Ein „Imagineer“ aus „Image-Nation“

Peter Gric

Wer Peter Grics Arbei­ten zum ers­ten Mal betrach­tet, wird fas­zi­niert sein von den rea­lis­ti­schen Details – ganz gleich, ob es sich um eine Dar­stel­lung des weib­li­chen Kör­pers als bio­tech­no­lo­gi­sche Sym­bio­se von erre­gen­dem Fleisch und Metall und damit ver­ka­bel­ten Kyper­ne­tik- oder Robo­ter­ele­men­ten han­delt, oder um eine sei­ner fan­tas­ti­schen Land­schaf­ten mit Monu­men­ta­len, der Schwer­kraft trot­zen­den Struk­tu­ren: Ihre Wir­kung ist unbestreitbar.

Peters Arbeit pro­vo­ziert den Betrach­ter und wirft eine Rei­he von Fra­gen auf:  Tech­no­lo­gie und der mensch­li­che Kör­per, beson­ders, wenn Sinn­lich­keit und Bio­tech­no­lo­gie sich über­schnei­den; archi­tek­to­ni­sche For­men als mehr­di­men­sio­na­le Räu­me, die den Geset­zen der Schwer­kraft fol­gen oder sie miss­ach­ten und ins Reich der String­theo­rie ein­zu­tau­chen schei­nen; uralte oder futu­ris­ti­sche Orte und Land­schaf­ten, mal unbe­wohnt, mal mit intel­li­gen­ten Wesen unbe­kann­ten Ursprungs. Gric ist ein Fan­tast, ein Ima­gi­neer, und gehört wie alle Ima­gi­neers zur „Image-nati­on“, einem gren­zen­lo­sen Ort der furcht­lo­sen Ent­de­ckung. Ima­gi­neers blü­hen im Geheim­nis­vol­len auf.

Peter Gric

Es ist schwer zu erklä­ren, was ich male oder war­um, und ehr­lich  gesagt sehe ich kei­nen Grund, mein Werk zu ana­ly­sie­ren oder zu recht­fer­ti­gen. Ich mag jeden­falls Rät­sel– solan­ge sie nicht gelöst wer­den, schei­nen sie so unermesslich. 

Grics Bil­der fan­gen monu­men­ta­len Raum und Schwei­gen ein. Manch­mal wird die Ruhe von abge­stor­be­nen Pflan­zen oder halb­to­ten Bäu­men neben Pla­kat­wän­den oder Schil­dern durch­bro­chen – Res­te und Spu­ren einer Mensch­heit, die einst von pul­sie­ren­der Sexua­li­tät und dem Rhyth­mus des Groß­stadt­le­bens durch­setzt war. Gric befin­det sich auf einer geheim­nis­vol­len Rei­se, ange­trie­ben von uner­sätt­li­cher Neu­gier­de und meis­ter­haf­ten Fähig­kei­ten. Er selbst sagt dazu: „Die Lein­wand oder die Tafel ist für mich ein Behelf, eine Art Raum­schiff, mit dem ich unbe­kann­te Orte und Wel­ten erfor­sche. Wenn der Start­punkt mei­ner Rei­sen in einer erklär­ba­ren und beschreib­ba­ren Welt liegt, ver­su­che ich, aus deren Orbit aus­zu­bre­chen. Die Anzie­hungs­kraft der Spra­che zieht mich jedoch zurück, wes­halb ich kei­ne Fra­gen mit auf die Rei­se neh­me und kei­ne Ant­wor­ten erwar­te. Ich sehe mei­ne Bil­der als Ein­bli­cke in alter­na­ti­ve Wirk­lich­kei­ten oder Bewusst­seins­zu­stän­de, die mei­ne eige­ne Ver­wir­rung ob unse­rer Exis­tenz widerspiegeln.“

Sei­ne Quan­ten­ar­chi­tek­tur lässt so vie­le Mög­lich­kei­ten ver­mu­ten. Eine tech­no­lo­gie­schwan­ge­re Stadt der Zukunft unter einem tota­li­tä­ren Regime, ein exzen­tri­sches und über­in­dus­tria­li­sier­tes Über­bleib­sel der Gesell­schaft mit schein­bar nicht enden wol­len­den Roh­ren und Schläu­chen, die uns erah­nen las­sen, dass die Mensch­heit von der Tech­no­lo­gie ver­drängt wur­de. Bei der Inter­pre­ta­ti­on ist der Betrach­ter, wie immer, sich selbst über­las­sen. Eben das macht sei­ne Arbei­ten so stark. Sie sind weder Erzäh­lun­gen, noch pedan­tisch, illus­tra­tiv oder dog­ma­tisch, son­dern ver­mit­teln vor allem eine nahe­zu reli­giö­se Stil­le abseits von Reli­gio­nen und Dog­men: silen­cio religioso.

Auf der Rei­se von einem Ende von Grics son­der­ba­rem Eden zum ande­ren dür­fen wir der Geburt etwas wahr­lich Beson­de­ren bei­woh­nen: Die Figur taucht erst­mals in den spä­ten 1980er Jah­ren in sei­nen Wer­ken auf, gleich einer Eva unter dem Baum der Erkennt­nis in einem ver­las­se­nen Para­dies, erschre­ckend und ver­stö­rend für die einen, unwi­der­steh­lich, sinn­lich und gar ero­tisch für die ande­ren. Peter Grics Expe­ri­men­te mit dem mensch­li­chen Kör­per, beson­ders mit dem weib­li­chen, sind eine auf­re­gen­de Ent­wick­lung. Er ver­webt Frau­en­fi­gu­ren mit künst­li­chen, anor­ga­ni­schen, metal­li­schen, viel­leicht sogar kyber­ne­ti­schen, robo­ti­schen oder andro­iden­ar­ti­gen Ele­men­ten und Tei­len und erschafft mini­mal natür­li­che, künst­lich ver­än­der­te Figu­ren. Dies mag auf manch einen Betrach­ter absto­ßend wir­ken, weist jedoch klar dar­auf hin, dass Gric einen Weg sucht, die Schön­heit, Sinn­lich­keit und Ero­tik des weib­li­chen Kör­pers auf uner­war­te­ten Wegen aus­zu­drü­cken und wahrzunehmen.

Gric ver­bin­det Fleisch und Mecha­nik zu einem Hybri­den, der sei­ne Gr enzen stän­dig neu formt, und damit auch die unse­ren. Die Gesell­schaft ist geteilt, was ihre Ansich­ten zur Zukunft­von Robo­tern, Implan­ta­ten und künst­li­cher Intel­li­genz betrifft. Die Idee, eine Frau (oder einen Mann) mit einer Maschi­ne, Implan­ta­ten oder Bio­tech­no­lo­gie zu verbinden,ist für vie­le Men­schen noch heu­te zu erschre­ckend, als dass sie sie in Betracht zie­hen wür­den. Tech­no­lo­gie und künst­li­che Sys­te­me ent­wi­ckeln sich aller­dings immer wei­ter in Rich­tung einer Ver­bin­dungs- und Schnitt­stel­le zwi­schen Mensch und Maschi­ne. Bei Peter Grics neu­er Eva wirkt die Schnitt­stel­le har­mo­nisch – so sehr, dass mensch­li­che Sexua­li­tät sie durch­dringt wie war­mes Schmier­öl metal­li­sche Gelen­ke. Die Wesen sind sinn­lich, sogar begeh­rens­wert. Man spürt ein unde­fi­nier­ba­res Ver­hält­nis, das Ent­frem­dung, Herr­schaft oder gar eine selt­sa­me Art der Koope­ra­ti­on sein könnte.

Ob beab­sich­tigt oder unbe­ab­sich­tigt, der Künst­ler regt die pri­va­te Aus­ein­an­der­set­zung mit Tech­no­lo­gie und der zuneh­men­den Ver­mi­schung von Geist, Kör­per und Maschi­ne an. Noch vor der nächs­ten Jahr­hun­dert­wen­de könn­ten wir erle­ben, dass die tech­no­lo­gie­schaf­fen­de Spe­zi­es der Erde – der Mensch – nicht nur Peters Gemäl­de imi­tie­ren, son­dern auch mit der eige­nen Tech­no­lo­gie ver­schmel­zen wird. Wenn das geschieht, fra­gen wir uns mög­li­cher­wei­se: Was ist der Unter­schied zwi­schen einem mensch­li­chen Gehirn, das dank Neu­ro­im­plan­ta­ten mil­lio­nen­fach ver­stärkt wird, und nicht­bio­lo­gi­scher Intel­li­genz, die dem mensch­li­chen Gehirn nach­emp­fun­den und ver­bes­sert bzw. erwei­tert wur­de? Mit der extre­men Ver­schmel­zung von Mensch und Maschi­ne wird zusam­men mit der Kyber­ne­tik ein neu­es Dia­log­feld im Bereich der visu­el­len Kunst und des Designs ein­her­ge­hen, und Peter Gric könn­te sich uner­war­tet als des­sen Vor­rei­ter entpuppen.

Abschlie­ßend kann man sagen: Peter ist ein Künst­ler, der mit der Unge­wiss­heit im Reich der unbe­ant­wor­te­ten Fra­gen leben und sei­ne inne­ren Erfah­run­gen zum Aus­druck brin­gen kann. Er hat gelernt, unbe­ant­wor­te­te Fra­gen zu akzep­tie­ren, als wären sie in Schatz­kis­ten oder ver­schlos­se­nen Räu­men eines krea­ti­ven Palas­tes in sei­nem Inne­ren weg­ge­sperrt. Und­ob­wohl er selbst sagen wür­de, er lege kei­nen beson­de­ren Wert auf Ant­wor­ten, ist ihm wahr­schein­lich irgend­wo bewusst, dass er eines Tages so auto­ma­tisch und unbe­wusst wie beim Atmen gera­de die­se Ant­wor­ten leben wird. Ich glau­be, eine sei­ner wert­volls­ten Offen­ba­run­gen ist es, dass wir all unse­re Fra­gen offen, mutig, krea­tiv und mit Hin­ga­be leben sol­len. (www.gric.at)

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Prof Phil is an esteemed artist, author and educator. Despite his over-educated background (5 academic degrees), the professor says he learned absolutely nothing about painting at any university. In 1973, Philip left the USA to study painting in Vienna, Austria under his mentor, Ernst Fuchs, co-founder of the Vienna School of Fantastic Realism. In 1997 Ernst Fuchs requested that Prof. Phil formally carry on his teachings in Mischtechnik and he has been holding his renowned international painting seminars ever since. In 2012, his partner, Mantra Cora, joined him in organizing and teaching in the seminars. Rubinov's travels have been extensive, including India, where he studied meditation, Eastern philosophy and wandered naked with a band of sadhus in 1978. In 1995, the professor founded and directed the School of Extended Studies at Naropa University in Boulder, Colorado where he served as the Dean from 1991-1997. The artist has participated in more than 100 exhibitions and his writings have been read worldwide. He is the author of DRINKING LIGHTNING - Art, Creativity, and Transformation from Shambhala and Marja Publications and PROMETHEAN FLAMES- Rekindling and Re-visioning the Creative Fire, from Betty & Books, Bologna, Italy. He currently resides in Arizona with his wife Mantra Cora and daughter, Liya.

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