Die österreichische und international bekannte Künstlerin Elke Silvia Krystufek arbeitet in verschiedenen Medien, wie in der Malerei, Zeichnung, Installationskunst, Fotografie, Performance und Schmuckentwurf. In ihrer Arbeit handelt es sich zumeist um Themen des Feminismus, der Darstellung weiblicher Körper, der Verschleierung von Frauen, der Stellung der Frau in der westlichen Tradition und der Interpretation der weiblichen Rolle in verschiedenen Weltreligionen.
Eines der Themen, mit denen sich Krystufek auseinandersetzt, ist das heute noch mehr als früher akute Thema der Verschleierung von Frauen. In ihren Zeichnungen, Installationen und Acrylbildern kommen verschleierte Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaften und Religionen vor. Sie empfinden sich als Feministinnen, die durch die Schleier ihre Würde als Frau verstärken.
Sie geben aber auch gleichzeitig ein Bild der unterdrückten Frau ab, welches die westliche, moderne Gesellschaft als inakzeptabel sieht.
Krystufek variiert zwischen dem christlichen Schleier einer Darstellung Marias, und der einer orthodoxen Jüdin mit geschorenem Kopf und Perücke, und lässt Fragen offen, welche Art der Interpretation Gültigkeit hat.
Sie zeigt auf, wie in verschiedenen Kulturen die Verschleierung auch ähnliche Bedeutung haben kann. Wird gegen die Gleichberechtigung der Frauen von heute verstoßen, oder ist man der „Andersartigkeit“ der muslimischen Frau gegenüber so sprachlos, dass wir sie nicht verstehen können. Mit dem Sprichwort „andere Länder- andere Sitten“, behilft sich die moderne Gesellschaft, die Unterschiede der Traditionen zu erkennen, aber gleichzeitig sie nicht zu akzeptieren. Die immer wiederkehrende Frage, ob die Verschleierung von Frauen im Westen akzeptiert werden muss oder kann, stellen sich Politik und Kultur international.
Im 3. Jahrtausend vor Christus trugen Frauen in Mesopotamien bereits Schleier.
Ehefrauen trugen den Schleier als Form des Respekts und des Anstands, damit sie nicht von anderen Männern belästigt werden konnten. Die sozial höher gestellten Gesellschaften unterschieden sich von den niedrigen dadurch, dass Frauen der „Aristokratie“ aus Stolz ihr Haupt bedeckten. Auch im alten Testament war der Schleier beim Treffen von Isaak und Rebekka Symbol des Anstands. Eine notwendige Verschleierung, die sich teilweise als Pflicht für Frauen durchsetzte, gab es erstmals im 9. Jahrhundert im Kalifat. Im Christentum findet man zahlreiche Beispiele der Verschleierung oder des Kopftuchtragens, wie in der römisch-katholischen Kirche, bei einer Audienz beim Papst, in der russisch- und griechisch- orthodoxen Kirche, im Ordensleben bei Nonnen und Mönchen und bei Witwen, die den Trauerschleier bei Beerdigungen tragen. Die kunstgeschichtliche, christliche Ikonografie des Schleiers oder der Kopfbedeckung der Frau ist in allen Gemälden vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert Symbol von Religiosität und Sittlichkeit, von Maria zu Maria Magdalena bis zu weiblichen Porträts von Tizian bis Rembrandt.
Im Koran gibt es vermehrt Stellen zur Befürwortung des Tragens eines Übergewandes (Tschador), eines Gesichtsschleiers (Niqab) oder Burkas, jedoch gibt es zahlreiche unterschiedliche Interpretationen inwieweit es Pflicht und Notwendigkeit ist, dass Frauen dies anziehen müssen. Durch das Tragen einer Burka, Niqab und/oder Hijab wird die muslimische Identität in die Öffentlichkeit getragen, durchaus auch als Selbstbestimmung von Frauen gemeint, die sich zu ihrer Religion bekennen. Es erscheint als Symbol der Gruppenzugehörigkeit und der Glaubenspraxis. Erst durch massive Terror- und Kriegsähnliche Attacken in den westlichen Ländern der Welt wurde die weibliche muslimische Verschleierung als Kritik und Gefahr angesehen, da es sich um unterdrückte Frauen handelt oder um verkleidete Terroristen.
Der neutrale Umgang damit ist in der heutigen Gesellschaft sehr schwierig bis unmöglich geworden, da sich Vorurteile, berechtigte Ängste und unterschiedliche kulturelle Traditionen vermischen. In der aufgeklärten westlichen Welt der Moderne ist das Bild einer vermummten Frau noch immer Seltenheit und ungewohnter Anblick, haben doch die Frauen einen langen und bitteren Kampf zur Selbstständigkeit, Selbstfindung und Freiheit in den letzten hundert Jahren hinter sich gebracht, um eigene Rechte und Gleichstellung zu Männern zu bekommen. Krystufeks Installation, bestehend aus einem Goldanhänger, der an einer Wand angebracht ist und durch eine Lichtquelle Schatten wirft, trägt das in arabischen Buchstaben geschriebene Wort „Elhaeraka Ensaiaa“, übersetzt „Frauenbewegung“. Das Objekt erfährt hier eine mehrdeutige Interpretation.
Das Material Gold, das schönste Metall, um Schmuck für Frauen herzustellen und ihre Schönheit hervorzuheben, ist höchster Luxus und vermittelt den Anspruch des Besonderen als Objekt und Schmuckstück, was gleichzeitig den Begriff der Frauenbewegung in goldenen Buchstaben hervorhebt und so eine bevorzugte Bedeutung bekommt, weil es eine Verbindung zwischen der modernen Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts und der arabischen Welt herstellt. Ist dies als Zeichen der Veränderung gemeint, dass muslimische Frauen ihre Rechte in der vom Westen ausgehenden Frauenbewegung neu sehen oder stellt die goldene Schrift einen Widerspruch zur Emanzipation dar?
In einer anderen Installation, einer von Objekten gefüllten Vitrine, wo sich auch das Goldteil „Elhaeraka Ensaiaa“ befindet, welches bei dem Juwelier Köchert in Wien ausgestellt war, nimmt Krystufek Bezug zu Schmuckstücken und der möglichen, gleichzeitigen Verschleierung. Der aus Schmucksteinen gefertigte, große Schmetterling ist über dem modernen Frauenporträt angebracht. Er ist in seiner Proportion zum Frauengesicht überdimensional groß. Versperrt der Schmetterling die Sprache der Frau, da er den Mund verdeckt? Ist die Schönheit dieser Frau unantastbar und distanziert, wird sie mit Schmuck bezahlt und dem Betrachter bildlich entzogen oder verstärkt das Schmuckstück die Feinheit ihres Gesichts und die Konzentration liegt gleichzeitig auf dem detailliert verarbeiteten, handgemachten Schmuck? Ist der Schmetterling nicht auch Symbol der weiblichsten aller Organe und möchte verführen?
Dieses Objekt, sowie die Arbeit des gezeichneten Medaillons auf dem Gesicht einer weiteren Frau, verdeckt sie, aber verschleiert oder verhüllt sie nicht. Die Frau kann nur mit dem Schmuckobjekt in Verbindung gebracht werden und ihre Eleganz verstärken. Die praktikable und auch nachdenkliche Bedeutung von der Verwendung von Gold sieht die Künstlerin Elke Silvia Krystufek so: „Why gold? It is small, it is practical, the transport costs are low, nobody gets struck like by Serra and nobody gets thrown out the window like by Andre, and its value is easier to measure than that of a painting; after all, who knows what an image is worth?“