Der Ansatz ist flexibel. Das Ende absolut.

Interview mit Jean-Francois Koenig

1979, noch wäh­rend sei­nes Stu­di­ums, erhielt der Archi­tekt Jean-Fran­cois Koe­nig den drit­ten Preis von den Juro­ren Nor­man Fos­ter, Charles Moo­re und Der­eck Wal­ker im inter­na­tio­na­len Wett­be­werb „An Image for Bri­tain“, der vom Roy­al Insti­tu­te of Bri­tish Archi­tects (RIBA) orga­ni­siert wur­de. Der Wett­be­werb rief zu Ent­wür­fen für das „Hamp­ton Site“ in der Nähe des Tra­fal­gar Squa­re in Lon­don auf. Jean Fran­cois Koe­nig ging „über den Auf­trag hin­aus“ und schlug eine Fuß­gän­ger­ver­bin­dung zwi­schen Lei­ces­ter Squa­re und Tra­fal­gar Squa­re vor. Die Sie­ger­ar­bei­ten waren Gegen­stand einer Aus­stel­lung im Roy­al Insti­tu­te of Bri­tish Archi­tects (RIBA).

In die­ser Zeit stu­dier­te Jean Fran­cois Koe­nig Archi­tek­tur in Lon­don am Tha­mes Poly­tech­nic unter der Lei­tung von Dr. Jac­ques Paul, einem Exper­ten für das Bau­haus. Nach sei­nem Abschluss 1980 arbei­te­te Jean Fran­cois Koe­nig ein Jahr lang auf Mau­ri­ti­us, bevor er nach Johan­nes­burg ging und vier Jah­re für Rho­dar arbei­te­te, dem damals ers­ten und ein­zi­gen mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Büro in Süd­afri­ka. 1985 wur­de er in das Mut­ter­bü­ro Arup Asso­cia­tes in Lon­don ver­setzt, wo er zwei Jah­re lang am Stock­ley Park und der Embank­ment Rail­way Sta­ti­on arbei­te­te. Jean Fran­cois Koe­nig grün­de­te danach sein eige­nes Stu­dio auf Mauritius.

Er hat bis­her ins­ge­samt 256 Pro­jek­te geplant und ent­wor­fen, von denen 88 gebaut wur­den. Sein rei­cher Erfah­rungs­schatz vom Bau­haus bis heu­te, sein aus­ge­spro­chen aus­ge­präg­tes Talent für das Zeich­nen und sei­ne Suche nach Inspi­ra­ti­on aus einer brei­ten Quel­le, waren Aus­lö­ser für eine aus­führ­li­che Unterhaltung.

Wenn man dar­über nach­denkt, ist buch­stäb­lich alles, was wir anfas­sen und was visu­ell und von Men­schen­hand geschaf­fen ist, ent­wor­fen. Von der Bril­le und der Klei­dung, die wir tra­gen, bis hin zu den Autos und Flug­zeu­gen, die wir fah­ren und flie­gen. Alles beginnt beim Design, und Design beginnt beim Zeichnen. 

Wann wuss­ten Sie, dass Sie Archi­tekt wer­den wollen?

Ich habe seit mei­ner Kind­heit immer gern gezeich­net und gemalt. Ich ent­schied mich für die Archi­tek­tur, als ich kurz vor dem Ende mei­ner Sekun­dar­schul­aus­bil­dung auf Mau­ri­ti­us stand, und im Aus­land stu­die­ren woll­te. Ich bekam einen Job bei einem ein­hei­mi­schen Archi­tek­ten, Mau­rice Giraud, wäh­rend ich mich um die Auf­nah­me an der School of Archi­tec­tu­re des Tha­mes Poly­tech­nic in Lon­don bewarb. Ich ging auf eige­ne Faust nach Lon­don. Es war das ers­te Mal, dass ich in das Ver­ei­nig­te König­reich und nach Euro­pa reis­te. Es war damals ein groß­ar­ti­ger Ort zum Stu­die­ren. Der Lei­ter der School of Archi­tec­tu­re war Dr. Jac­ques Paul, ein aner­kann­ter Exper­te für das Bau­haus, und Wal­ter Gro­pi­us. Eini­ge ehe­ma­li­ge Bau­haus-Dozen­ten kamen an die Schu­le, und die Schu­le unter­hielt Aus­tausch­be­zie­hun­gen mit der Syra­cu­se-Uni­ver­si­tät in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. In den sieb­zi­ger Jah­ren wim­mel­te es in Lon­don nur so von jun­gen Archi­tek­ten wie Nor­man Fos­ter, Richard Rogers und Nick Grims­haw, die sich auf der Welt­büh­ne einen Namen mach­ten, und sie began­nen mit dem „High-Tech“-Stil. Die Archi­tec­tu­ral Asso­cia­ti­on School, die „AA“, unter Peter Cook und Archi­gram war eben­falls ein­fluss­reich. Manch­mal ging ich dort­hin, um Gast­vor­trä­ge zu hören. Die Säle waren bre­chend voll. Beson­ders erin­ne­re ich mich an Frei Otto und die Frank Lloyd Wright Foun­da­ti­on. Zaha Hadid, die im glei­chen Alter war wie ich, hat dort stu­diert. Lon­don war damals groß­ar­tig für Architekturstudenten.

Welche Fähig­kei­ten für Ihre Kar­rie­re als Archi­tekt ausschlaggebend?

Zeich­nen von Hand. Wie alles ande­re auch, muss man die gan­ze Zeit üben, um gut dar­in zu wer­den. „Übung macht den Meister“.

Hatten Sie jemals ein Vor­bild, das Ihre Arbeit oder Ihre Arbeits­ge­wohn­hei­ten beein­flusst hat?

Vie­le Archi­tek­ten und Gebäu­de haben mich bewusst oder unbe­wusst beein­flusst. Schön­heit fin­de ich zum Bei­spiel auch in Autos und Stüh­len und ande­ren Gegen­stän­den. Ob sie mich beein­flusst haben oder nicht, ist zu einem bestimm­ten Zeit­punkt für ein bestimm­tes Pro­jekt schwer zu sagen. Was mich inspi­riert, ist, wie Design sei­ne inhä­ren­te Funk­ti­on und Leis­tung in Schön­heit über­setzt. Es ist nicht mög­lich, in einer Ant­wort oder in einer Per­son zusam­men­zu­fas­sen, was in Wirk­lich­keit eine Anhäu­fung von Ein­flüs­sen, per­sön­li­chen Erfah­run­gen und For­schun­gen ist. Ich glau­be, man muss die Ver­gan­gen­heit ken­nen, bevor man die Zukunft erfin­den kann. Alte Gebäu­de sind genau­so wich­tig wie neue, und das gilt auch für städ­ti­sche Räu­me. Ich möch­te nur eini­ge Orte, Gebäu­de und deren Archi­tek­ten in kei­ner bestimm­ten Rei­hen­fol­ge nen­nen, die mir gefal­len und die ich auch bewusst besucht habe: die Alham­bra, die Akro­po­lis, Vene­dig, die goti­schen Kathe­dra­len in Frank­reich, das Sains­bu­ry Cent­re, den Bar­ce­lo­na-Pavil­lon, Fal­ling­wa­ter, das Robie House, die Vil­la Savoie, die tra­di­tio­nel­le japa­ni­sche Archi­tek­tur und ihre Gär­ten, Paris, Flo­renz, Charles Eames, Pier Lui­gi Ner­vi, I. M. Pei, Goef­frey Bawa, Andrea Pal­la­dio, das Werk von Lud­wig Mies Van der Rohe, Frank Lloyd Wright und Le Cor­bu­si­er, wie aus den oben genann­ten Gebäu­den her­vor­geht, Arup Asso­cia­tes, wo ich gear­bei­tet habe usw. Ich neh­me an, dass ich kein ein­zi­ges Vor­bild habe. Ich neh­me an, der Archi­tekt, den ich immer bewun­dert habe und dem ich immer gefolgt bin und auch heu­te noch fol­ge, ist Nor­man Fos­ter. Ich bin stolz dar­auf, dass ich 1979, als ich noch Stu­dent war, einen Preis von ihm gewon­nen habe. Ich lieb­te das Sains­bu­ry Cent­re, das Büro­ge­bäu­de von Wil­lis Faber Dumas in Ips­wich, als ich es nicht lan­ge nach sei­ner Fer­tig­stel­lung in den sieb­zi­ger Jah­ren besuch­te. All die­se oben genann­ten Gebäu­de, Gär­ten und Räu­me haben bei ihrem Anblick in mir ein „wow“ aus­ge­löst. Man muss sie erle­ben. Es sind zu vie­le, um sie alle aufzuzählen.

Können Sie eine Ent­wick­lung in Ihrer Arbeit von den Anfän­gen bis heu­te beschreiben?

Auch wenn die Ästhe­tik unter­schied­lich sein mag, bin ich der Mei­nung, dass der Ansatz von Anfang an in sei­nem wich­tigs­ten Aspekt kon­sis­tent geblie­ben ist, näm­lich der Ent­wurfs­pro­zess. Das heißt, ich nähe­re mich einem neu­en Pro­jekt aus dem glei­chen Blick­win­kel und mit den glei­chen Zuta­ten, mit denen ich kom­po­nie­re: das sind, um das Brie­fing des Kun­den zusam­men­zu­fas­sen, der Ort und der Kon­text. Das Ergeb­nis wird von Pro­jekt zu Pro­jekt vari­ie­ren, je nach­dem, was mög­lich ist, aus tech­no­lo­gi­scher und bud­ge­tä­rer Sicht. Zum Bei­spiel sind die Erwar­tun­gen in Mau­ri­ti­us viel gerin­ger, die Mög­lich­kei­ten gerin­ger, die Tech­no­lo­gie weni­ger leicht ver­füg­bar als zum Bei­spiel in Deutsch­land. Man muss rea­lis­tisch sein bei dem, was mach­bar ist und was nicht. Ich bin bei die­sem Ansatz, bei dem die Funk­ti­on wich­tig ist, kon­se­quent geblie­ben und habe die „Ismen“ von Trends ver­mie­den. Mir gefällt auch die Schön­heit, die in allen Epo­chen zu fin­den ist. Ich bin also recht fle­xi­bel und füh­le mich mit all die­sen Epo­chen und Sti­len recht wohl. Ich den­ke, der Grund dafür ist, dass ich das Zeit­lo­se suche. Von einem Pro­jekt zum nächs­ten war es also kein „linea­rer“ Ent­wick­lungs­pro­zess, wie ihn Archi­tek­tur­kri­ti­ker und His­to­ri­ker oft ger­ne in die Arbeit von jeman­dem hin­ein­le­sen. Ich den­ke, in mei­nem Fall wäre es eher eine Evo­lu­ti­on der Per­son und mit ihr die Rei­fe, die die Arbeit unwei­ger­lich beein­flus­sen wird.

Wie konn­ten Sie Ihren archi­tek­to­ni­schen Ansatz definieren?

Der Ansatz ist fle­xi­bel. Das Ende absolut.

Wie schaf­fen Sie ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Funk­ti­on und Ästhetik?

Funk­ti­on und Ästhe­tik sind in mei­ner Archi­tek­tur­phi­lo­so­phie kein Wider­spruch. Die­je­ni­gen, die sie wider­sprüch­lich machen, fan­gen fast immer mit der Ästhe­tik an und haben dann in der Fol­ge ein Pro­blem damit, sie zum Funk­tio­nie­ren zu brin­gen. Oft sind sie schwach in ihrer Funk­ti­on, weil die müh­sa­me Hin­ter­grund­ar­beit nicht erle­digt wur­de. Sie ver­las­sen sich zu sehr auf Bau- und Umwelt­in­ge­nieu­re. Ich hat­te das Glück, Anfang der acht­zi­ger Jah­re sechs Jah­re lang mit Spit­zen­in­ge­nieu­ren und ‑archi­tek­ten in mul­ti­dis­zi­pli­nä­ren Büros in Johan­nes­burg und Lon­don zusam­men­zu­ar­bei­ten, bevor die mul­ti­dis­zi­pli­nä­re Pra­xis voll­stän­dig in ande­re Büros auf der gan­zen Welt inte­griert wur­de. Dies, zusam­men mit mei­nem eige­nen Inter­es­se, gab mir ein soli­des Fun­da­ment von Funk­ti­on und Tech­nik, und ich bin in der Lage, wäh­rend des Design­pro­zes­ses Funk­ti­on und Ästhe­tik in einem Zug zu ent­wer­fen oder, wenn Sie es so nen­nen wol­len, aus­zu­ba­lan­cie­ren. Ich tren­ne sie nicht von­ein­an­der. Sie gehen Hand in Hand.

Was inspi­riert Sie?

 

Jedes leben­di­ge schö­ne Ding. Jedes schö­ne Kunst­werk. Men­schen. Die­je­ni­gen, die es trotz all ihrer Mühen geschafft haben. In allem gibt es Gutes und Schlech­tes. Sie kön­nen dann fra­gen: Was ist für mich schön? War­um wür­de ich den Mer­ce­des Benz 350 SL Flü­gel­tü­rer von 1952 einem neue­ren SL vor­zie­hen? Es ist das ers­te sei­ner Art. Es sind die Pro­por­tio­nen, die Lini­en­füh­rung, die Leis­tung des Motors, die Kühn­heit der Flü­gel­tü­ren, die tech­no­lo­gi­schen Fähig­kei­ten, sie bei hoher Geschwin­dig­keit was­ser­dicht zu hal­ten und sie bün­dig mit der Schön­heit zu ver­schlie­ßen. Ich kann mir das Blatt die­ses Bau­mes, das ich gera­de betrach­te, anse­hen und es bewun­dern und mich davon inspi­rie­ren las­sen. Wenn Sie in der Archi­tek­tur nicht wis­sen, was schön bedeu­tet, dann schau­en Sie sich die­je­ni­gen an, deren Arbeit gefei­ert wur­de. In der „jüngs­ten“ Ära wäre es die Lis­te an den Wän­den des RIBA oder des AIA oder die Lis­te der Pritz­ker-Preis­trä­ger und so wei­ter. Und dann, gehen Sie in der Zeit zurück, zu den Anfän­gen, zu den Säu­len von Luxor oder dem Pan­the­on. Ich bin stän­dig auf der Suche nach Inspi­ra­ti­on aus einer brei­ten Quel­le und nicht nur aus einer oder weni­gen Quel­len. Bil­dung ist das Wich­tigs­te. Die Leh­rer kön­nen Sie anlei­ten, aber Sie müs­sen ler­nen, selbst­stän­dig zu den­ken. Es gibt jeden Tag etwas zu ler­nen, von dem man sich inspi­rie­ren las­sen kann. Man muss hin­ge­hen und es fin­den. Ich ver­su­che, den Blick eines Kin­des auf die Archi­tek­tur zu len­ken, damit ich wei­ter ler­nen und mich inspi­rie­ren las­sen kann.

Was sind Ihrer Mei­nung nach die ver­bin­den­den Ele­men­te zwi­schen Kunst und Architektur? 

Zwei­fels­oh­ne die Kunst des Zeich­nens. Man darf nicht ver­ges­sen, dass ers­te bedeu­ten­de Kunst­wer­ke im Zusam­men­hang mit Gebäu­den ent­stan­den. Die Hie­ro­gly­phen im Inne­ren der Pyra­mi­den oder die Mar­mor­skulp­tu­ren auf dem Pan­the­on oder die Mosai­ke, die Mus­ter und Sze­nen des täg­li­chen Lebens auf Böden und Wän­den inner­halb und außer­halb römi­scher Gebäu­de dar­stel­len, sind Kunst­wer­ke, die untrenn­bar mit der Archi­tek­tur ver­floch­ten und mit ihr ver­bun­den ist. Dies setz­te sich bis in die Renais­sance fort, wo Fra Ange­li­co, Giot­to und Leo­nar­do da Vin­ci noch Wand­ma­le­rei­en mal­ten. Erst dann began­nen sich die Gemäl­de von der Wand zu lösen, als die Künst­ler began­nen, auf Holz und Lein­wand zu malen. Es ist also rela­tiv gese­hen „noch nicht lan­ge her“, dass sich die Kunst von den Wän­den und von der Archi­tek­tur lös­te. Das Auf­kom­men des Mini­ma­lis­mus ver­stärk­te die­sen Trend in der west­li­chen Kul­tur. Es besteht kein Zwei­fel dar­an, dass die Archi­tek­tur zusam­men mit der Male­rei und der Bild­haue­rei zu den bil­den­den Küns­ten gehört. Die Zeich­nung ist ihr gemein­sa­mer Nenner.

Was den­ken Sie über die Bedeu­tung von Ren­de­rings in der heu­ti­gen Archi­tek­tur? Zeich­nen Sie noch oft oder ist jeder Schritt digital?

 

Das ist sehr wich­tig. Heu­te erwar­ten die Kun­den ein foto­gra­fi­sches Bild ihres Pro­jekts anstel­le einer hand­ge­zeich­ne­ten Per­spek­ti­ve. Unab­hän­gi­ge Stu­di­os, die stän­dig mit neu­er Soft- und Hard­ware nach­rüs­ten, sind auf­ge­blüht. Archi­tek­ten wer­den heu­te mehr und mehr zu Com­pu­ter­ex­per­ten. Wenn es das ein­zi­ge Werk­zeug ist, das sie benut­zen, scha­det es mei­ner Mei­nung nach ihrem Hand­werk. Der Bild­schirm stoppt die Auge-Hand-Koor­di­na­ti­on. Es gibt kei­ne kör­per­li­che Sen­si­bi­li­tät durch einen Bild­schirm. Com­pu­ter haben Ein­schrän­kun­gen und kön­nen mög­li­cher­wei­se die Krea­ti­vi­tät behin­dern. Ich ent­wer­fe immer, indem ich zuerst zeich­ne, und bit­te mein Team, es danach am Com­pu­ter wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Ich bin nicht der Ein­zi­ge, der so arbei­tet, und ich glau­be nicht, dass die Kunst des Zeich­nens je aus dem Design­pro­zess ver­schwin­den wird.

Wie kön­nen wir uns die Bezie­hung zwi­schen Auf­trag­ge­ber und Archi­tekt vor­stel­len? Inwie­weit las­sen Sie den Bau­herrn an der Ent­schei­dungs­fin­dung teil­ha­ben und wo gibt es kla­re Grenzen?

Die Ein­be­zie­hung des Kun­den zu Beginn des Man­dats ist ent­schei­dend. An die­sem Punkt, bevor alles beginnt, müs­sen Bau­herr und Archi­tekt ein­an­der voll­stän­dig ver­ste­hen. Sobald der Ent­wurfs­pro­zess beginnt, ist eher die Unter­stüt­zung des Bau­herrn wich­tig und nicht so sehr die Inter­ven­ti­on. Der Bau­herr soll­te Ver­trau­en in sei­nen Archi­tek­ten haben. Ihn bele­ben und ihm die Mit­tel geben, um das zu Beginn fest­ge­leg­te gemein­sa­me Ziel zu errei­chen. Ein Ent­wurf durch ein Komi­tee außer­halb des Stu­di­os war noch nie der bes­te Weg. Es kann nur einen „Diri­gen­ten des Orches­ters“ geben. Ent­wer­fen ist kein demo­kra­ti­scher Pro­zess mit sei­nem Auf­trag­ge­ber außer­halb des Büros. Wenn der Kun­de das denkt und beginnt, in den Ent­wurf ein­zu­grei­fen, lei­det sehr oft und aus­nahms­los das Projekt.

Welche Bücher haben Sie auf Ihrem Nachttisch?

In der Ver­gan­gen­heit hat­te ich immer Bücher über Archi­tek­ten und Archi­tek­tur auf mei­nem Nacht­tisch. Ich habe eine gute Samm­lung in mei­ner Biblio­thek. Heut­zu­ta­ge lese oder schaue ich mir Vor­trä­ge und Vide­os über Archi­tek­tur von mei­nem Smart­phone aus an. Aber ich mache das nicht vom Bett aus. Blau­es Licht ist nicht för­der­lich für einen guten Schlaf. Aber es geht nichts über ein Buch. Ich bin ein visu­el­ler Mensch. Des­halb mag ich Bücher über Archi­tek­tur und Male­rei mit erst­klas­si­gen Foto­gra­fien und hoch­wer­ti­gen Repro­duk­tio­nen und Dru­cken. Die­sen Pro­zess habe ich mit teNeu­es im Jahr 2017 durch­lau­fen, als wir eine Mono­gra­fie mei­ner Arbeit erstellt haben.

Glau­ben Sie, dass es einen zuneh­mend „glo­ba­li­sier­ten Ansatz“ in der Archi­tek­tur gibt, und glau­ben Sie, dass die aktu­el­le Situa­ti­on die Dyna­mik im Bereich der Archi­tek­tur ver­än­dern wird?

Es gibt defi­ni­tiv einen glo­ba­li­sier­te­ren Ansatz für die Archi­tek­tur, ein­fach weil die Kom­mu­ni­ka­ti­on glo­bal ist. Mit dem Inter­net auf einem trag­ba­ren Tele­fon ist es ein­fa­cher, heu­te mehr Archi­tek­tur zu sehen als je zuvor. Das ist eine gute Sache. Gleich­zei­tig stel­le ich aber auch fest, dass der Indi­vi­dua­lis­mus abge­nom­men zu haben scheint. Ich glau­be, es gibt heu­te weni­ger ori­gi­nel­le Den­ker und Desi­gner, da sie sich bewusst oder unbe­wusst gegen­sei­tig beein­flus­sen. Die meis­ten fol­gen. Weni­ge füh­ren. Noch weni­ger erfin­den. Die­je­ni­gen, die – oft zu sehr – ver­su­chen, sich abzu­he­ben, „ori­gi­nell“ zu sein, ent­fer­nen sich mei­ner Ansicht nach von der Archi­tek­tur. Das Betrach­ten von Archi­tek­tur aus dem Inter­net wird sich in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on noch stär­ker fort­set­zen. Ich wür­de ger­ne glau­ben, dass sich Talen­te durch­set­zen wer­den und dass die gefrag­ten Talen­te wei­ter­hin welt­weit gefragt sein wer­den und der glo­ba­le Aus­tausch von Ideen, Archi­tek­ten und Archi­tek­tur wei­ter­ge­hen wird.

Welches Pro­jekt hat Ihnen bis­her die größ­te Zufrie­den­heit bereitet?

Es ist schwie­rig, die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, weil eini­ge mei­ner bes­ten Gebäu­de, die ich für mei­ne bes­ten hal­te, ent­we­der von den Eigen­tü­mern ver­dor­ben oder schlecht instand gehal­ten oder ver­än­dert oder abge­ris­sen wor­den sind. Es ist herz­zer­rei­ßend. Ich zie­he es vor zu glau­ben, dass das, was mir am meis­ten Befrie­di­gung ver­schafft, das nächs­te ist, dass mei­ne bes­te Arbeit vor mir liegt.

Welchen Rat wür­den Sie jun­gen Archi­tek­ten geben?

Zeich­nen Sie frei­hän­dig und auch maß­stabs­ge­treu von Hand. Schau­en Sie. Beob­ach­ten Sie. Ent­wi­ckeln Sie Ihre visu­el­len Sin­ne. Rei­sen Sie so viel wie mög­lich und besu­chen Sie die gro­ßen Bau­wer­ke aller Epo­chen, aller Kul­tu­ren. Gehen Sie in sie hin­ein und um sie her­um. Stu­die­ren Sie sie in Grund­riss, Schnitt und Auf­riss in 2‑D maß­stabs­ge­treu, indem Sie sie von Hand zeich­nen, denn Pro­por­tio­nen und Maß­stab sind sehr wich­tig. Ken­nen Sie die Geschich­te der Archi­tek­tur. Model­lie­ren Sie Ihre Ent­wür­fe so weit wie mög­lich. Arbei­ten Sie hart.

Gibt es ein Gebäu­de, das Sie im Lau­fe Ihrer Kar­rie­re noch nicht pla­nen durf­ten, aber ger­ne ein­mal machen würden?

Kein Ent­wurf hat die Bau­ge­neh­mi­gung nicht bestan­den oder wur­de abge­lehnt, aber ich hat­te vie­le Ent­täu­schun­gen für die vie­len, die nicht vor­an­ge­kom­men sind. Ja, ich habe den Traum, ein beson­de­res Gebäu­de zu bau­en: ein Muse­um für visu­el­le Küns­te, in dem alle Län­der der Welt ver­tre­ten sind. Ein wahr­haft inter­na­tio­na­les Muse­um mit Sitz auf Mau­ri­ti­us. Wenn man dar­über nach­denkt, ist buch­stäb­lich alles, was wir anfas­sen und was visu­ell und von Men­schen­hand geschaf­fen ist, ent­wor­fen. Von der Bril­le und der Klei­dung, die wir tra­gen, bis hin zu den Autos und Flug­zeu­gen, die wir fah­ren und flie­gen. Alles beginnt beim Design, und Design beginnt beim Zeich­nen. Sie alle wur­den in einer Pha­se der Kon­zep­ti­on gezeich­net. Die­ses Gebäu­de, das ich bereits ent­wor­fen habe, wäre für die Bil­dung von Kin­dern bestimmt. Es soll sie zum Zeich­nen inspi­rie­ren und könn­te sie in die viel­fäl­ti­gen Berei­che des Designs füh­ren, die ich oben erwähnt habe. Es wird auch eine Art „Ver­ein­te Natio­nen der Küns­te“ sein, um die inter­na­tio­na­le Diplo­ma­tie und den Frie­den zu fördern.

Erlau­ben Sie uns noch eine letz­te Fra­ge: Haben Sie ein Lebens­mot­to oder einen Leit­satz, der Sie begleitet?

Inte­gri­tät.

Ein Architekturbuch für alle.

Ein Blick hin­ter die Kulis­sen mit einem der füh­ren­den Archi­tek­ten. Reich illus­triert mit einem brei­ten Spek­trum an Archi­tek­tur­fo­to­gra­fien, Zeich­nun­gen und Skizzen.

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