KÜNSTLER ARBEITEN NIE. UND IMMER. DAS UNTERSCHEIDET SIE VON FAST ALLEN ANDEREN BERUFSGRUPPEN UND FÜHRT ZU EINER VERSCHMELZUNG VON PERSON UND BERUF. WAS DABEI HERAUS KOMMT, IST DIE KÜNSTLERPERSÖNLICHKEIT. DER BEGRIFF IMPLIZIERT NEBEN PSYCHOLOGISCHEN ASPEKTEN, DIE VERMUTLICH WAS MIT NARZISSMUS ZU TUN HABEN, IRGENDWIE, DASS ALLES, WAS MAN ALS KÜNSTLERIN MACHT, KUNST IST – ODER ZUMINDEST SEIN SOLLTE. WAS FÜR EIN ANSPRUCH! – ANDERERSEITS: DAS KÖNNTE INTERESSANT WERDEN.
Das Leben als Performance bietet Gestaltungsspielraum und der beginnt schon am frühen Morgen mit der Überlegung: Nackt oder Nichtnackt – das ist hier die Frage! Da kommt man ins Grübeln und schon ist man mit sich selbst im kunstphilosophischen Diskurs. Entscheidet man sich für Kleidung darf sich dem Künstler keinesfalls der Gedanke der Zweckmäßigkeit in den Weg stellen, denn dann wird´s keine Kunst, sondern bestenfalls Design. L´art pour L´art heißt es und da ist es völlig wurscht, ob es regnet, friert oder Atmen leider nicht möglich ist. Der Rahmen muss allerdings passen, da ist es wie in der Malerei. Ebenso viel Beachtung sollte dem vorhandenen Material geschenkt werden, und damit ist nicht der Inhalt des Kleiderschranks gemeint. Der Körper selbst als skulpturales Grundelement ist richtungsweisend.
Eine Beuys-inspirierte Fettecke auf die wogenden Hüften geschmiert, ein Brustpanzer aus Kleiderbügeln vor die mageren Rippen montiert oder ein, zwei Krähennester ins üppige Haar geflochten und schon nähern wir uns dem Gesamtkunstwerk. Kunst kann man eben nicht bei H&M kaufen. Bei guten Mode-Designern aber schon. Haute Couture hatte noch nie wirklich den Fokus auf Tragbarkeit und war so gesehen schon immer eine Schwester der Kunst. Oder wenigstens eine Cousine. Wie man hört, schmeißt sie sich aber gerade heftig an die Künstler ran, um durch Eheschließung in der Hierarchie der Sippschaft aufzusteigen. Immer mehr Edel-Designer flirten mit dem Hochadel der Kunst, in Flagship-Läden großer Labels werden Galerien integriert und so manches Kunstwerk landet auf den Stoffen der Maestros der Mode.
Und die Kunst ist sich dafür nicht zu schade. Sie ist schon lange von ihrem langweiligen Elfenbeinturm herabgestiegen und hat sich ins glitzernde Lichtermeer geworfen. Die exzentrische Selbstinszenierung lag ihr halt schon immer. Ebenso wie den Künstlern selbst. Für die liegt aber vor der Schau die Schöpfung, was bisweilen etwas anstrengend sein kann, denn da ist ja der Innovationszwang…
Erleichternd wirkt hier die Tatsache, dass jeder Mensch von Natur aus ein Unikat ist. Daraus mit Kreativität ein Kunstwerk zu machen, ist also weniger anspruchsvoll, als auf ein 50 x 70 – Format wirklich neue Kunst zu bringen. Wir könnten also, wann immer wir wollen, zu einem Gesamtkunstwerk werden; alles eine Frage des Bewusstseins, des kreativen Potentials und der Lust an der Kunst. Und die tritt durch nichts so intensiv in Kontakt mit ihren Betrachtern, wie durch den Künstler und seine Gestalt(ung) selbst. Es braucht keine Galerien, Museen oder Kunsthallen, weder Galeristen, noch Sammler. Menschen begegnen der Kunst überall dort, wo die Künstlerin sich bewegt. Ganz unvorbereitet und ohne den Nimbus des Elitären.
Der Künstler selbst hat, indem er sich zum Kunstwerk macht, eine gigantische Projektionsfläche. Fashionkünstler wie Vivian Westwood und John Galliano haben es verstanden, diese Fläche meisterhaft zu bespielen. Sie haben sich nicht auf die Gestaltung der Mode und Models beschränkt, sondern betrachten sich auch selbst als personifizierte Kunst. Sie sollten überall Musenküsse verteilen! Wer weiß: Vielleicht gehen aus der Liaison von Mode und Kunst noch viele, farbenfrohe und spielfreudige Kinder hervor. – Wäre der Welt zu wünschen.