Die Kunst im rechten Licht

Rei­he: Wis­sen­schaft an der Kunst­gren­ze, Teil 6 
Her­aus­ge­ge­ben von Roland Bene­dik­ter, Cen­ter for Advan­ced Stu­dies von Eurac Research

Kunst und Poli­tik zu tren­nen kann schwer, wenn nicht gar unmög­lich sein. Denn wenn Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­de gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen kom­men­tie­ren, kri­ti­sie­ren oder reflek­tie­ren, ist das nichts Neu­es und gehört zu den wich­tigs­ten Merk­ma­len einer frei­en Gesell­schaft. Gesell­schafts­kri­ti­sche Bewe­gun­gen wie die Beats, die Hip­pies oder die Punks waren bekannt für ori­gi­nel­le und viel­fäl­ti­ge künst­le­ri­sche Pro­duk­tio­nen. Und obwohl die Ent­ste­hung von akti­vis­ti­scher Per­for­mance­kunst eng mit den Pro­test­for­men der libe­ra­len Lin­ken ver­knüpft ist, kann weder Kunst noch Pro­test­kunst einem Links-Rechts-Sche­ma zuge­ord­net wer­den. Indes­sen kön­nen Extre­me bei­der Sei­ten Kunst miss­brau­chen und damit die gesell­schaft­li­che Pola­ri­sie­rung verstärken.

Immer wie­der wird Kunst beschlag-nahmt oder abge­baut, Künstler*innen an-gezeigt und sogar gericht­lich ver­folgt. Be-son­ders auf­fal­lend aber ist der­zeit der Druck aus dem rech­ten und rechts­extre­men Milieu gegen libe­ra­les und welt­of­fe­nes Kunst- und Kul­tur­le­ben sowie Kunst­in­sti­tu­tio­nen. Aktio­nen rech­ter und rechts­extre­mer Akteur*innen rei­chen von Auf­ru­fen zum Boy­kott von Thea­ter­in­sze­nie­run­gen (»Der Haupt­mann von Köpe­nick« im Thea­ter Alten­burg), von Demons­tra­tio­nen bei Eröff­nungs­fei­ern (wie etwa bei der Eröff­nung des Kunst­werks »Monu­ment« des syri­schen Künst­lers Man­af Halbouni auf dem Dresd­ner Neu­markt), von Hass­mails und Mord­dro­hun­gen gegen­über Künstler*innen und Politiker*innen bis hin zu öffent­li­chen Atta­cken auf Kul­tur­ein­rich­tun­gen. Rechts­extre­me Grup­pie­run­gen sind zudem auch selbst aktiv und wol­len sich ver­stärkt im Kunst­mi­lieu bewe­gen bzw. beweisen.

»Skla­ven­markt« des fran­zö­si­schen Malers Jean-Léon Gérô­me, cir­ca 1866. © wiki­me­dia commons

PROTESTKUNST ODER HETZE?

Die Iden­ti­tä­re Bewe­gung in Deutsch­land insze­nier­te eini­ge Aktio­nen, die auf den ers­ten Blick auch als Pro­test­kunst hät­ten durch­ge­hen kön­nen. Wer sich ver­ge­gen­wär­tigt, dass es sich dabei um eine rech­te Grup­pie­rung han­delt, die auch vom Ver­fas­sungs­schutz als rechts­extrem ein­ge­stuft wird, dem wird der Unter­schied zu künst­le­ri­scher Sys­tem­kri­tik recht schnell klar. Kon­kret han­delt es sich um ver­meint­li­che Mahn­ma­le wie etwa eini­ge Beton­klöt­ze, die vor dem Bran­den­bur­ger Tor in Ber­lin depo­niert wur­den und wohl dem Holo­caust-Mahn­mal ähneln sol­len. Sie tru­gen die Auf­schrif­ten »Den Opfern isla­mis­ti­schen Ter­rors«, »Kein Opfer ist ver­ges­sen« und die Städ­te­na­men Paris, Brüs­sel, Man­ches­ter, Ber­lin, Niz­za und Bar­ce­lo­na sowie ein gel­bes Kreuz. Obwohl die Poli­zei sol­chen Aktio­nen meist schnell ein Ende setz­te, ver­schaff­ten die­se Instal­la­tio­nen und ähn­li­che Mahn­ma­le wie etwa für »Opfer aus­län­di­scher Gewalt« der Grup­pie­rung und ihrem Gedan­ken­gut Sicht­bar­keit im öffent­li­chen Raum.

Das EU-Wahl­kampf­pla­kat des AfD-Lan­des­ver­ban­des Ber­lin im Jahr 2019. © IMAGO / Jür­gen Heinrich

Wenn­gleich Künstler*innen und Künstler*innenkollektive mit pro­vo­kan­ten Aktio­nen immer wie­der in Kri­tik gera­ten, kann und muss man zwi­schen Pro­test­kunst, die sich an die Poli­tik oder die Gesell­schaft wen­det, und Het­ze gegen ein­zel­ne Bevöl­ke­rungs­schich­ten unter­schei­den. Die Iden­ti­tä­ren ver­brei­ten in ers­ter Linie Hass und Pro­pa­gan­da gegen bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen, gegen Muslim*innen, Geflüch­te­te oder Ausländer*innen.

RECHTSPOPULISTISCHE »NEUINTERPRETATIONEN«

Auch die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) setzt nicht nur Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­de unter Druck, son­dern hat sich das Schaf­fen frü­he­rer euro­päi­scher Künstler*innen selbst zu Nut­ze gemacht und an die eige­ne poli­ti­sche Agen­da ange­passt. Die als rechts­po­pu­lis­tisch ein­ge­stuf­te Par­tei hat etwa im Rah­men der Euro­pa­wahl 2019 eine Kam­pa­gne mit dem Titel »Aus Euro­pas Geschich­te ler­nen« lan­ciert und dabei bekann­te Wer­ke euro­päi­scher Künstler*innen mit rechts­kon­ser­va­ti­ven Slo­gans ver­se­hen. Unter ande­rem wur­den Gemäl­de von Künst­lern wie Giu­sep­pe Arcim­bol­do, Pie­ter Brue­gel d. Ä. und Jean-Léon Gérô­me mit­hil­fe rechts­po­pu­lis­ti­scher Sprü­che ihrer ursprüng­li­chen Bedeu­tung beraubt. Obwohl die Kri­tik – die von Pie­tät­lo­sig­keit, Het­ze und Panik­ma­che sprach – an der Kam­pa­gne sehr aus­ge­prägt war, ver­buch­te die AfD die gro­ße Auf­merk­sam­keit ihrer Pla­ka­te als Erfolg.

Bei­spiels­wei­se hat die Par­tei das Gemäl­de »Der Skla­ven­markt« vom fran­zö­si­schen His­to­ri­en­ma­ler Jean-Léon Gérô­me mit der Paro­le »Damit aus Euro­pa kein ‚Eura­bi­en‘ wird!« ver­se­hen. Damit wur­de das Gemäl­de nicht nur sei­nem Ent­ste­hungs­kon­text ent­frem­det, son­dern auch zur Befeue­rung islam­feind­li­cher Ver­schwö­rungs­theo­rien instru­men­ta­li­siert. Die Abnei­gung der AfD gegen­über der Grü­nen Par­tei sowie deren Umwelt- und Kli­ma­po­li­tik zei­gen sie mit den Gemäl­den »Win­ter« und »Vier Jah­res­zei­ten in einem Kopf« von Giu­sep­pe Arcim­bol­do, wel­chen sie den neu­en Titel »Lie­ber Die­sel als grü­ne Spin­ne­rei­en« gege­ben haben.
Wären die­se Pla­ka­te in ers­ter Linie über das Inter­net ver­brei­tet wor­den, könn­ten sie als Inter­net­me­me durch-gehen. Bei einem Mem han­delt es sich um einen klei­nen Medi­en­in­halt wie etwa ein Bild, ein Video oder eine kur­ze Aus­sa­ge, wel­cher von Mensch zu Mensch (z. B. Chats, E‑Mail, Foren, sozia­le Medi­en) ver­brei­tet wird. Ein Inter­net­mem kann auf einem rea­len Ereig­nis beru­hen oder von jeman­dem kre­iert wer­den und ver­an­lasst Men­schen ganz grund­sätz­lich zu Nach­ah­mung und Ver­brei­tung. Das Inter­net­mem kann sich in sei­ner Ori­gi­na­li­tät ver­brei­ten, es kann aber auch ver­än­dert werden.

ALT-RIGHT UND DER »GREAT MEME WAR«

Nach­dem der Begriff »Mem« bereits 1976 vom Bio­lo­gen Richard Daw­kins als Bezeich­nung für klei­ne kul­tu­rel­le Ein­hei­ten ent­wi­ckelt wur­de, »die durch Kopie oder Imi­ta­ti­on von Mensch zu Mensch wei­ter­ge­ge­ben wer­den« (Shif­man, 2014), wur­de der Begriff viel dis­ku­tiert, belä­chelt und von vie­len Akademiker*innen abge­lehnt. Mit der Ver­brei­tung von Ein­hei­ten wie Wit­zen, Web­sites, Vide­os oder Bil­dern über das Inter­net rück­ten Meme wie­der in den gesell­schaft­li­chen und aka­de­mi­schen Dis­kurs. Im Buch »The world made meme« erklärt Ryan Mil­ner Meme zu einer neu­en digi­ta­len lin­gua fran­ca, die den öffent­li­chen Dis­kurs beein­flusst. Denn Meme bedie­nen sich oft einer ein­gän­gi­gen und ein­fa­chen Bild­spra­che, die in bestimm­ten Milieus sogar Fak­ten ab-lösen kön­nen. Inter­net­me­me wer­den sogar eine Rol­le im Wahl­sieg Donald Trumps im Jahr 2016 zuge­spro­chen. Dahin­ter stand vor allem die soge­nann­te Alt-Right-Bewe­gung, eine Grup­pie­rung in den USA, wel­che für die Vor­herr­schaft der Wei­ßen (White Supre­ma­cy) kämpft und von ras­sis­ti­schen, islam­feind­li­chen und anti­se­mi­ti­schen Vor­stel­lun­gen geprägt ist. Sie hat 2016 den ers­ten soge­nann­ten »Gre­at Meme War« ausgerufen.

Wäh­rend der ers­ten Wahl­kam­pa­gne Donald Trumps ist es der Alt-Right-Bewe­gung näm­lich gelun­gen, ihre Ideen in die Main­stream-Poli­tik zu inte­grie­ren. In ers­ter Linie haben sie dafür visu­el­le und rhe­to­ri­sche Pro­vo­ka­tio­nen in Form von Inter­net­me­me benutzt. Die rechts­extre­me Grup­pie­rung, die wie­der­um in Sub-Grup­pen ein­ge­teilt wer­den kann, beruft sich inhalt­lich vor allem auf klas­si­sche Feind­bil­der (in die­sem Fall His­pa­nics, Latinx und Muslim*innen) und möch­te pro­vo­zie­ren sowie Angst und Hass gegen­über bestimm­ten gesell­schaft­li­chen Grup­pen schü­ren. Gleich­zei­tig gren­zen sie die eige­ne Gemein­schaft dadurch stär­ker ab und för­dern das Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl inner­halb derselben.

ERST KULT, DANN KU-KLUX-KLAN

Unfrei­wil­lig wur­de etwa Pepe der Frosch Sym­bol der Alt-Right-Meme-Kam­pa­gne, die Donald Trumps Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur unter­stütz­te. Obwohl der Erfin­der von Pepe, Matt Furie, den Frosch als fröh­li­che Amphi­bie in sei­nem Comic »Boy’s Club« erschuf und er sich dann zum Inter­net­star für unter­schied­li­che The­men ver­wan­del­te, wur­de sei­ne Repu­ta­ti­on eines lus­ti­gen Inter­net­mems zer­stört, als er von der Alt-Right-Bewe­gung instru­men­ta­li­siert wur­de. Auf Red­dit, Insta­gram und Face­book wur­den fort­an Meme von Pepe als Adolf Hit­ler, als jüdi­scher oder isla­mis­ti­scher Ter­ro­rist, als Mit­glied des Ku-Klux-Klans oder als Donald Trump ver­brei­tet und erhiel­ten viel Auf­merk­sam­keit. Es ent­brann­ten hit­zi­ge Dis­kus­sio­nen, ob ein­zel­ne Grup­pen ein Inter­net­phä­no­men auf die­se Wei­se für sich rekla­mie­ren dürf­ten und Pepe wur­de dadurch wohl noch berühm­ter. Auch die The­ma­ti­sie­rung des neu­en dif­fa­mier­ten Pepe durch Trumps poli­ti­sche Geg­ne­rin Hila­ry Clin­ton hat zu des­sen wei­te­rer Ver­brei­tung bei­getra­gen. Matt Furie hat Pepe schließ­lich in einem sei­ner Comics zu Gra­be getragen.
Die Alt-Right-Bewe­gung schafft es jedoch nicht nur durch digi­ta­le Reich­wei­te, ras­sis­ti­sche, sexis­ti­sche oder anti­se­mi­ti­sche Mei­nun­gen zu ver­brei­ten. Mit dem Street-Art-Künst­ler Sabo sind sie auch auf den Stra­ßen von Los Ange­les prä­sent. Von ihm stammt ein Pla­kat, wel­ches die Schau­spie­le­rin Meryl Streep zeigt. Über ihrer Augen­par­tie zu lesen: »She knew« (»Sie wuss­te es«). Sabo ori­en­tiert sich in sei­ner gra­fi­schen Spra­che an der Künst­le­rin Bar­ba­ra Kru­ger, bekannt für die roten Bal­ken auf Por­traits. Neben einer Rache­ak­ti­on, die sich an die Schau­spie­le­rin per­sön­lich rich­tet, sol­len Sabos Pla­ka­te impli­zie­ren, dass auch die Frau­en selbst am Miss­brauchs­skan­dal rund um den Film­pro­du­zen­ten Har­vey Wein­stein eine (Mit)schuld tragen.

DIE GLOBALISIERUNG VON FEINDBILDERN

Rechts­extre­me Grup­pen wie die Alt-Right in den USA oder die Iden­ti­tä­ren in Deutsch­land ver­fol­gen kei­nes­wegs das Ziel, eine Gegen­kul­tur zu eta­blie­ren, wie es bei­spiels­wei­se in den 1960er Jah­ren mit der 68er Bewe­gung der Fall war. Im Gegen­teil. Sie wol­len zu ver­al­te­ten und über­hol­ten Gesell­schafts­ver­ständ­nis­sen zurück­keh­ren, die auf einem ras­sis­ti­schen und sexis­ti­schen Rol­len­ver­ständ­nis basie­ren. Die Prä­senz und die Aktio­nen im Kul­tur- und Kunst­mi­lieu so-wie die Kre­ierung und Ver­brei­tung von Memen ver­hel­fen die­sen Grup­pen zu einem rebel­li­schen, trot­zi­gen Image und för­dern dadurch auch die Popu­la­ri­tät sol­cher Bewe­gun­gen. Der ver­meint­li­che Humor und die All­tags­prä­senz von Inter­net­me­men wer­den schließ­lich ganz kon­kret genutzt, um Ras­sis­mus, Sexis­mus und Anti­se­mi­tis­mus zu nor­ma­li­sie­ren. Beson­ders Inter­net­me­me wer­den schnell und ein­fach ver­brei­tet und sind schließ­lich ein glo­ba­les Phä­no­men, wel­ches ganz expli­zit zu einer Glo­ba­li­sie­rung von Feind­bil­dern beiträgt.
Rech­te und rechts­extre­me Akteur*innen ken­nen die Macht der Bil­der und wis­sen sie oft sehr gut zu nut­zen. Aber am Ende sind es beson­ders die Künstler*innen und Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen selbst, die sich aktiv dem Rechts­ruck ent­ge­gen­stel­len und die Krea­ti­vi­tät besit­zen, die Auf­merk­sam­keit der Gesell­schaft und Öffent­lich­keit wie­der auf die gesell­schaft­li­che Mit­te zu len­ken. Auch die Inter­net­com­mu­ni­ty hat bereits bewie­sen, dass Meme, wie etwa jene der #Proud­Boys aus einem rechts­extre­men Kon­text geris­sen wer­den und damit eine Nor­ma­li­sie­rung von rechts­extre­mem Gedan­ken­gut ver­hin­dern können.


Der Arti­kel ist in der Print­aus­ga­be BEYOND BORDERS 3.21 erschienen.

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Sie ist Politikwissenschaftlerin am Center for Advanced Studies von Eurac Research. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Rechtspopulismus, politischer Kommunikation und Diskursen zum Klimawandel.

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