Ölstudien bei Rubens und Van Dyck

Die Gegen­über­stel­lung von zwie in Ölfar­ben gefer­tig­ten Gemäl­de­ent­wür­fen mit den aus­ge­führ­ten gross­for­ma­ti­gen Gemäl­den gewährt uns einen Ein­blick in die schöp­fe­ri­sche Vor­stel­lungs­kraft der Künst­ler und erlaubt uns der Ent­wick­lung ihrer Ideen zu folgen.

Peter Paul Rubens (1577−1640) hat uns zahl­rei­che Ent­wür­fe in Öl hin­ter­las­sen. Man­che sind Skiz­zen in flüch­ti­ger Mal­wei­se, ande­re sind kom­po­si­to­risch und farb­lich fer­ti­ge Vor­la­gen, als „model­lo“ bezeich­net, wel­che auch den Auf­trag­ge­bern vor­ge­legt wer­den konn­ten und nach denen dann die groß­for­ma­ti­gen Gemäl­de geschaf­fen wur­den. Zu man­chen Gemäl­den haben sich sogar meh­re­re sol­cher Ent­wür­fe erhal­ten. Sei es, dass Rubens die Kom­po­si­ti­on änder­te, sei es, dass ein Auf­trag­ge­ber Ände­rungs­wün­sche äußer­te: Bis zum fer­ti­gen Bild konn­ten so meh­re­re Ent­wür­fe ent­ste­hen. Dank gro­ßer Nach­fra­ge waren sol­che Ent­wür­fe auch gut ver­käuf­lich und gelang­ten in pri­va­te Sammlungen.

Am 9. Novem­ber 1616 schloss Rubens mit den Tep­pich­we­bern Jan Raes, Frans Sweers und dem ita­lie­ni­schen Händ­ler Fran­co Cat­ta­neo einen Ver­trag zur Lie­fe­rung von Vor­la­gen für Tapis­se­rien zu einem Zyklus aus dem Leben des römi­schen Kon­suls Deci­us Mus, wie von Titus Livy in sei­ner Geschich­te Roms beschrie­ben. Rubens fer­tig­te die Ent­wür­fe in Öl, an deren Über­tra­gung auf die gro­ßen For­ma­te der Gemäl­de auch sein Meis­ter­schü­ler Antho­nis van Dyck betei­ligt war. Anschlie­ßend wur­den von den Gemäl­den die Vor­la­gen, auch „car­ton“ genannt, sei­ten­ver­kehrt für die Weber gefer­tigt. In den fol­gen­den Jah­ren wur­den in meh­re­ren Webe­rei­en Tapis­se­rien des Deci­us-Mus-Zyklus hergestellt.

Am Bei­spiel des hier vor­ge­stell­ten Gemäl­des und des Gobe­lins mit der Dar­stel­lung der Wei­he des römi­schen Kon­suls Deci­us Mus durch den Hohen Pries­ter Mar­cus Vale­ri­us für den Opfer­tod in der Schlacht, lässt sich die Adap­ti­on gut ver­glei­chen. Glück­li­cher­wei­se wur­de in den 1970er Jah­ren in Dub­lin ein klein­for­ma­ti­ges Model­lo zu die­sem Gemäl­de ent­deckt, auf Holz gemalt und nur 21,2 x 61,3 cm groß. Die­ses Model­lo zeigt eini­ge Abwei­chun­gen gegen­über dem fer­ti­gen Gemäl­de. Am auf­fal­lends­ten ist der Abstand der rech­ten Grup­pe der Beglei­ter mit dem Kampf­ross des Deci­us Mus zur Hand­lung der Wei­he durch den Pries­ter. Deci­us Mus, in eine rote Toga gehüllt, neigt sei­nen Ober­kör­per in Demut vor dem Pries­ter und emp­fängt den letz­ten Segen vor der Schlacht, in der er ster­ben wird. Durch den Abstand der bei­den Grup­pen erhält die Todes­wei­he im Model­lo eine grö­ße­re Bedeu­tung. Wei­te­re Abwei­chun­gen im Model­lo sind beim Pries­ter zu sehen, der im Gemäl­de von einer wei­te­ren Per­son beglei­tet ist, sowie bei der Grup­pe der Beglei­ter des Kon­suls. Im Model­lo sind nur der Pfer­de­füh­rer und der Lik­t­or dar­ge­stellt, ein Amts­die­ner, der dem Kon­sul das Fas­ces­bün­del, Sym­bol der Macht, nach­trägt. Im gro­ßen Gemäl­de ist dort noch ein wei­te­rer Sol­dat zu sehen. Mit die­ser breit­for­ma­ti­gen Kom­po­si­ti­on ist eine frü­he Bild­idee von Rubens wie­der­ent­deckt worden.

Peter Paul Rubens, Die Wei­he des Deci­us Mus, Öl auf Holz, 21,2 x 61,3 cm, Pri­vat­be­sitz Schweiz
Manu­fak­tur Jan Raes I. (1574–1651); Peter Paul Rubens (Sie­gen 1577–1640 Ant­wer­pen) Deci­us Mus weiht sich dem Tod, um 1630, Wol­le, Sei­de, 399 x 402 cm LIECHTENSTEIN. The Prin­ce­ly Coll­ec­tions, Vaduz–Vienna

Von Antho­nis van Dyck (1599−1641) ist uns eine Ölstu­die erhal­ten, in der er Ideen zum Gemäl­de „Saint Sebas­ti­an Bound for Mar­tyr­dom“ ent­wirft. Das Gemäl­de befin­det sich in der Natio­nal Gal­lery of Scot­land in Edin­burgh. In der Alten Pina­ko­thek in Mün­chen befin­det sich eine Wie­der­ho­lung des glei­chen The­mas. Die hier vor­ge­stell­te Stu­die hat van Dyck in Ölfar­ben auf Papier gemalt; die­ses wur­de spä­ter auf Lein­wand auf­ge­zo­gen. Das Stu­di­en­blatt ist 63,7 x 56 cm groß und wird bis­her unter dem Titel „St. Sebas­ti­an; Andro­me­da und ande­re Stu­di­en“ geführt. Zu der von Kunst­his­to­ri­kern als Andro­me­da bezeich­ne­ten unbe­klei­de­ten Schön­heit ist eine Fach­pu­bli­ka­ti­on in Vor­be­rei­tung, die bedeu­ten­de For­schungs­er­geb­nis­se vor­stel­len wird, wes­halb hier nur die Stu­di­en zum Edin­burgh-Sebas­ti­an betrach­tet wer­den. Der rech­te Bild­teil der Stu­die zeigt, wie Sebas­ti­an gebun­den wird. Im lin­ken Bild­teil sind Moti­ve zu sehen, wie sie im Edin­burgh-Gemäl­de ver­ar­bei­tet wur­den: ein hel­ler Pfer­de­kopf, im fer­ti­gen Bild ganz rechts im obe­ren Bereich plat­ziert; der Kopf eines Schwar­zen, im Gemäl­de ganz links in der Mit­te zu sehen; zwei behelm­te Sol­da­ten­köp­fe, im rech­ten Bild­teil des Gemäl­des bei den Pfer­den erkenn­bar. Die vor­lie­gen­de Ölstu­die hat­te für van Dyck wohl die Funk­ti­on einer Gedächt­nis­stüt­ze, mit wel­cher er Ideen für spä­te­re Ver­wen­dung festhielt.

Antho­ny Van Dyck, Saint Sebas­ti­an, bound for Mar­tyr­dom, Natio­nal Gal­lery of Scot­land, Edinburgh

Schon immer haben mich die Skiz­zen, Ent­wür­fe und Zeich­nun­gen der Maler beson­ders interessiert. 

Ich sehe dar­in deren künst­le­ri­sche Hand­schrift. Vor vie­len Jah­ren konn­te ich mit den Kunst­his­to­ri­kern Jus­tus Mül­ler Hof­stede und Erik Lar­sen über die Öl-Sket­che bei Rubens und van Dyck spre­chen, ins­be­son­de­re auch über die bei­den hier vor­ge­stell­ten Wer­ke. Ich habe in freund­schaft­li­chen Gesprä­chen vie­le Hin­wei­se erhal­ten, die ich in die­sen Arti­kel ein­be­zie­hen und somit wei­ter­ge­ben konn­te, und bin die­sen bei­den For­schern und Ken­nern dafür sehr dankbar.

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Jahrgang 1939, Erstausbildung kaufmännische Lehre, anschließend private Gesangsausbildung und kunstgeschichtliche Studien in Leipzig. 1961 erstes Engagement (Bass-Bariton) als Solist am Theater in Eisenach. Nach 12 Jahren an verschiedenen Theatern, 1973 Eröffnung einer Kunstgalerie in Basel. Seitdem im Kunsthandel, als Experte für Versicherungen und Berater privater Sammler tätig. Gleichzeitig und bis heute als Sänger in Oratorium, Kirchenmusik und besonders im Liedgesang aktiv.

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