenzgänger an der Schnittstelle von Malerei und Bildhauerei. Pan ist naturverbunden, sieht sich als »Erdmensch«. Pans Werk ist geprägt vom Material, dem Prozess und der (De)konstruktion. Tiefe und Transparenz, Zeit und Zufall sind seine Parameter. Aus bis zu vierzig Schichten baut er seine Objekte auf und schleift sie wieder ab. Wie ein Baum mit seinen Jahresringen. Da kann es schon mal zwei Jahre dauern, bis ein Objekt fertig ist. Pans Objekte wirken wie abstrakte Mikrowelten in flimmernden Farben, Formen, Mustern, Punkten und Strukturen. Sie erinnern an magische Landschaften, ferne Galaxien, chemische Prozesse, wie der Blick durchs Mikroskop oder ein Nebelfleck im interstellaren Raum. In seiner intensiven Auseinandersetzung mit Material und Oberfläche lotet Pan die Grenzen von Raum und Fläche, Farbe und Form, Licht und Schatten intuitiv aus. Mit seinen lebhaften, leuchtenden Objekten entwickelte Pan eine eigene Handschrift. Das machte ihn nicht nur einzigartig, sondern auch erfolgreich. Er hatte Ausstellungen in Mailand, Bologna, Turin, Rom, Venedig, Berlin, Frankfurt, Amsterdam, London, New York, Paris, Istanbul, Singapur, Tokio, Taipei. Heute hängen seine Werke in der Banca Intesa San Paolo Mailand, im Museion Bozen, in der HypoVereinsbank, Kambly Art Collection, in der Andrea Fendi Art Collection Rom, in der Benetton Art Collection, Mango Collection Barcelona, Valerie Rademacher Sammlung London, Fundacion Ernesto Ventos und sind auf internationalen Kunstmessen wie der Art Basel, Art Cologne, Armory Show New York, Miart und der Miami Art Fair vertreten.
DISZIPLIN ALS ERFOLGSREZEPT
Vom Klischee des genialen Künstlers hält Pan wenig. »Ich glaube nicht an Inspiration, ich glaube an Disziplin«, sagt Pan. Man muss die Hände benützen. Von nichts kommt nichts. Kopf und Herz müssen im Einklang stehen, der Rest kommt aus dem Unterbewusstsein. Pan wird 1969 in Südtirols Landeshauptstadt Bozen geboren. Bekannt ist Bozen vor allem für seine historische Altstadt. Hier wohnt auch Pan. Auf über tausend Quadratmeter hat er sich ein modernes dreistöckiges Wohnstudio errichtet. Ursprünglich war das familiäre Anwesen ein Obstmagazin. »In 130 Jahren hat sich hier viel verändert. Als ich eingezogen bin, habe ich Stock für Stock ausgebaut«, so Pan. Heute lebt und arbeitet hier der 53-Jährige mit Freundin Ulli und den Hunden Aristoteles und Almond. »Regen und Kälte mögen sie gar nicht, am liebsten sonnen sie sich am heißen Beton«, lacht Pan. Bis vor einigen Jahren lebte Pan noch in Miami in den USA, hatte dort Ausstellungen, ein großes Atelier und internationale Galeristen an seiner Seite. Drei Jahre hielt es Pan in der Glitzermetropole Miami, bis es ihn 2016 zurück in seine Heimatstadt Bozen zog.
BLADE RUNNER
Pan ist ein Weltenbummler, er lebte in Paris, London, New York und Miami. Den Drang auszubrechen hatte er schon immer. »Früher war ich ein kleiner Rebell«, wie er sagt. Von 1987 bis 1991 studierte Pan an der Akademie der Schönen Künste in Urbino Bildhauerei bei Elio Marchegiani und Raffaello Scianca »Eigentlich wollte ich immer Künstler werden«, so Pan. 1991 ging er nach Paris. Lange hielt es ihn dort nicht. Er zog weiter nach London, wo er für ein Jahr beim Bildhauer Bruce Juttel King studierte. 1992 bekam er die Gelegenheit, mit einem Stipendium nach New York City zu reisen. Im hippen Viertel von Tribeca gefiel es dem Südtiroler sichtlich. Aus dem sechsmonatigen Trip wurden schließlich drei Jahre. Zurück in Bozen, eröffnete Pan 1996 gleichzeitig in der Galerie Prisma, Galerie Spatia, Europäischen Akademie und im Museion die Ausstellung Gate. Ridley Scotts Zitat aus Blade Runner im Vorspann des Katalogs »Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet […]«, war der apokalyptische Vorbote für Pans monumentales Triptychon im sakralen Gold. Es erzählt von der abendländischen Kultur und der Schönheit der Leere, ganz im Sinne von Rilkes Sehnsuchtsort. Arbeiten aus dieser Zeit waren noch stark geprägt von einer religiösen und mystischen Symbolik, die Pan im Laufe der Zeit durch Farbe und Licht als emotionalen Stimmungsträger ersetzte.
SEHEN UND STAUNEN
Von Weitem wirken Pans Werke wie klassische Ölmalereien. Weit gefehlt. Seine Objekte sind das Resultat aus Kunstharz, Farbpigmenten und Netzen, die der Künstler in komplexen Verfahren bearbeitet und überarbeitet. Ganz erklären will er seine Technik nicht, man muss auch noch rätseln können. Pan geht es auch immer um die Hinterfragung des klassischen Werkbegriffs. Wie entsteht ein Werk? Woraus ist es gemacht? Wie erzeugt es Tiefe? Wenn der Betrachter ins Staunen gerät, hat Pan alles richtig gemacht. Mit Schneidbrenner, Schleifgerät und Atemmaske ausgestattet, gießt, schleift, dreht und wendet er die Objekte, verleiht ihnen Farbe und Glanz, Tiefe und Transparenz. Aus dem breiten Spektrum an Farben ergeben sich feine Nuancen, Überlagerungen und Raumtiefe. Pan ist ein Tiefentaucher und Sternenritter. Seine Werke leben von der Magie des Unbekannten und Unbewussten, vom Zufall und der Ordnung. Auch wenn sich seine Objekte an der Schnittstelle von Malerei und Bildhauerei bewegen, sieht sich Pan klar als Bildhauer. »Mir war Malerei immer zu wenig, mich interessiert die Materie.« Pan ist wie ein Alchemist in seinem Labor, er experimentiert mit den verschiedensten Materialien wie Harze, Säuren, Laugen, Silicone, Eisen, Kupfer, Aluminium, Paraffin, Wachs, Salz und Zucker. »Mich interessierte schon immer Chemie«, so Pan. War Harz zu Beginn nur ein Stilmittel, ist es seit Mitte der 90er sein zentraler Ausdrucksträger. Der aus Petroleum gewonnene Werkstoff verleiht seinen Arbeiten Flexibilität, Beständigkeit und Kontinuität. Zeit ist für ihn relativ. Der Weg ist das Ziel oder wie Pan es ausdrückt: »Egal wie lange du an einem Werk arbeitest, ob zehn Tage oder zwei Jahre, ein Künstler braucht ein Leben lang, um dort hinzukommen.«
SEHEN UND STAUNEN
Pan ist ein Workaholic. Er arbeitet immer an mehreren Objekten gleichzeitig. Er kann und will sich nicht auf ein Werk konzentrieren, was auch mit dem zeitintensiven Arbeitsprozess zusammenhängt. Das erfordert Ausdauer und Wille. »Ich bin ein Perfektionist und als Künstler will man sich ständig weiterentwickeln. Eine gewisse Unzufriedenheit muss man verspüren, das gehört dazu«, so Pan. Er hat immer an seinen Grundprinzipien festgehalten. »Gute Kunst muss authentisch sein«, wie er sagt. Pan hat eine strenge Struktur, feste Abläufe und ist bestens organisiert. In seinem weiträumigen Studio fühlt er sich am wohlsten. Hier umgibt er sich gerne mit Büchern und Kunst. Pan liebt die Ordnung, jeder Raum hat eine gewisse Funktion. In einem Raum sammelt er Arbeiten von sich. »Ich behalte mir von jeder Serie ein Werk«, so der Künstler. Pan hat sich sein eigenes Universum erschaffen. Hatten zu Beginn noch Punkte in seinen Bildwelten dominiert, so sind es jetzt feine Gitter- und Wabenstrukturen. Was wie wilde Malerei anmutet, ist in Wirklichkeit ein System von Netzen, die der Künstler mit Harz und Farben bearbeitet. In Ausstellungen wie Akasha (2006), Constellation (2010), Sternenstaub / Quasar (2012), Eden (2014), Mahdi (2016) oder Cosmic Latte (2018) führt uns Pan an abgespacte Orte. Dabei reflektiert und hinterfragt er unser herkömmliches Bilddenken. Die Werktitel tun dabei ihr Übriges. Mit PE 6,454 VL, VL 3,917 LK oder SP 2,544 SZ zeichnet Pan sein eigenes Koordinatensystem. Pan führt den Betrachter auf eine Metaebene, wo sich Sichtbares und Unsichtbares verdichten und verflüssigen. Bei Pan ergibt alles Sinn. Man muss nur in die Sterne blicken.