Interview mit Jakob Lena Knebl
Jakob Lena Knebl vertritt innerhalb der zeitgenössischen Kunst eine Position, die Design- und Kunstgeschichte miteinander verschränkt und deren Einfluss auf die Konstruktion von Identitäten sichtbar macht. Mit ihren performativen und provokanten theatralischen Inszenierungen interveniert sie in bestehende Sammlungen und nimmt hier künstlerisch und politisch motivierte Neubewertungen vor. So auch im LENTOS Kunstmuseum Linz, wo die Künstlerin in sinnlicher Art und Weise beide Räume im Untergeschoss konträr und bipolar präsentiert und eine dunkle Seite einer Bunten entgegengesetzt. Durch Kombination mit eigenen Arbeiten und ihrem, als Künstlerin, stark subjektiv gefärbten kuratorischen Ansatz unterzieht Knebl die Sammlung einer politischen Neubewertung. Sie bricht den klassischen Kanon der Sammlungspräsentation auf und erprobt eine „demokratische Art“ des Ausstellens. Dieses Spiel mit unterschiedlichen Taktiken ermöglicht einen ungewöhnlichen, niederschwelligen Zugang und vermag Ernsthaftigkeit mit einem Augenzwinkern zu vermitteln.
Ich assoziiere mit Glamour eine bewusste Gestaltung des Umfelds und des eigenen Körpers. Eine Art der Inszenierung, bei der ein ästhetisches Wissen, Bildung, sichtbar wird und sich durch Übertreibungen und Überzeichnungen auszeichnet.
Sie beschäftigen sich schon seit Ihrer Ausbildung mit Kunst, Design und Mode. Was bedeutet das im Schaffensprozess – beeinflussen sich diese Themenfelder gegenseitig, greifen sie ineinander oder stehen sie auch in Konkurrenz zueinander?
In meinen Arbeiten beziehe ich mich unter anderem, auf die Kunst- und Designgeschichte. Es ist interessant, wie sich diese Themenfelder gegenseitig beeinflussen aber auch wie diese in Verbindung mit unserem Begehren zu Co-Gestaltern unserer Identitäten werden. Aber ich reihe mich auch in jene Bewegungen ein, welche daran arbeiteten die Hierarchisierung zwischen Design und Kunst aufzubrechen.
Was verstehen Sie unter Ästhetik?
Bei meinen Arbeiten eine sinnliche Verführung, Einladung, um herausfordernde Themen niederschwellig zu vermitteln. Die unterschiedliche Ästhetik, mit der ich arbeite, setze ich als eine Art von Tricksermethode ein.
Für die Installation auf der Biennale Lyon haben Sie mit Ashley Hans Scheirl zusammengearbeitet. Dabei ging es um Gender, Identität und Ökonomie. Ein Bildtitel lautete „La Poupée, le Doigt d’Or et les Dents: Fou de Rage“ (Die Puppe, der goldene Finger und die Zähne: Wutanfall). Die Komposition mutet glamourös an, worum geht es in dieser Arbeit?
Für unseren Beitrag bei der Biennale Lyon in der Fagor Factory, haben wir eine Installation auf 2 Ebenen realisiert. Es gab einen 35 m² komplett verspiegelten Raum im Boden, in dem meine Puppenskulptur, ein Jettbett und Lampen installiert waren. Durch die Spiegelung ergab sich ein unendlicher Raum. Ebenerdig gab es eine 200 m² hohe Wand, auf der eine Malerei von Ashley Hans Scheirl zu sehen war und uns als Künster_innenpaar im Glam-Rock Stil zeigte. Es ist bemerkenswert, dass die 2er Formation von 2 Künstlerinnen selten vorkommt. Rund um den verspielten Raum ergab sich eine Szenographie aus einer 70iger Jahre Wohnlandschaft, auf der man unser Luis de funnes Remake, des legendären Wutanfalls aus dem Film „Oskar“ sehen konnte, sowie eine Kollektion, in der Teile von Ashlys Malereien auf Stoffdrucken und Co-operation mit dem Modelabel „House of the very island‚s…“. Die Bilder verlassen den elitären Raum und erscheinen durch die Trägerinnen der Outfits im Alltag.
Was denken Sie über „Glamour“ bzw. was assoziieren Sie damit?
Ich assoziiere damit eine bewusste Gestaltung des Umfelds und des eigenen Körpers. Eine Art der Inszenierung, bei der ein ästhetisches Wissen, Bildung, sichtbar wird und sich durch Übertreibungen und Überzeichnungen auszeichnet.
Ihr künstlerisches Schaffen wird unmittelbar mit Transgender in Verbindung gebracht. Ist das in Ihrem Sinne?
Nicht in dieser Ausschließlichkeit. Ich benutze viel eher die von Ashley Hans Scheirl entwickelte Praxis Trans…Genre,- Medium, Kontext, Materialitäten usw. Dabei geht es um eine Praxis der Transformation.
Welches Klischee ist für Sie das widerlichste?
Allgemein oder in Bezug auf Transgender?
Allgemein…
Zuschreibungen im Zusammenhang mit und in Bezug auf Personen, vermeintliche Gruppen sind schwierig und wenn sie politisch benutzt werden immer auch gefährlich. Das Ziel ist eine unvoreingenommene Begegnung zu verunmöglichen. Im Gegenzug dazu können Zuschreibungen, Bedeutungen in Zusammenhang mit Orten, Dingen, Erfahrungen ein wichtiger Bestandteil sein, um Anknüpfungspunkte zu finden. Sehnsüchte zu entwickeln. In ihrem narrativ zu Inspirationen werden.
Mit alltagssprachlich abwertenden Bezeichnungen „Schwule Sau“ oder „Mannweib“, die auf ihren Körper geschrieben waren, haben Sie Aufmerksamkeit erregt. Dabei haben Sie Judith Butlers Theorie der Performativität des politischen Diskurses über Hassreden aufgegriffen. Woher nehmen Sie die Kraft für so mutige Aktionen?
Im Bewusstsein für die Endlichkeit unseres Daseins sowie der Begeisterung mich jenen anzuschließen, die Veränderungen initiieren. Wenn wir keine Risiken eingehen, laufen wir nicht Gefahr zu scheitern, aber wir werden auch nichts verändern. Ich habe letztes Jahr eine Ausbildung zum Systemischen Coach gemacht. Das Interesse an diesem Feld-Menschen, zu stärken zu begleiten, war von Anfang an eine meiner größten Motivationen in meiner künstlerischen Arbeit.
Identität und Identitätsbildung stehen in Ihren Werken im Vordergrund. Wie nehmen Sie aktuell die Identitätsbildung in unserer Gesellschaft wahr?
Das Thema ist im Diskurs. Zum einen, weil Befreiungskämpfe aus den Subkulturen den Weg über die Universitäten endlich in den Mainstream gefunden haben und zum anderen weil Identität auch weltweit von Populisten missbraucht wird beispielsweise in Schlagworten wie „Wir sind das Volk“. Es ist also kein Zufall, dass es die Identitären gibt. Generell lehne ich jede Art von Fundamentalismus ab, der leider auch in machen Befreiungskämpfen auftauchen kann. Auch hier gilt es wachsam zu sein. In meinen Arbeiten geht es unter anderem um Möglichkeitsräume und Selbstwirksamkeit.
Sie arbeiten häufig mit Ihrem eigenen oder auch anderen Körpern und setzen sich mit der Paradoxie des Begehrens auseinander. Was ist für Sie begehrenswert?
Vieles. Dinge, die mich anziehen für die ich mich begeistere. Das kann eine Fat Lava Lampe sein, eine Coaching Methode, ein spezielles Material oder aber auch mir Ziele zu setzen und diese zu erreichen. Ich begehre Veränderung. Und daher auch den Wechsel von einem Begehren zum anderen. Oft sind es Dinge, Themen, die mir am Anfang fremd waren und für mich erst in der wiederholten Auseinandersetzung näher kamen.
Sie greifen gerne in Sammlungen ein und widmen sich, wie damals im mumok und aktuell im LENTOS, Neuaufstellungen. Hierfür setzen Sie sich dann ja in erster Linie mit Werken anderer Künstler*innen auseinander. Was reizt Sie daran?
Ich setze mich mit den Werken anderer Künstler*innen auseinander und treffe dabei eine sehr persönliche Auswahl, um sie mit meinen eigenen Arbeiten zu verschränken, die in Reaktion mit dieser Auseinandersetzung entstehen. Mich reizt daran wiederum sichtbar zu machen, welche Werke mich von anderen Künstler*innen und Designer*innen inspirieren, aber auch der Prozess der Veränderung. Ich erweitere meinen eigenen Radius mit jeder Ausstellung, jeder Begegnung. Als Künstlerkuratorin habe ich Freiheiten und Möglichkeiten, die ein Kurator eine Kuratorin, mit Kunstgeschichtestudium nicht hat. Derzeit entwickle ich eine Ausstellung im Musée d’Art et d’Histoire in Genf für 2021, dafür erhielt ich von Marc-Olivier Wahler, dem neuen Direktor, eine Carte Blanche.
Worauf legen Sie in Ihrer kuratorischen Arbeit Wert?
Auf anziehende, erheiternde, sinnliche Überraschungsmomente, unterschiedliche Taktiken innerhalb unterschiedlicher Szenographien. Einen demokratischen Zugang, dabei werden Gegenstände des Alltags gemeinsam mit Werken der Kunst präsentiert. Das Zusammentreffen von High and Low. Aber auch das Sichtbarmachen von unbekannten Positionen ist ein wichtiger Bestandteil, während ich die Ikonen der Kunstgeschichte mit Hilfe von Humor liebevoll ein wenig vom Sockel stoße, oder in einer ungewöhnlichen Art präsentiere, die zum Ziel hat Bekanntes anders, ein Stück weit neu, wahrzunehmen. Ich lege großen Wert auf einen niederschwelligen Zugang. Mir ist wichtig, dass eine Ausstellung auch ohne Vorwissen, speziellem Wissen seitens der Besucher*innen, etwas auszulösen vermag. Ich denke diese Herangehensweise ist in meinem Workingclass-Background, meiner Arbeitsbiographie begründet. Ich war 10 Jahre als Altenbetreuerin tätig und studierte erst spät, mit Hilfe des Selbsterhalterstipendiums Modedesign bei Raf Simons und Textuelle Bildhauerei bei Heimo Zobernig.
Gibt es im LENTOS eine besondere Herausforderung, der Sie sich stellen werden?
An dieser Stelle möchte ich nicht zu viel verraten, aber diese Herausforderungen gibt es. Muss es für mich geben. Um ein Beispiel zu nennen: In der LENTOS Sammlung gibt es wunderbare Objekte der Nacza Kultur. In aktuellen Diskursen geht es auch um Fragen der Vereinnahmung, Kolonialgeschichte und den Umgang damit.
Welchen Schwerpunkt wird die Ausstellung haben? Im Pressetext des Museums wird die Präsentation mit „In sinnlicher Art und Weise“ beschrieben. Was wird das Publikum hier erwarten?
Der Schwerpunkt ist mein persönlicher Zugang zu Sammlungen und die Verschränkung mit meinen eigenen Arbeiten. Es werden Art Brut Arbeiten zu sehen sein, Objekte der Nacza Kultur (100 nach Christi), Darstellungen von Frauen und Mädchen in der Malerei…