Restitution von Kunstgegenständen in Österreich
Einer der bekanntesten österreichischen Restitutionsfälle ist der Streit um Klimts „Goldene Adele“ (Adele Bloch-Bauer I). Die Erben von Ferdinand und Adele Bloch-Bauer kämpften jahrelang um die Rückgabe dieses und anderer Bilder. Im Jahr 2006 restituierte die Republik das Bild. Es wurde dann von den Erben an Ronald Lauder für kolportierte 135 Mio. US$ verkauft und ist seitdem in der Neuen Galerie in New York ausgestellt. Der Rechtsstreit kam 2015 mit Helen Mirren in der Hauptrolle als Spielfilm („Die Frau in Gold“) in stark vereinfachter Form in die Kinos.
Ein weiterer Fall geht derzeit durch die Medien: Im Jahr 2001 wurde Klimts „Apfelbaum II“ an die Erben der Nora Stiasny restituiert, aber offenbar zu Unrecht, da das Bild nie in ihrem Eigentum war. Wo sich das Gemälde heute befindet, ist unbekannt. Diese beiden prominenten Fälle bieten Anlass, sich mit der rechtlichen Seite der Kunstrückgabe in Österreich näher zu befassen. 1998 wurde das Kulturrückgabegesetz (KRG) einstimmig im Parlament beschlossen. Es regelt die Rückgabe von Kunstgegenständen im Besitz des Bundes, die entweder im Nationalsozialismus den Eigentümern unrechtmäßig entzogen oder nach 1945 als „Gegenleistung“ für die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für andere Kunstwerke dem Bund überlassen wurden. Die damals meist ausgewanderten Eigentümer haben nach 1945 solchen „Überlassungen“ oft nur deshalb zugestimmt, um wenigstens einige ihrer Kunstwerke aus Österreich ausführen zu dürfen. Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur wird im KRG ermächtigt, die ursprünglichen Eigentümer festzustellen und Kunstgegenstände an sie oder ihre Erben zurückzugeben.
Davor hat er jedoch die Empfehlung eines Beirates einzuholen, der wiederum seine Empfehlungen aufgrund eines Berichtes der Kommission für Provenienzforschung erstellt. Das Gesetz gewährt den ursprünglichen Eigentümern oder Erben keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Rückgabe; dennoch wurden bereits zehntausende Objekte rückübereignet. Gerade die Provenienzforschung stellt sich dabei häufig als sehr schwierig dar, und es ist nicht immer möglich, die ursprünglichen Eigentümer oder deren Erben zu ermitteln. Kunstgegenstände können daher auch an den Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung übereignet werden. Dass bei der Provenienzforschung auch Fehler passieren können, zeigt die irrtümliche Restitution von Klimts „Apfelbaum II“.
Auch die Bundesländer und einige Gemeinden haben entsprechende Regelungen für die Restitution ihrer Kunstgegenstände erlassen, sodass nicht nur Bestände des Bundes erfasst sind. Der Fall der „Goldenen Adele“ ist einigermaßen kompliziert. Anfang des 20. Jahrhunderts beauftragte Ferdinand Bloch-Bauer den Maler Gustav Klimt, seine Frau Adele Bloch-Bauer zu malen. Er bezahlte das Bild auch. Als Adele 1925 verstarb, nahm sie in ihr Testament die Bitte auf, ihr Ehemann möge das Bild nach seinem Tod der Österreichischen Staatsgalerie (im Belvedere) überlassen. Ferdinand Bloch-Bauer versprach im Verlassenschaftsverfahren, diese Bitte zu erfüllen. 1938 emigrierte er zunächst nach Prag, dann in die Schweiz. Sein zurückgelassenes österreichisches Vermögen wurde von den Nationalsozialisten zur Tilgung angeblicher Steuerschulden verwertet. 1940 stimmte Ferdinand Bloch-Bauer nolens volens aus dem Exil einem Vergleich zur Beseitigung der ihm angedachten (und wohl von den Nazis erfundenen) Steuerschulden zu. Laut diesem Vergleich ging unter anderem die „Goldene Adele“ an die Österreichische Staatsgalerie.
Nach 1945 bemühten sich Ferdinand Bloch-Bauer und seine Erben um die Rückgabe der „Goldenen Adele“ und anderer Bilder. Um eine Ausfuhrgenehmigung für diese anderen Bilder zu erhalten, anerkannten sie im Jahr 1948, dass die „Goldene Adele“ der Österreichische Staatsgalerie zustehe, weil dies Ferdinand 1925 im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Frau Adele zugesagt hatte. Das Bild verblieb damals also im Belvedere. Maria Altmann, eine der Erbinnen, begehrte dann aber im Jahr 1999 die Rückübereignung des Bildes nach den Bestimmungen des damals neu erlassenen KRG. Der Beirat sprach sich jedoch dagegen aus, weshalb Bundesministerin Elisabeth Gehrer die Rückgabe ablehnte. Daraufhin wurde von den Erben in den USA ein Zivilprozess gegen die Republik Österreich angestrengt. Im Mai 2005 einigten sich die Parteien dann aber darauf, das Verfahren nur mehr vor einem österreichischen Schiedsgericht weiterzuführen. Am 15. Jänner 2006 entschied das Schiedsgericht schließlich, dass die Voraussetzungen für eine Restitution des Bildes vorlagen. Die Republik hat daraufhin das Bild an die Erben des Ferdinand Bloch-Bauer zurückgestellt.
Die Rechtsfragen im Streit um die „Goldene Adele“ waren einigermaßen komplex: Zunächst war nicht klar, wer denn zum Zeitpunkt von Adeles Tod im Jahr 1925 tatsächlich Eigentümer des Bildes war: War es Ferdinand oder war es Adele? Immerhin hatte Ferdinand das Bild in Auftrag gegeben und bezahlt. Vielleicht hat er es aber auch Adele geschenkt. Wäre Ferdinand der Eigentümer gewesen, hätte Adele in ihrem Testament gar nicht über das Bild verfügen können. War hingegen Adele tatsächlich die Eigentümerin, stellte sich die Frage, ob sie ihren Mann im Testament überhaupt rechtlich wirksam zur Überlassung des Bildes an die Österreichische Staatsgalerie verpflichten konnte und ob das Versprechen des Ferdinand, das Bild an die Staatsgalerie zu übertragen, rechtlich bindend war. Fraglich war auch, welche Qualität die Einigung mit der Republik aus dem Jahr 1948 im Zuge der Ausfuhr anderer Bilder hatte. In dieser Einigung wurde von den Erben quasi anerkannt, dass das Bild aufgrund der testamentarischen Verfügung von Adele der Republik Österreich zusteht.
Das Schiedsgericht beantwortete nicht all diese Fragen abschließend, sondern sah es als ausreichend an, dass das Bild nach 1945 „Verhandlungsmasse“ über ein Ausfuhrersuchen für andere Kunstgegenstände war. Es entschied daher zugunsten der Erben. Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie schwierig und komplex Restitutionsverfahren in der Praxis sein können und dass es nicht immer eindeutige Lösungen gibt. Hier waren es rechtliche Fragen, beim „Apfelbaum II“ eher historischfaktische Fragen.
Weiterführende Information zur Kunstrückgabe: www.kunstrestitution.at und www.provenienzforschung.at