Ein Gespräch mit Walter Röhrl
Der gebürtige Regensburger Walter Röhrl gilt als der „Beste Rallyefahrer aller Zeiten“, wie eine Jury aus 100 Motorsport-Experten einmal urteilte. Röhrl war von 1973 bis 1987 Werksfahrer für verschiedene Autoproduzenten und entwickelte sich zu einer beherrschenden Figur in der Rallye-WM, die er wiederholt für sich entschied. Heute arbeitet er für Porsche. Wir treffen Walter Röhrl in Saalbach Hinterglemm anlässlich der Saalbach Classic zu einem persönlichen Gespräch und erfahren, wie emotional Autofahren sein kann, was Herbert von Karajan damit zu tun hat und dass es da doch Parallelen zwischen Rennsport und Kunst gibt.
Es ist im Grunde schade, dass Autos als Wertanlage und als Spekulationsobjekte gekauft werden, weil nämlich die echten Enthusiasten sich diese Autos gar nicht mehr leisten können.
Herr Röhrl, Sie haben Motorsportgeschichte geschrieben, gelten als der beste Rallyefahrer aller Zeiten. Warum gerade Rallyesport?
Als ich als junger Mann zum Motorsport kam, was ich nie geplant hatte, denn ich kam vom Skifahren und Rudern, meinte ein Freunde von mir ich müsste Rennfahrer werden: „Du hast das richtige Gespür, ein gutes Gefühl und deine Autobeherrschung ist genial.“ Und ich sagte darauf, „Und zahlen tut´s der liebe Gott“. Er forderte mich heraus: „Wenn ich ein Auto besorg und es würde dich nichts kosten, würdest du dann fahren?“ Wir haben das dann gemacht, sind 5 Rallyes gefahren und dann hab ich tatsächlich ein Angebot als Werksfahrer bekommen. Ich hab meinen Job bei der katholischen Kirche in der Grundstücksverwaltung gekündigt und unterzeichnete den Vertrag als Rallyefahrer. Jetzt können Sie sich vorstellen, was daheim los war… (lacht).
Und warum nie Rennsport?
Ich habe viele Angebote als Rennfahrer bekommen, aber da waren mir zu viele Leute. Ich wollte in der Nacht durch den Wald fahren und für mich wissen, ob ich gut bin und hab damals diese Rennangebote alle abgelehnt. Wenn du in einem Rallyeauto sitzt, das nicht perfekt ist und fährst eine Winterrallye auf Eis und Schnee und es geht bergab, dann kann ich durch mein Können zeigen, dass ich trotzdem schnell bin. Wenn ein Auto auf einer Rundstrecke nicht läuft, dann bist du eine Null.
Gut – Ihre Motivation für Rallye ist uns klar, aber ist nicht die Formel 1 das Maß aller Dinge?
Sie spielen wohl auf das Geld an… (lacht). Ich schicke voraus, dass bei allem was ich im Motorsport gemacht habe, für mich Geld und Geldverdienen nie eine Rolle gespielt hat. Ich hab immer gesagt: „Mir ist das Geld Wurscht, ich will zeigen dass ich der Beste bin.“ Außerdem aber auch deshalb, weil in der Formel 1 das Auto selbst viel zu wichtig ist. Als Teamchef tätig zu sein, dafür bin ich zu misstrauisch, weil ich mich im Prinzip nur auf mich selbst verlasse.
Können Sie uns kurz den emotionalen Höhepunkt vor einem Start schildern und schließlich das Hochgefühl als Sieger über eine Ziellinie zu fahren?
Vor dem Start ist eins: Du hast eine unglaubliche Anspannung, denkst keine Sekunde an was anderes, denkst Tag und Nacht an jede Kurve, welche Passagen du nicht vergessen darfst, ob die Technik passt. Im Prinzip ist das Leiden. Die Möglichkeiten Fehler zu machen sind beim Rallyefahren 100fach größer als auf der Rennstrecke. Auf der Rennstrecke habe ich 12 Kurven, einen Posten, der die Fahne schwenkt, wenn drei Körner auf der Straße liegen. Beim Rallyefahren fahre ich irgendwo in den Bergen herum – vielleicht war ein Gewitter in der vorigen Nacht – und hinter der Kuppe erwartet dich 30cm Schlamm. Ich habe in meinem Leben ein Ziel gehabt: ich wollte weder Europameister noch Weltmeister werden, sondern ich wollte einmal die Rallye Monte Carlo gewinnen. Das war mein Ziel und ich erinnere mich noch daran… Nach der letzten Nacht fährst du runter Richtung Meer, die Sonne geht auf, das Meer glänzt silbern und du sagst dir, ICH BIN AM ZIEL MEINES LEBENS. Das das erste und letzte Mal, wo ich mich 10 Minuten lang richtig über einen Sieg gefreut habe. Alle anderen Siege, waren für mich nach 2 Minuten selbstverständlich und erledigt.
Sie haben als Profi im Motorsport und – alles deutet darauf hin – auch als Privatperson Erfolg; welche Rolle spielt für Sie „Glück“?
Glück braucht man, allerdings will ich mich nicht aufs Glück verlassen. Also ich habe nach jeder Rallye analysiert, wie viele Kurven waren dabei, die vielleicht hätten schiefgehen können. Von Haus aus zu glauben, Erfolg auf Glück aufzubauen, funktioniert beim Rallyefahren nicht. Als Privatperson habe ich mir lange überlegt, welchen Partner ich mir für mein Leben aussuche und ich bin jetzt mit meiner Frau 50 Jahre beisammen. Meine generelle Einstellung ist: Auch wenn ich etwas Besonderes kann, habe ich nie den Fehler gemacht daraus abzuleiten, dass ich etwas Besonderes bin!
Sind Sie schon einmal mit „Kunst“ in Berührung gekommen?
Im Prinzip eigentlich nicht, außer mit der Kunst des Autofahrens. Sonst würde ich mich eher als Kunstbanause bezeichnen, weil ich viel zu borniert war und mit Scheuklappen mein Leben nur auf einen Punkt ausgerichtet habe. Ich bin sehr viel mit Herbert von Karajan Auto gefahren, weil er es gerne wollte. Ich war aber nie bei ihm in einem Konzert und das ist wohl der größte Beweis für einen Kulturbanausen. Wobei mir Kunst an sich schon gefällt – ich kann mit einem Picasso nicht viel anfangen, weil zu abstrakt, aber wenn ein Maler einen schönen Berg malt, dann beeindruckt mich das schon.
In Gesprächen mit Künstlern – erfahren wir immer wieder, dass sie Phasen der Depression, des Zweifels und der Angst begleiten, um anschließend wieder in den kreativen Produktionsprozess über zu gehen. Wie ist das bei Rennfahrern?
Ich stand immer zwischen Selbstzweifel und Größenwahn – das waren meine Motivatoren. Ich hatte gewonnen und sagte mir, das war doch keine Kunst zu gewinnen, du hast Glück gehabt. Dann hab ich wieder gezweifelt, ob ich wirklich so gut bin und vor dem Start wieder zu mir selbst gesagt „Ihr Hamperer, ihr kriegt alle von mir 10 Minuten!“ und habe das Rennen dann mit 10 Minuten Vorsprung gewonnen.
Wir begreifen Kunst als Teil vieler Schaffensbereichen. Beispielsweise definieren wir auch den 911 als Kunstwerk der Automobilindustrie. Was fasziniert Sie persönlich an der Kult-Geschichte des Porsche 911?
Es ist schon mal diese Kontinuität – diese Autos gibt es seit 50 Jahren und daran sieht man, wie genial diese Grundidee war. Bei diesem Kunstwerk sind Grundform und Kennwerte seit 1965 immer noch erkennbar, das ist der eine Punkt. Dann kommen Technik, die ausgezeichnete Traktion, ein optimales Handling und ein hocheffizienter Motor hinzu – es gibt kein Auto, in das ich technisch so viel Vertrauen habe, wie in einen Porsche. Der 911 war immer die Messlatte für alle anderen.
Sie und Porsche bilden eine Synergie in zweierlei Hinsicht: Performance & technisches Know-how, Emotion und Kult. Wie darf man diese „Liebe zu Porsche“ verstehen?
Der Grundstein ist von meinem Bruder gelegt worden. Er war 10 Jahre älter als ich und als der 21 war, hatte er den ersten Porsche. Am Wochenende bin ich immer in seinen 356 Porsche hinten drin gesessen, wenn er mit seiner Freundin spazieren gefahren ist. Da hab ich mir immer wieder gesagt: „Merk dir eins kauf dir erst ein Auto, wenn du dir ein gescheites Auto leisten kannst! Und das ist ein Porsche.“ 1981 war ich das erste Mal bei Porsche und bestritt damals Le Mans und die Dt. Rallyemeisterschaft. 1992 habe ich bei Audi aufgehört und als ich 1992/93 wieder zu Porsche kam – als Repräsentant der Firma – war Dr. Wiedeking der Chef von Porsche und zu dem habe ich damals gesagt: Ich weiß nicht, ob Sie sich mich leiten können? Nicht wegen dem Geld, sondern wegen dem, was ich sage – weil ich ein Querkopf bin und einer, der die Wahrheit sagt. „Genau deshalb will ich dich!“ gab er zur Antwort. „Weil du die Glaubwürdigkeit meiner Firma erhöhst.“
Mit welchem Sportwagen hatten Sie das größte Erfolgserlebnis?
Dieser erste Monte Carlo Sieg ist natürlich verbunden mit einem Auto, das nicht gerade eine Schönheit ist, sondern eher eine Schuhschachtel – der Fiat 131. Aber dieses Fahrzeug war technisch gut und es ist natürlich in meinem Kopf geblieben. Von der Form her sind mir zwei Sportwagen, der 911 von 1981 und der Lancia 037 von 1983 in Erinnerung geblieben. Das waren reinrassige Zweisitzer – und natürlich tolle Erlebnisse mit denen.
Oldtimer weisen, was Wertsteigerung anbelangt, in den letzten Jahren bessere Zahlen auf, als Kunstwerke. Sammeln Sie selbst Autos?
Ich habe meine Autos zum Glück gekauft, wo sie ein Viertel vom dem gekostet haben, was sie heute kosten und habe überhaupt kein Interesse daran damit Geschäfte zu machen. Es ist pure Leidenschaft, dass ich diese Autos habe. Es ist übrigens schade, dass inzwischen Autos als Wertanlage und als Spekulationsobjekte benutzt werde, weil nämlich die echten Enthusiasten, sich diese Autos gar nicht mehr leisten können. Für mich ist ein Oldtimer einfach auch ein Kulturgut – eine Zeitreise in meine Jugend. Wenn ich in so einem Auto sitze, dann meine ich, ich bin 30 Jahre jünger, weil vor 30 Jahren habe ich so ein Auto gefahren. Und der Fahrer war damals derjenige, der den größten Teil zur Leistung beigetragen hat und nicht die Technik – heute werde ich vom Auto gefahren.
Man arbeitet und testet fieberhaft an diversen E‑Rennwagen. Wird sich der Motorsport in Zukunft generell verändern?
Ja ich glaube schon, nur ist das kein Rennsport – wenn nach 20–30 Minuten das Auto gewechselt werden muss, weil die Batterie leer ist, dann krieg ich einen Lachkrampf. Und das nächste ist, dass die Welt einfach belogen wird: von wegen Umweltverträglichkeit! Wenn Sie heute ein E‑Auto nehmen, von der Produktion bis zur Entsorgung, ist ein E‑Auto 1.6mal umweltschädlicher als ein Benzin-Auto. Ich bin der Meinung, dass die Entwicklung dieser E‑Autos der verkehrte Weg ist. Das ist perfekt für die Stadt. Aber für Leute wie mich, die tag-täglich 1000 und 1500 Km fahren, ist das undenkbar, weil ich das Programm von der Zeit her nicht mehr abspielen kann. In Deutschland tanken auf einer Autobahntankstelle rund 1000 Autos und wo würden sie die 1000 Autos zum Nachladen hinstellen? Das hat sich noch nie jemand überlegt. Derzeit ist jeder stolz, weil er 2 E‑Säulen hat. Porsche plant zurzeit ebenfalls ein Fahrzeug mit E‑Antrieb, den Mission E, der Ende dieses Jahrzehnts auf den Markt kommen soll. Aktuell verfügt Porsche über ein umfangreiches Angebot an Hybrid-Modellen. Anfangs war ich skeptisch, aber die Entwicklungsarbeit am 918 Spyder hat mich überzeugt. Die E‑Mobilität sehe ich aber skeptischer als viele Politiker.