Die Menschenrechte und die Kunst

PIONIERINNEN FÜR GESELLSCHAFTLICHEN WANDEL

Die Ver­bin­dung zwi­schen Kunst und Men­schen­rech­ten ist viel­schich­tig. Einer­seits braucht es für die Aus­übung von Kunst gewis­se Grund­frei­hei­ten, ande­rer­seits ist Kunst selbst Aus­druck von Frei­heit. Was kann Kunst für Men­schen­rech­te also tun? Vieles.

Kunst kann durch Kri­tik am Bestehen-den und krea­ti­ves Ergrün­den des Mög­li­chen Pio­nie­rin­nen­ar­beit für gesell­schaft­li­chen Wan-del leis­ten. Kunst mag in die­sem Sin­ne Miss-stän­de auf­zei­gen oder neue Hori­zon­te, Uto­pien und Visio­nen ertas­ten. Damit kann Kunst dyna­mi­sche Begeg­nun­gen zwi­schen Ästhe­tik, Poli­tik und Gesell­schaft schaf­fen und gesell­schafts­po­li­ti­sche Ver­än­de­run­gen ein­lei­ten. Seit der Jahr­tau­send­wen­de wird außer­dem von einem „social turn“ in der Kunst­welt gespro­chen, der eine Ver­än­de­rung der Kunst in Rich­tung eines pro­zess­be­zo­ge­nen und par­ti­zi­pa­ti­ven Enga­ge­ments mit sich bringt. So eta­bliert sich Kunst zuneh­mend als eine sozia­le Pra­xis, die Men­schen­rechts­the­men in ihren Fokus rückt und häu­fig dort aktiv wird, wo Hand­lungs­räu­me feh­len. Dies ver­deut­licht bei­spiels­wei­se der Pro­jekt­ent­wurf der fik­ti­ven Jean-Mon­net-Brü­cke des nicht ganz unum­strit­te­nen Zen­trums für Poli­ti­sche Schön­heit, die als ers­te direk­te Ver­bin­dung zwi­schen Afri­ka und Euro­pa das Ster­ben im Mit­tel­meer been­den könn­te. Selbst­re­flek­tiert, wenn auch pro­vo­kant, wirft das Kunst­pro­jekt die Fra­ge auf, ob es wirk­lich die Kunst sein muss, die das Recht auf Leben ver­fech­tet. Die­ses Bei­spiel ver­deut­licht, wie Kunst dank ihrer künst­le­ri­schen Frei­heit in der Fik­ti­on aktu­el­le poli­ti­sche Dis­kur­se durch Kon­tro­ver­sen befeu­ert und gleich­zei­tig über die Gren­zen des poli­ti­schen Akti­vis­mus hinausgeht.
Kunst ist damit oft die Mani­fes­ta­ti­on einer gesell­schafts­po­li­ti­schen Posi­ti­on. Gene­rell geht einem poli­ti­schen Pro­test meist ein tief­grei­fen­der gesell­schaft­li­cher Wer­te­wan­del vor­aus, der oft in der Kunst- und Kul­tur­sze­ne viel eher sicht­bar wird. Kunst kann dank ihrer sym­bo­li­schen Kraft und Frei­heit in der Fik­ti­on die Unter­maue­rung einer poli­ti­schen Idee dar­stel­len und die­se kraft­voll durch emo­tio­nal-kogni­ti­ves Sto­rytel­ling nach außen tra­gen. So gene­riert Kunst kol­lek­ti­ve Wir­kungs­kraft im sozia­len Raum und trägt zur zivil­ge­sell­schaft­li­chen Mobi­li­sie­rung bei. Indem kom­ple­xe The­ma­ti­ken viel­schich­tig auf­ge­fä­chert wer­den und sub­jek­tiv Erleb­tes in ein kul­tu­rel­les Kol­lek­tiv ein­ge­bet­tet wird, kann und will Kunst auch jen­seits der Fik­ti­on und des Sym­bo­li­schen ein Mit­tel des Wider­stands, ein Motor gesell­schaft­li­chen Wan­dels oder ein Instru­ment zur Eman­zi­pa­ti­on sein.

Xavie­ra Sim­mons, The Importance, Of Slavery In The Con­s­truc­tion Of, 2018. © Cour­te­sy of the artist and David Cas­til­lo Gallery 

MENSCHENRECHTE: EINE TURBULENTE HISTORISCHE ENTWICKLUNG

Auch Men­schen­rech­te spie­geln das Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­ben ver­schie­de­ner Gesell­schafts­grup­pen wider und sind, im heu­ti­gen Sinn ver­stan­den, das Pro­dukt einer tur­bu­len­ten his­to­ri­schen Ent­wick­lung. Sie ent­fal­te­ten sich aus basa­len Gesell­schafts­re­geln des alten Meso­po­ta­mi­ens hin zu uni­ver­sel­len Rech­ten aller Indi­vi­du­en. Dabei gilt die Insti­tu­tio­na­li­sie­rung der Eigen­tums­rech­te, die sich in Euro­pa und ins­be­son­de­re im Eng­li­schen König­reich dank der frag­men­tier­ten und von Auf­stän­den gepräg­ten Macht­ver­hält­nis­se durch­set­zen konn­te, als ent­schei­den­der Fak­tor. Die Char­ter of Liber­ties (1100) und die Magna Char­ta Liber­ta­tum (1215) limi­tier­ten bereits die Macht des eng­li­schen Königs­hau­ses und leg­ten damit die Grund­pfei­ler für die heu­ti­ge Form der Demo­kra­tie. Das Ende des Abso­lu­tis­mus durch die Glo­rious Revo­lu­ti­on (1688) trug schließ­lich zur Her­aus­bil­dung plu­ra­lis­ti­scher Insti­tu­tio­nen, zur Kon­so­li­die­rung der Eigen­tums­rech­te und eines funk­tio­nie­ren­den Zen­tral­staats bei. Zwei gro­ße Revo­lu­tio­nen waren für die heu­ti­ge Idee der Men­schen­rech­te aller­dings noch zen­tra­ler: die Ame­ri­ka­ni­sche und die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on Ende des 18. Jahr­hun­derts. Die ame­ri­ka­ni­sche Bill of Rights (1791), der Grund­pfei­ler des Libe­ra­lis­mus, garan­tier­te bereits fun­da­men­ta­le Rech­te in Form von nega­ti­ven Frei­hei­ten des Ein­zel­nen, die es gegen­über der Staats­macht zu schüt­zen galt: Pres­se­frei­heit, Mei­nungs­frei­heit, Reli­gi­ons­frei­heit und Ver­samm­lungs­frei­heit. Zwei Jah­re spä­ter unter­zeich­ne­te die fran­zö­si­sche Natio­nal­ver­samm­lung die Decla­ra­ti­on des Droits de l’Homme et du Citoy­en, die auf der in Euro­pa stark ver­tre­te­nen Natur­rechts­phi­lo­so­phie basier­te und von der natür­li­chen Ange­bo­ren­heit gewis­ser Rech­te des Men­schen aus­ging. Die­ses Gedan­ken­gut wur­de im Napo­leo­ni­schen Kodex (1804) wie­der auf­ge­grif­fen und durch Napo­le­ons Feld­zü­ge in ganz Euro­pa ver­brei­tet. Im 19. Jahr­hun­dert fan­den eini­ge Men­schen­rechts­prin­zi­pi­en schließ­lich in den Ver­fas­sun­gen der neu gegrün­de­ten Natio­nal­staa­ten Ein­zug, doch erst nach den Schre­cken des Zwei­ten Welt­kriegs und sei­nen ent­mensch­li­chen­den Atro­zi­tä­ten, wur­den Men­schen­rech­te zum Fun­da­ment der moder­nen Demo­kra­tie. Die Rech­te der Ein­zel­nen wur­den mit der uni­ver­sel­len Dekla­ra­ti­on der Men­schen­rech­te von 1948 durch die Ver­ein­ten Natio­nen nie­der­ge­schrie­ben und auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne verankert.

Muje­res Cre­an­do, La Vir­gen Bar­bie, 2010. © Cre­dits Muje­res Cre­an­do & Maria Galindo

Waren anfäng­lich nega­ti­ve Frei­hei­ten wie zivi­le und poli­ti­sche Rech­te wich­tig, wur­de in den 60er Jah­ren die zwei­te Gene­ra­ti­on der Men­schen­rech­te gebo­ren: posi­ti­ve Frei­hei­ten in Form von Sozi­al­rech­ten und Wohl­fahrt. In einem drit­ten Schritt kamen kol­lek­ti­ve Rech­te dazu, wie das Recht auf eine gesun­de Umwelt, Frie­den und Nach­hal­tig­keit, sowie kul­tu­rel­le Rech­te wie Nut­zungs­rech­te natür­li­cher Res­sour­cen durch indi­ge­ne Völ­ker­grup­pen oder Frei­hei­ten in Bezug auf sexu­el­le Ori­en­tie­rung und Gen­der-Iden­ti­tät. Die aktu­ell heiß dis­ku­tier­ten Rech­te vier­ter Gene­ra­ti­on set­zen sich hin­ge­gen einer­seits mit dem tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt, mit Daten­schutz-rech­ten, Bio­tes­ta­men­ten und Bio­tech­no­lo­gie aus­ein­an­der, aber ande­rer­seits auch mit Rech­ten, die nicht-mensch­li­che Spe­zi­es vor Aus­beu­tung schüt­zen sol­len. So wer­den Tier­rech­te seit den 80er Jah­ren immer pro­mi­nen­ter, und natür­li­che Enti­tä­ten wie Flüs­se, Glet­scher und Ber­ge wur­den etwa in Indi­en und Kolum­bi­en als lega­le Per­so­nen unter Rechts­schutz gestellt. Die Gewähr­leis­tung von Rech­ten über den Men­schen hin­aus geht auf öko­lo­gisch-holis­ti­sche Denk­an­sät­ze in den Wis­sen­schaf­ten zurück, die mit dem Begriff des Anthro­po­zäns die Stel­lung des Men­schen im Öko­sys­tem neu definieren.

Die­ses Umden­ken, ein Para­dig­men­wech­sel der Welt­an­schau­ung, wird auch in der Kunst auf­ge­grif­fen, ver­bild­licht und greif­bar gemacht. Dar­über hin­aus sind es oft­mals auch Künst­le­rin­nen und Künst­ler selbst, die sich für die kon­kre­te Erwei­te­rung von Rech­ten ein­set­zen. Die Ame­ri­ka­ne­rin Amy Bal­kin defi­niert in ihrem Kunst­pro­jekt bei­spiels­wei­se Luft als einen frei zugäng­li­chen Park für die Öffent­lich­keit, der das Recht hat, durch finan­zi­el­le, recht­li­che und poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten erhal­ten zu wer­den. Ihr Ziel ist die Ein­tra­gung der Erd­at­mo­sphä­re als UNESCO-Welt­erbe und damit auch ihr bes­se­rer Schutz.

DAS POTENTIAL DER SYMBOLISCHEN BEFREIUNG

Men­schen­rech­te ste­hen damit in ste­ti­gem Wan­del und obwohl sie weit­ge­hend auf eine west­li­che Ideen­ge­schich­te zurück­ge­hen, kön­nen sie von allen Indi­vi­du­en jeder Kul­tur ange­eig­net wer­den. Men­schen­rech­te sind aber kei­nes­wegs a‑kulturell, son­dern spie­geln bestimm­te Gesell­schafts­struk­tu­ren und Wer­te wider. Zwar sind sie in der Real­po­li­tik oft lee­re Wort­hül­sen oder stra­te­gisch-tak­ti­sche Druck­mit­tel, den­noch kön­nen Men­schen­rech­te auf­grund ihrer Uni­ver­sa­li­tät als Instru­men­te für die Eman­zi­pa­ti­on ein­zel­ner Grup­pen und Indi­vi­du­en die­nen. Men­schen­rech­te haben da-mit das Poten­zi­al zur Befrei­ung unter­drück­ter Gesell­schafts­schich­ten. Indi­ge­ne Völ­ker zum Bei­spiel mach­ten sich das Men­schen­recht gegen­über west­li­chen Kolo­ni­al­mäch­ten zunut­ze. Dabei spiel(t)en auch künst­le­ri­sche Akti­vis­men eine gro­ße Rol­le. Das Kol­lek­tiv Muje­res Cre­an­do nutzt Kunst bei­spiels­wei­se als Medi­um, um bestehen­de Dog­men in Fra­ge zu stel­len und durch Street­art und Com­mu­ni­ty Work Teil­ha­be am öffent­li­chen Raum ein­zu­for­dern. Das Bei­spiel „La Vir­gen Bar­bie“ ver­deut­licht den Wider­stand indi­ge­ner Frau-en gegen­über sexis­ti­schen, ras­sis­ti­schen und kolo­nia­lis­ti­schen Unter­drü­ckungs­for­men durch Reli­gi­on. Damit wird nicht nur Kri­tik an den vor­herr­schen­den patri­ar­cha­len Struk­tu­ren geübt, son­dern es wer­den auch Deu­tungs­mus­ter ent­wi­ckelt und Mythen neu erzählt. Da Fik­ti­on ein wich­ti­ger Teil an indi­ge­nem Kol­lek­tiv­wis­sen dar­stellt, wer­den somit auch Iden­ti­tä­ten neu ver­han­delt. Wo Kunst den Raum der Fik­ti­on eröff­net, kann ein mäch­ti­ges Werk­zeug ent­ste­hen, um eine Bot­schaft zu über­mit­teln: Sym­bo­le ebnen den Weg für Inter­pre­ta­tio­nen, die Reak­ti­on for­miert sich im Kopf der Betrach­ten-den. Durch die Fähig­keit, Bedeu­tun­gen auf­zu­fä­chern, Emo­tio­nen zu fil­tern und die Gren­zen der Rea­li­tät zu ver­schie­ben, kann Kunst somit sozia­le Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­bun­gen stärken.

MENSCHENRECHTE, MENSCH-SEIN UND KUNST ALS SYSTEMKRITISCHE DISKURSE

Die gesam­te Ent­wick­lung der Men­schen­rech­te ist vom Stre­ben nach Aner­ke-nung der Rech­te gewis­ser Bevöl­ke­rungs­schich­ten geprägt. Die­ses lässt sich am bes­ten mit einer zen­tra­len Fra­ge ver­an­schau­li­chen: Wer ist Mensch? So waren die Rechts­sub­jek­te in Eng­land aus­schließ­lich Lords und Grund­be­sit­zer, im Zuge der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on aus­schließ­lich mün­di­ge Bür­ger, wobei nur mün­dig war, wer auch männ­lich war. Als die Frau­en­recht­le­rin Olym­pe de Gou­ges 1791 ihr Mani­fest Décla­ra­ti­on des droits de la femme et de la citoy­enne ver­öf­fent­lich­te, in dem sie for­der­te, dass Men­schen­rech­te auch den weib­li­chen Bür­ge­rin­nen zuge­schrie­ben wer­den soll­ten, war wohl auch die­ses Enga­ge­ment mit ein Grund für ihre Ver­ur­tei­lung zum Tod durch die Guil­lo­ti­ne. Frau­en gal­ten näm­lich schlicht­weg weder als mün­di­ge Bür­ge­rin­nen noch als voll­wer­ti­ge Men­schen. Die Defi­ni­ti­on von Mensch­sein scheint für das Zuge­ste­hen von Rech­ten also zen­tral und spie­gelt Vor­macht­stel­lun­gen in der gesell­schaft­li­chen Hier­ar­chie wider. Die femi­nis­tisch-post­ko­lo­nia­le Lite­ra­tur zeigt, dass sich die Defi­ni­ti­on von Mensch­sein kul­tur­ge­schicht­lich durch Ratio­na­li­tät und die Fähig­keit, über der Natur zu ste­hen, aus­zeich­ne­te. „Kul­tur“ und „Natur“ wur­den somit zu binä­ren Gegen­po­len, und sozia­le Grup­pen wur­den im Kon­ti­nu­um zwi­schen Ver­nunft (Kul­tur) und Kör­per­lich­keit (Natur) ver­or­tet. Ras­sen­theo­rien und die sozi­al­dar­wi­nis­ti­sche Hier­ar­chi­sie­rung von Indi­vi­du­en anhand von Geschlecht, Eth­nie, Alter und Fähig­kei­ten ver­deut­li­chen die­se Vor­stel­lung von „Mensch-sein“ ver­sus „Tier-sein“ dabei am stärksten.

Bedenkt man, dass in den USA bis in die 70er Jah­re – und in Süd­afri­ka sogar bis 1994 – Ras­sen­tren­nung herrsch­te, und Eth­nie und Haut­far­be den min­de­ren Rechts­schutz von Schwar­zen und Indi­ge­nen bestimm­ten, scheint die Men­schen­rechts­rhe­to­rik der Ver­ein­ten Natio­nen von 1948 ledig­lich schein­hei­lig. Lei­der zeigt die Ermor­dung Geor­ge Floyds und ande­rer schwar­zer US-Ame­ri­ka­ne­rin­nen und Ame­ri­ka­ner durch Poli­zei­ge­walt, dass struk­tu­rel­le Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus in demo­kra­ti­schen Rechts­sys­te­men fort­be­stehen. In die­sem Zusam­men­hang will Xavie­ra Sim­mons mit ihrer Kunst Dis­kur­se zum Aus­druck brin­gen, wel­che die Rech­te von Schwar­zen in den USA the­ma­ti­sie­ren. In „A coun­try built on free labor“, stellt die Künst­le­rin Dis­kur­se zeit­ge­nös­si­scher Akteu­rin­nen und Akteu­re wie der Black Lives Mat­ter-Bewe­gung bekann­ten ame­ri­ka­ni­schen Film­ku­lis­sen gegen­über. Inter­es­siert dar­an, wie Bil­der, Spra­che und Land­schaft Iden­ti­tä­ten kon­stru­ie­ren, wirft ihre Kunst unbe­que­me Fra­gen auf und zeigt, wie sogar schein­bar uni­ver­sel­le Men­schen­rechts­prin­zi­pi­en wie Gleich­heit und Wür­de peo­p­le of color his­to­risch aus­schlos­sen und die Idee wei­ßer Supre­ma­tie tief im kol­lek­ti­ven Bewusst­sein der Men­schen verankern.

POLITISCHE INSTRUMENTE DER PARTIZIPATION

In die­sem Zusam­men­hang stel­len Han­nah Are­ndts Wor­te „das Recht haben, Rech­te zu haben“ expli­zit die Fra­ge nach der Mög­lich­keit, Rechts­sub­jekt zu sein. Denn nur posi­tiv gesetz­tes und ver­bind­li­ches Recht kann Rech­te inner­halb eines Staats­ge­bie­tes oder eines supra­na­tio­na­len Rechts­sys­tems, wie das der EU, kon­kret ver­wirk­li­chen. Dabei ist es die poli­ti­sche Zuge­hö­rig­keit, sprich Staats­bür­ger­schaft, die den Schutz jeg­li­cher Rech­te und damit das Recht, Rech­te zu haben, ermög­licht. Poli­ti­sche Zuge­hö­rig­keit ermög­licht somit die Über­tra­gung der uni­ver­sa­len Men­schen­rechts­prin­zi­pi­en in par­ti­ku­la­re Rech­te und Frei­hei­ten. Poli­ti­sche Zuge­hö­rig­keit ist dabei selbst ein Recht, das nicht allen zugäng­lich ist und ent­we­der durch Blut wei­ter­ver­erbt, vom Staats­ge­biet der Geburt abhängt oder durch lang­jäh­ri­gen Wohn­sitz oder Hei­rat erwor­ben wer-den kann. Zwar ist das Recht auf Emi­gra­ti­on und Flucht in inter­na­tio­na­len Men­schen­rechts­kon­ven­tio­nen ver­an­kert, das Recht auf Immi­gra­ti­on, Auf­nah­me und Zuge­hö­rig­keit jedoch nicht. Auf­grund der Glo­ba­li­sie­rung und der stei­gen­den Inter­na­tio­na­li­sie­rung west­li­cher Gesell­schaf­ten, haben somit fak­tisch nicht alle Men­schen, die in einem demo­kra­ti­schen Staat leben, die­sel­ben Rech­te. Das Prin­zip der Gleich­heit ist damit auf­grund von staat­li­chen Zuge­hö­rig­keits­be­stim­mun­gen beschränkt. Laut der Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin Seila Beha­bib steht die Defi­ni­ti­on einer poli­ti­schen Gemein­schaft aller­dings in ste­ti­ger Ver­än­de­rung durch das öffent­lich-poli­ti­sche Agie­ren von migran­ti­schen Ein­zel­per­so­nen, die Zuge­hö­rig­keit durch ihre Dis­kur­se über uni­ver­sel­le Rech­te neu ver­han­deln. Die­ser dyna­mi­sche und demo­kra­ti­sche Pro­zess wird auch am Wir­ken der Künst­le­rin Tania Bru­guera deut­lich, die eine par­ti­zi­pa­ti­ve poli­ti­sche Bewe­gung initi­ier­te, bei der in loka­len Com­mu­ni­ty-Räu­men Zuge­hö­rig­keit und Sta­tus von Migran­tin­nen auf trans­na­tio­na­ler Ebe­ne ver­han­delt wer­den. Kunst wird damit ein direk­tes poli­ti­sches Instru­ment, das Bestehen­des infra­ge stellt, Eta­blier­tes neu defi­niert, den Mög­lich­keits­ho­ri­zont erwei­tert und Men­schen­rech­te stärkt.

AUTOREN

Rei­he: Wis­sen­schaft an der Kunst­gren­ze, Teil 4 Her­aus­ge­ge­ben von Roland Bene­dik­ter, Cen­ter for Advan­ced Stu­dies von Eurac Research

For­schung (eurac.edu)

Autorin: Lin­da Ghirar­del­lo / Sie ist Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin am Cen­ter for Advan­ced Stu­dies von Eurac Research.
Autorin: Mar­ti­na Genet­ti / Sie ist Kunsthistorikerin.
Bei­de beschäf­ti­gen sich mit Menschenrechten.

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