Interview mit Barbara Steiner, Direktorin Stiftung Bauhaus Dessau
Nach einer weltweiten Ausschreibung der Direktionsstelle für die Stiftung Bauhaus Dessau fiel die Wahl des Stiftungsrats auf Barbara Steiner. Seit 2016 ist die promovierte Kunsthistorikerin Direktorin des Kunsthauses Graz, zuvor lehrte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und war von 2001 bis 2011 Direktorin der Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig. Wir treffen Barbara Steiner zum Gespräch im Bauhaus Dessau, wo sie sich ihrer neuen Position annähert«. Am runden Besprechungstisch im historischen Direktionsbüro spürt man einen sehr proaktiven Geist, eine Persönlichkeit, die für die Inhalte des Bauhauses brennt und ein Gespür dafür mitbringt, dieses »mächtige« Instrument sinnvoll für die Gesellschaft und die kulturelle, soziale und ökologische Entwicklung einzusetzen. In einem anregenden Gespräch unterhalten wir uns über den Anspruch der Bauhaus Bewegung die moderne Gesellschaft mitzugestalten, das Aktivieren der Vergangenheit, den Plural des Gemeinwesens, das Bauhaus als Motor und Inspiration die Welt immer wieder anders zu denken und den unendlichen Spagat zwischen Welterbe, Marke, Mythos und gegenwärtiger Forschung und Lehre.
Sie waren Direktorin im Kunsthaus Graz und hatten eigentlich nicht beabsichtigt, sich zu verändern. Nun sind Sie mit 1. September 2021 Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau. War das Bauhaus ausschlaggebend dafür, sich zu bewerben? Bedeutete dies eine einmalige Chance?
BARBARA STEINER: Ja, es ging ganz klar um diese einzigartige Chance, ich hatte nicht aktiv nach einer neuen Stelle gesucht. Es waren, wie so oft im Leben, auch Zufälle im Spiel. Wenn ich im Januar nicht einer Kollegin begegnet wäre, die Mitglied im wissenschaftlichen Beirat ist, dann hätte ich von dieser Ausschreibung gar nichts gewusst. Mein Vertrag für das Kunsthaus Graz lief ja bis 2026. Das Bauhaus Dessau ist für mich stets ein wichtiger Ort gewesen. Ich hatte bereits als Jugendliche ein Faible für die 1920er Jahre, und abgesehen davon auch während meiner Zeit in Leipzig mitverfolgt, wie das Bauhaus in der Gegenwart steht. Zudem hatte ich mit dem Bauhaus Dessau am »Projekt Schrumpfende Städte«, unter der Leitung von Philipp Oswalt, gearbeitet. Damals war hier im Bauhaus Dessau noch Omar Akbar Direktor, und der Vertreter des Bauhauses im Projekt Walter Prigge. Der disziplinüberschreitende Ansatz ist nach wie vor signifikant für das Bauhaus Dessau und kommt mir sehr entgegen.
Diesen disziplinüberschreitenden Ansatz hatten Sie in Graz auch schon gerne umgesetzt.
BARBARA STEINER: In Graz habe ich auch einen transdisziplinären Ansatz verfolgt, aber ich war häufig mit dem Vorwurf konfrontiert keine Kunstausstellungen zu machen. Diese erwartete man offensichtlich. Aus meiner Sicht waren und sind es auch Kunstausstellungen, aber eben nicht nur. Sie haben den Bereich der Kunst immer wieder hin zu anderen Feldern überschritten und auch erweitert.
Haben Sie bei der Bewerbung hier in Dessau schon damit gerechnet, dass die Wahl auf Sie fällt?
BARBARA STEINER: Ich hatte nicht damit gerechnet und war bei Weitem nicht siegessicher. Als mich Staatsminister Robra dann angerufen hat, wurde mir klar, dass sich mein Leben nun wieder komplett verändern wird. Der ursprüngliche Plan war, dass mein Mann im nächsten Jahr nach Graz zieht, und jetzt ziehen wir nach Dessau.
Ach so – Sie ziehen hierher…
BARBARA STEINER: Ich ziehe immer an die Orte, an denen ich arbeite. Der Ort, an dem sich die Institution befindet, wird Teil meines Alltags. Das weitet den Blick und das Verständnis für den lokalen Kontext der Institution.
Wie bereitet man sich auf so eine Aufgabe vor, wie läuft dieser Einarbeitungsprozess ab?
BARBARA STEINER: Schon in dem Moment, in dem man sich bewirbt, beginnt dieser Prozess. Bereits im Bewerbungsverfahren musste ein Konzept präsentiert werden, musste formuliert werden, welche Ziele und Entwicklungen man anstrebt. Dafür bin ich schon tief in die Materie eingestiegen. Natürlich ist es dann nochmal etwas anderes, wenn man sich der Institution von innen annähert. Ich durchlaufe gerade mehrere Phasen: Zunächst habe ich beobachtet, wie die Abläufe in der Institution sind, woran gearbeitet wird, und vor allem war es mir wichtig zu verstehen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter antreibt. Mich interessiert, wo bereits Potenziale vorhanden sind, und wo ich meine Expertisen einbringen kann. In einer nächsten Phase wird es dann konkreter werden. Dann gilt es an bestimmten Stellen Impulse zu setzen. Generell ist zu sagen: Eine Institution ist keine Einzeldarbietung, in der Stiftung Bauhaus Dessau arbeiten viele Menschen, die sich im Idealfall gegenseitig positiv verstärken und gemeinsam für eine dynamische Weiterentwicklung sorgen. Ich begebe mich in dieses Gefüge, halte meine Ohren und Augen offen und bin neugierig auf das, was auf mich zukommt. Das alles dauert seine Zeit und braucht auch Zeit. Mit jeder neuen Person entstehen Dynamiken, die eine Institution durchaus braucht, um lebendig zu bleiben. Seitdem ich die Zusage erhalten habe, verbringe ich einmal im Monat ein paar Tage hier. Mir war wichtig, so schnell wie möglich hinter die Kulissen blicken zu können. Denn mit dem Stichtag des ersten Septembers wird es turbulenter. Dann werden vor allem die Außentermine zunehmen.
Das eine Bauhaus gibt es nicht. Selbst das historische Bauhaus war plural. Es wurden sehr verschiedene Vorstellungen formuliert, die sich auch aneinander gerieben haben. Das zeichnet das Bauhaus Dessau bis heute aus.
Barbara Steiner
Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger waren Architektur-Theoretiker. Sie haben ein Studium der Kunstgeschichte absolviert und bringen kuratorische und museale Erfahrung mit. Wird Ihr Zugang ein anderer sein?
BARBARA STEINER: Kunstgeschichte im klassischen Sinne habe ich nie betrieben. Ich hatte in der Vergangenheit immer große Affinitäten zur Architektur, zu Raumtheorien, zum Ausstellen und zum Kuratorischen. Jetzt gibt es hier ein neues Museum. Ein Dauerbrenner wird mit Sicherheit die Frage bleiben, wie vermitteln wir Themen aus der Vergangenheit in der Gegenwart? Wie kommunizieren wir das, was wir hier tun, an verschiedene gesellschaftliche Gruppen? Natürlich habe ich einiges Wissen über zeitgenössische bildende Kunst, und sie wird künftig eine wichtige Rolle spielen
Einer der historischen Bauhaus-Gedanken war die Versöhnung von Handwerk und Kunst.
BARBARA STEINER: Ja, am Anfang war dies ein Ziel. So hat man in Weimar begonnen. In Dessau verschob sich das Interesse allerdings mehr in Richtung Zusammenarbeit mit der Industrie.
… dieses hierarchische Denken zwischen bildender und angewandter Kunst ist auch gegenwärtig noch spürbar. Ist es auch Ihr Ansinnen diese, nennen wir es Mal »Versöhnung«, voranzutreiben?
BARBARA STEINER: Eigentlich ist dieses Thema, hier bildende, dort angewandte Kunst erledigt, diese Trennung lässt sich nicht aufrechterhalten. Solche Abgrenzungen halten einer näheren Überprüfung nicht stand, auch wenn sie noch in den Köpfen vieler existieren. Hier am Bauhaus Dessau sind diese Kategorisierungen schon lange vorbei, das ist ein Aspekt, der mich besonders interessiert. Doch Hierarchisierungen gibt es nach wie vor – historisch und zeitgenössisch. Die Kunstgeschichte ist voller Hierarchisierungen. Diese wirken, mehr oder weniger stark ausgeprägt, versteckt oder sichtbar bis heute nach: Tradition und Moder-ne, Kunst und Handwerk, freie und angewandte Kunst, »High Art« und »Low Art«, europäische und außereuropäische Kunst. Zwar wurden genau diese Oppositionen und zugrundeliegenden Definitionen immer wieder erfolgreich herausgefordert und Bewertungsmaßstäbe verändert, doch sind viele dieser Rangordnungen im Alltag, in der institutionellen Praxis und auf dem Kunstmarkt nach wie vor zu finden. Das gilt es zu überwinden.
Die von Ihnen konzipierte und kuratierte Ausstellung Kunst ⇋ Handwerk, zwischen Tradition, Diskurs und Technologien, hat auch schon dazu beigetragen, oder?
BARBARA STEINER: Die Ausstellung war ein Versuch Kategorisierungen zu verlassen. Sie fragte danach wie heute ein fruchtbarer Dialog zwischen Kunst und Handwerk aussehen könnte und rückte beide in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Bedeutung und Wertschätzung des Handwerks als wesentlicher Bestandteil materieller Kultur, kultureller Identität und Gemeinschaft wurde dabei mit sozialen sowie ökonomischen Verhältnissen und Produktionslogiken in einer globalisierten Welt zusammengedacht. Die Ausstellung ließ Grenzziehungen der Vergangenheit hinter sich, vermittelte zwischen moderner/zeitgenössischer Kunst, Handwerk und neuen Technologien, zeichnete Kulturtransfers über nationale Grenzen hinweg nach, erkundete Zwischenbereiche, Übergangszonen und ließ opake Räume zu.
Die Stiftung Bauhaus Dessau agiert ja in sehr unterschiedlichen Bereichen. In der Vergangenheit gab es Jahresthemen, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wird das beibehalten?
BARBARA STEINER: Ja, das nächste Jahr ist der Hygiene gewidmet. Das Prinzip wird fortgesetzt, jedoch nicht zwingend das gesamte Programm einem Thema unterworfen. Ein Jahresthema macht insofern Sinn, weil man aus unterschiedlichen Perspektiven Aspekte vertiefen kann.
Der Anspruch der Bauhaus-Bewegung war es stets die »moderne Gesellschaft« mitzugestalten, gibt es dafür ein aktuelles Beispiel?
BARBARA STEINER: Seit kurzem gibt es die Initiative des »New European Bauhaus«. Das ist eine europäische Initiative, an der sich auch das Land Sachsen-Anhalt beteiligt. Wir sind Partner. Es ist nicht nur ein ökologisches, sondern vor allem ein kulturelles Projekt. Und das macht es für uns relevant. An der Schnittstelle von Kunst, Kultur, sozialer Inklusion, Wissenschaft und Technologie gilt es dabei, Gestaltung ganzheitlich zu denken. Speziell im »Sachsen-Anhalt Projekt« geht es um Strukturwandel, Kohleausstieg, Dekarbonisierung und Emissionsverringerung. Dabei sollen Allianzen über die institutionellen Grenzen hinaus gebildet und auch zivilgesellschaftliche Initiativen miteinbezogen werden. Das Projekt ist mir noch vor meinem Amtsantritt zugefallen, aber ich werde mich selbstverständlich aktiv einbringen.
Weil Sie die Allianzen angesprochen haben: Gibt es auch aktive Kooperationen zwischen der Stiftung Bauhaus Dessau, der Stiftung in Weimar und dem Bauhaus Archiv in Berlin?
BARBARA STEINER: Ja, die sogenannte Bauhaus-Kooperation. Es ist sinnvoll, dass die Bauhaus-Institutionen in Deutschland zusammenarbeiten, aber es gibt auch international wichtige Bauhaus-Akteurinnen und Akteure. Mit diesen gilt es ebenso, eine aktive Verbindung zu leben.
Wird im Museum die eigene Sammlung Schwerpunkt bleiben?
BARBARA STEINER: Dieser Schwerpunkt bleibt. Lange Zeit konnte die Sammlung nicht in dem Umfang gezeigt werden. Größere Wechselausstellungen gibt es im Museum zurzeit nicht, aber ein junges Format: die »Zwischenspie-le«, also kleinere Ausstellungen innerhalb der Sammlungspräsentation, die einen Kontext zum Bestehenden haben. Ich plane darüber hinaus das Erdgeschoss räumlich zu reorganisieren. Ich stelle mir eine Struktur vor, die mit einfachen Handgriffen für unterschiedliche Funktionen adaptierbar ist. Es gibt im Erdgeschoß auch einen Konferenzraum, der nicht allzu oft genutzt wird. Diesen sehe ich als einen geeigneten Raum für größere Wechselausstellungen und damit für internationale Ausstellungskooperationen. Meine diesbezüglichen Vorschläge werde ich demnächst an den Stiftungsrat herantragen.
Es gibt ja sicherlich eine klare Erwartungshaltung vom Stiftungsrat Ihnen gegenüber. Was denken Sie wird aus heutiger Sicht die größte Herausforderung für Sie als Direktorin der Stiftung sein?
BARBARA STEINER: An das Bauhaus Dessau werden sehr viele Erwartungen geknüpft und die Vorstellungen, wofür es inhaltlich stehen soll, sind teilweise sehr widersprüchlich: Welterbe, Marke, Mythos, gleichzeitig sollen die Forschung und Lehre im Hier und Jetzt weitergetrieben und brennende gesellschaftliche Anliegen bearbeitet werden. Das fügt sich nicht automatisch. In dieser Heterogenität sehe ich jedoch auch eine große Chance: Das Bauhaus ist in der Lage unterschiedlichste Menschen und Gruppen zu mobilisieren. Zum einen gilt es diese Anziehungskraft strategisch einzusetzen, zum anderen braucht es Raum für Experimente, die die »Marke« herausfordern dürfen und auch müssen. Zwischen Markenpflege und kritischer Reflexion des Erbes tun sich fast zwangsläufig Reibungen auf. Fakt ist, das Bauhaus ist ein Attraktor, und so gesehen ein mächtiges Instrument um bestimmten Anliegen Gehör zu verschaffen, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Es ist aber auch in der Lage Herzen zu öffnen, auch wenn in den Köpfen ganz unterschiedliche Filme ablaufen mögen.
Und wie werden Sie diese Herausforderungen angehen?
BARBARA STEINER: Wir müssen auf mehreren Ebenen gleichzeitig agieren, Allianzen schmieden, in die Region hineinwirken und unsere globalen Netzwerke stärken. Mich interessiert es aber auch Ausstellungs- und Diskursformate zu entwickeln, die die unterschiedlichen Anforderungen, Interessen und Erwartungen exponieren und zwischen ihnen vermitteln. D.h. es geht dar-um das Erbe Bauhaus lebendig zu halten, ohne es auf (zu) wenige Merkmale zu reduzieren, und an drängende Fragen der Gegenwart anzubinden. Ziel ist es einen öffentlichen Diskurs über die verschiedenen Interessen zu führen. Der Kommunikation kommt in diesen Prozessen eine entscheidende Rolle zu. Doch es ist darüber hinaus essentiell, dass ich hier lebe. Man bekommt mehr Einblick in die Verhältnisse einer Stadt, sieht wie es den Menschen geht, was sie tagtäglich beschäftigt.
In Graz haben Sie diese Erfahrung auch schon gemacht, oder?
BARBARA STEINER: Ja, es war wichtig am Ort zu leben und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Wichtig ist mir jetzt, das Kunsthaus Graz gut zu übergeben. Das ist auch der Grund, weshalb es eine Übergangsphase gibt. Ich werde bis Dezember 2021 wechselnd zwei Wochen in Graz und zwei Wochen in Dessau sein. Das Programm in Graz steht bis Mitte 2023. Meine Nachfolge wird im Februar 2022 entschieden und tritt 2023 die Stelle an. In der Zwischenzeit gibt es eine interimistische Leitung. An sich tun Führungswechsel Institutionen gut, weil damit Bewegung ins Spiel kommt. Aber es braucht auch gewisse Kontinuitäten. In der Stiftung Bauhaus Dessau waren es höchst unterschiedliche Persönlichkeiten, die die Stiftung leiteten, doch trotz aller Unterschiedlichkeiten hat es immer auch eine gewisse Kontinuität gegeben. Auch wenn die letzten Wechsel sehr schnell aufeinander folgten.
Schon vor 100 Jahren stellte sich Gropius die Frage, welche Formen des Gemeinwesens erstrebenswert sind. Das ist mehr denn je eine aktuelle Frage. Was, denken Sie, ist erstrebenswert?
BARBARA STEINER: Die Vorstellungen welche Formen des Gemeinwesens erstrebenswert seien, gehen weit auseinander. Gibt es noch gemeinsame Identifikationen oder nimmt die Abschottung einzelner Gruppen, sprich: nimmt die Blasenbildung zu? Wie kommt man in einen Austausch mit anderen? Die Frage nach dem Gemeinwesen, ich würde gerne das Gemeinwohl ergänzen, wird uns sicherlich begleiten, aber eine Antwort wird sich darauf nicht finden lassen. Die Politik stellt die Rahmenbedingungen her, die Gemeinwesen befördern können. Wir brauchen Räume, in denen man sich begegnen kann. Die größte Gefahr sehe ich darin, dass sich soziale Gruppen zunehmend voneinander abgrenzen. Diese Abschottungstendenzen sind gefährlich und führen zur Segregation. Zum einen nimmt die Lust ab, die eigene Komfortzone zu verlassen, weil man lieber in seiner Community bleibt. Zum anderen steigt die Aggression, wenn jemand eine andere Sicht zum Ausdruck bringt. Wir brauchen diesbezüglich eine neue gesellschaftliche Perspektive. Dies schließt ein, sich auch anderen Vorstellungen und Sichtweisen auszusetzen. Für mich stellt sich die Frage, wie wir als Institution Räume und Möglichkeiten zum Austausch schaffen können. Auch wir müssen diese Auseinandersetzung suchen, in der Region und über die Region hinaus. Es geht letztlich um Brückenschläge. Es geht darum herauszufinden, was wir teilen, wo dieser gemeinsame Raum sein könnte, selbst wenn sich dieser nur temporär herstellen lassen sollte. Der Klimawandel wird uns nötigen miteinander in ein Gespräch einzutreten. Da ist eine echte Chance, auch wenn die Debatten jetzt bereits ein enormes Spaltpotential haben.
Der Leitgedanke der Stiftung Bauhaus Dessau lautet: Das Erbe pflegen, die Gegenwart gestalten. Welche Vision verfolgen Sie innerhalb dieses Gedankens?
BARBARA STEINER: Das eine Bauhaus gibt es nicht. Selbst das historische Bauhaus war plural. Es wurden sehr verschiedene Vorstellungen formuliert, die sich auch aneinander gerieben haben. Somit haben wir es mit einem vielgestaltigen Erbe zu tun. Mir ist sehr wichtig, diese plurale Vergangenheit nicht nur zu pflegen, sondern immer wieder zu aktivieren.
Eines verbindet die sehr heterogenen Ansätze über die Jahrzehnte: Das Bauhaus stimuliert die Imaginationskraft, es motiviert bis heute, die Welt anders zu denken als sie ist. Jenseits des jeweiligen Status Quo. Für mich ist das Bauhaus auch immer ein Ort für zeitgenössische Debatten gewesen. Es muss sich einmischen, im Sinne eines gesellschaftspolitischen Akteurs, auch Politik herausfordern, Menschen und Initiativen einen Raum geben und offen sein für verschiedene Diskurse. Mir ist durchaus bewusst, dass solche Prozesse Zeit brauchen. Ich habe zunächst fünf Jahre. Das ist vielleicht zu wenig. Doch in zehn Jahren kann man wirklich viel erreichen.
Wir sind schon gespannt auf die nächsten Jahre und wünschen Ihnen und Ihrem Team von Herzen eine erfolgreiche Umsetzung Ihrer bemerkenswerten Vision.
Das Interview ist in der stayinart Print-Ausgabe 3.21 erschienen