Über die Freundschaft

KARL ANTON UND KARL OPPERMANN

Der eine Karl kom­po­niert eher nach der Rhyth­mik und Struk­tur der Musik eines Clau­de Debus­sy, fragt man ihn nach Vor­bil­dern für sei­ne Male­rei. Das ist Karl Anton1, der mir im Gespräch ver­rät, dass er seit nun­mehr über 20 Jah­ren den Punkt als Haupt­stil­mit­tel auf sei­nen Bil­dern ver­wen­det, gleich einer Meta­pher, die dem Betrach­ter oder »Leser« der Anton­schen Künst­ler­spra­che Raum zur Eigen­in­ter­pre­ta­ti­on las­sen soll. Gegen­stands­los sei sei­ne Male­rei, so Anton, denn es gehe ihm um die gro­ße Welt der Gefüh­le, in der sich jeder, der sei­ne Bil­der betrach­tet, sei­ne je eige­ne Gefühls­welt vor­stel­len und mit ihr Punkt um Punkt umge­hen ler­nen kön­ne. Der Punkt steht grund­le­gend, das sei sein Natu­rell, so der Punkt­me­ta­pho­ri­ker Karl, für eine her­zens­tie­fe Har­mo­nie, die er selbst sein Bedürf­nis nennt. Dar­über, ob Gefüh­le nicht immer je schon exis­ten­zi­ell ver­mit­tel­ter Gegen­stand eines Gemäl­des, das eben­sol­che her­vor­ru­fen kann, sind, dis­ku­tie­ren wir wei­ter, Karl und ich. Der ande­re Karl, der älte­re: Karl Oppermann2 ist seit vie­len Jah­ren, so beto­nen bei­de, mit Karl Anton befreun­det. Malen ist für Opper­mann mit jedem neu­en Bild ein Aben­teu­er. Als käme man beim Wan­dern im Wald plötz­lich in ein Wald­stück, das völ­lig unbe­kannt ist und man wis­se nun nicht, wohin es führt oder wie man wie­der her­aus­kommt. Das Aben­teu­er­li­che des Malens in die Offen­heit des Bil-des hin­ein glei­che einem Dickicht, das irr­we­gig auf einen zukommt, auf den Wan­de­rer. Der Maler-Wan­de­rer muss sich mit Pin­sel und Far­be zumin­dest Tram­pel­pfa­de zur Ori­en­tie­rung tre­ten und sich dabei gänz­lich auf den eige­nen Gang ver­las­sen kön­nen. Strich um Strich und Schlag um Schlag die Frem­de, das Unbe­kann­te aneig­nend, führt die­ser Kriegs­pfad – so ist die ein­zi­ge Gewiss­heit – ins Offene.

Kon­stan­ze Caysa, Karl Opper­mann und Karl Anton im Ate­lier von Karl Opper­mann, ©Hagen Wiel

Erfin­der ist er, der sich ins Offe­ne wagt: Er-Innern­der, Frem­des sich ein­ver­lei­bend aus der Ein­ver­leibt­heit bereits vie­ler vor­mals unbe­kann­ter Stof­fe. Jetzt sind sie in ihm und er »ver­steht«, indem er TUT, gleich ihnen. Der Ort, dem er im Aben­teu­rer­tum ver­trau­en muss und der ihn rück-halt­los auch trägt bis zum Schluss, ist sein Leib, der ihm ver­trau­te und der ihn immer doch mit jeder neu­en Her­aus­for­de­rung Über­ra­schen­de. Der Leib ist eine gro­ße Ver­nunft, weiß Nietz­sche und ver­rät es dem Leser sei­nes Haupt­wer­kes »Also sprach Zara­thus­tra«. Was die gro­ße Ver­nunft des Lei­bes im Tun »weiß«, kann der Ver­stand nicht gleich­zei­tig nach­voll­zie­hen und so ist es das Unbe­kann­te, die Gefahr, und eben v.a. die Lust am Aben­teu­er, sich dem Unge­wis­sen, Namen-losen zu stel­len. Jedes Bild ist für Opper­mann wohl ein erneu­ter Sprung in eine ande­re selbst erschaf­fe­ne und immer noch zu erschaf­fen­de Welt. Sei­ne Wan­de­run­gen füh­ren ihn ins Offe­ne, dem Ruf des aus der Tie­fe sei­ner unbän­di­gen Ein­sam­keit im Höhen­rausch ent­lang des Olymps in eige­ner Dich­tung begeg­ne­te: Fried­rich Höl­der­lin – und ihm anschei­nend all­zu ger­ne fol­gend: Komm ins Offe­ne, Freund!

Fried­rich Nietz­sche, der am aller­liebs­ten Musi­ker gewe­sen wäre und die Tie­fen und Abgrün­de sei­ner eigens­ten, wahr­haf­tigs­ten und v.a. dabei hoff­nungs­volls­ten Gedan­ken in Rhyth­mus und Ton, mit den Mit­teln der Musik erzählt, geformt hät­te, schrieb doch sein phi­lo­so­phi­sches Erst­lings­werk »Die Geburt der Tra­gö­die aus dem Geis­te der Musik« aus lei­den­schaft­li­cher musi­ka­li­scher Hin­ga­be an Wag­ners musi­ka­li­sches Werk. In der Musik, deren Klang er in die Spra­che der Dich­tung über­setz­te, sucht er den wirk­li­chen Aus­druck und die For­men für sei­ne Begrif­fe in der Phi­lo­so­phie. Kunst und Phi­lo­so­phie, so kann man im Anschluss an Nietz­sche sagen, sind als Urquell und ewig wie­der­be­le­ben­des Struk­tur­prin­zip des Den­kens gleichursprünglich.

Karl Opper­mann beim Gespräch, ©Hagen Wiel

Kunst als Musik, als Gesang, als Erzäh­len, als Spiel, als Male­rei »sagt« unmit­tel­bar immer alles. Phi­lo­so­phie fragt danach. Stellt der Phi­lo­soph, der »Freund der Weis­heit«, des emprak­ti­schen Wis­sens eine aus sei­nem Inners­ten her­vor­quel­len­de Fra­ge, so ist gewiss, dass die Kunst längst Ant­wort weiß. Aus ihr stammt die phi­lo­so­phi­sche Fra­ge. Eben­so stammt zugleich die Selbst­ge­wiss­heit der Kunst, der sich unmit­tel­bar voll­zie­hen­den, aus der Fra­ge, die – Kom­ple­xi­tät tei­lend – kri­tisch (kri­ne­in [griech.]) schei­den will, um auf gegen­ständ­lich Sag­ba­res, also: auf einen Begriff, auf objek­ti­ve Ver­hält­nis­se zielt, aus dem mensch­li­chen Wil­len zum Ver­ste­hen. Aus eben die­ser ana­ly­ti­schen, nach­voll­zie­hen­den, beglei­ten­den, dif­fe­ren­zie­ren­den Kri­tik ent­steht phi­lo­so­phi­sches Wis­sen, das Teil der Kunst bleibt und von die­ser wie­der und wie­der über­schwemmt und auf­ge­for­dert wird, erneut den inner­li­chen Zer­stö­rungs­pro­zess ana­ly­ti­scher Begriffs­bil­dung zu leis­ten. Wie-der und wie­der kann nur so auch die Kunst sich bewe­gen und neu in der Zeit und im Raum ordnen.

Kunst als das rausch­haf­te Gesche­hen, der Voll­zug pro­du­zie­ren­der Lebens­welt als Lebens­kunst trägt an sich rein chao­ti­sche, nicht geord­ne­te, aber per­spek­ti­vie­ren­de Züge und benö­tigt zur Selbst­er­kennt­nis eben die­sen kri­tisch-schei­den­den Blick auf sich selbst, indem apol­li­nisch-begriff­li­che Fass­bar­ma­chun­gen sie zer­glie­dern – um das zu ver­ste­hen, das im Grun­de unver­steh­bar ist und als Gan­zes auch bleibt. Die Höchst­leis­tung der Kri­tik liegt im aus­dau­ern­den und nie­mals ruhen­den ech­ten Nach­voll­zie­hen, Ana­ly­sie­ren des­sen, das sich grei­fen lässt, das damit For­men in die ver­steh­ba­re Wirk­lich­keit bringt.
Kunst und Phi­lo­so­phie: ein sich gegen­sei­tig benö­ti­gen­des, anein­an­der erst leben­dig wer­den­des und sich in der kri­ti­schen Hal­tung gegen­über­tre­ten­des und erwei­tern­des Freund­schafts­ver­hält­nis. Sie ver­nich­ten sich eben­so wie sie sich ewig wie­der und wie­der neu gebä­ren und nach dem Kampf auf Leben und Tod sich ein­an­der zuwen­den, anein­an­der­tre­ten und tan­zen. Eine Ster­nen­freund­schaft sind sie: Kunst und Phi­lo­so­phie, ein­an­der see­len- und geis­tes­ver­wandt als sich ergän­zen­de Künst­ler­mäch­te, die Nietz­sche als Grund­pfei­ler jeg­li­cher Kul­tur benann­te: das Dio­ny­si­sche und Apol­li­ni­sche. Die­se zwei Kri­tik­mäch­te, die Künst­ler sind und Kul­tur­schaf­fen­de – wah­re, gute und wert­vol­le Kunst bewah­ren­de, sind zuerst selbst Göt­ter: Dio­ny­sos und Apol­lon. Göt­ter haben die Fähig­keit, sich selbst zu erschaf­fen – und wie­der und wie­der. Bei­de sind je für sich und tref­fen sie auf­ein­an­der, dann erzeu­gen sie gemein­sa­mes Drit­tes: durch For­mung der Wirk­lich­kei­ten in die Welt. Im wil­den wie zärt­li­chen wie grau­sam-bru­ta­len, im zer­stö­re­ri­schen wie wie­der­bau­en­den Tan­ze an- und-mit-sich-dem-ande­ren erfah­ren sie jeweils immer auch das ande­re, das Frem­de ihrer selbst im Ande­ren. So sind sie auch als Freun­de im Schaf­fens­pro­zess eines, ver­schmol­zen und untrenn­bar. Das Frem­de spü­ren, heißt, das Ande­re in aller Abgrün­dig­keit und Gefahr als das Ande­re mei­ner Selbst anzu­neh­men und damit Unbe­stimm­tes einer Bestim­mung zuzuführen.

»Komm auf den Punkt!« heißt: Erfor­sche Dich selbst, uner­schro­cken und ent­schlos­sen, soweit Du gehen willst und viel­leicht sogar musst. Du bist in allem, was Du tust, nur ver­gleich­bar zuerst an Dir selbst – nicht am ande­ren und schon gar an den ande­ren. »Komm ins Offe­ne, Freund!«: Trau Dich zu malen, was Du bist. Ob‘s ver­stan­den wird? Wär‘ schön, ist aber eigent­lich nicht der Punkt.
Was kann der Ein­zel­ne allein? Der Künst­ler kann Aus­druck schaf­fen für inne­re Erleb­nis­se. Er kann expe­ri­men­tie­ren mit der eige­nen Exis­tenz und an sei­ne Gren­zen gehen, sie womög­lich stre­cken­wei­se über­schrei­ten und auch, wenn er – aufs Gan­ze gehend – alles ver­lie­ren könn­te. Das ist das Äußers­te: die Erfah­rung der Tran­szen­denz. Das ist eine leib­li­che Erfah­rung, die kei­ne kau­sa­le, ergeb­nis­ori­en­tier­te Letz­t­er­klä­rung braucht, um ein­zu­tre­ten. Wen fragt der Blitz vor dem Ein­schlag um Erlaub­nis? Gäbe es eine ver­nünf­ti­ge Ant­wort? Der Blitz fin­det ziel­si­cher den guten Ort sei­nes Ein­schlags. Er beant­wor­tet kei­ne Fra­gen. Es geschieht uns, wenn er GESCHIEHT – unab­hän­gig von unse­rem Wol­len und ratio­na­lem Begrün­den, fern von allem, das wir Bestand oder Ver­füg­bar­keit eige­ner Frei­heit nen­nen können.
Karl Anton und Karl Opper­mann sind Maler, sind Künst­ler und sie malen je in ziem­lich unter­schied­li­chem Stil. Was sie unwei­ger­lich ver­bin­det: sie sind Freun­de. Bei­de sagen im Gespräch mit mir, dass sie sich gegen­sei­tig auf­rich­tig kri­ti­sie­ren kön­nen. Das sei sel­ten, so Karl Opper­mann, denn der Akt des künst­le­ri­schen Schaf­fens geschieht zunächst in Ein­sam­keit. Ein Gefühl für­ein­an­der, auch über die Kunst hin­aus, sich ver­ste­hen und sich sor­gen um den ande­ren, sei, so Karl Anton, eben­so Grund­fes­te ihres freund­schaft­li­chen Bundes.
Gemein­sam ist bei­den, so unter­strei­chen sie, das Spiel mit den Far­ben. Die Kom­po­si­ti­on der Far­ben sei in bei­den, wenn auch sti­lis­tisch ver­schie­den zur Form gebrach­ten Aus­drucks­wei­sen, selbst Gegen­stand des jewei­li­gen Bil­des. Die Far­be und die Zusam­men­set­zung der­sel­ben auf dem Bild ver­bin­det die Maler so, dass sie sich gegen­sei­tig kom­pe­tent beur­tei­len und ana-lys­ie­ren kön­nen. Das geschieht je allein, wenn sie unter sich sind und nie­mals wür­den sie sich öffent­lich kri­ti­sie­ren. Wich­tig und grund­le­gend, so Opper­mann, ist, dass ers­tens: das Ver­trau­en in den Freund vor­han­den ist, ech­te Kri­tik anzu­neh­men und kei­ne Häme dahin­ter ver­mu­ten zu müs­sen. Zwei­tens grund­le­gend dafür sei, dass der je ande­re wür­dig der Kri­tik des Freun­des ist. Eine Wert­schät­zung an sich selbst, dass Kri­tik geübt wird.

Mit dem jun­gen Georg Wil­helm Fried­rich Hegel kann der Begriff »Reli­gi­on« (lat: reli­gio) über-setzt wer­den ins Deut­sche mit: Das, was uns ver­bin­det. Es ist eine Fra­ge nach dem Sinn­vol­len, Wert-vol­len, sich als Indi­vi­du­um Ein­fü­gen­den und Erwei­tern­den. Reli­gio als Halt, noch hin­ter der eige­nen Hal­tung, emprak­ti­scher Bewusst­heit, noch zu Grun­de der emprak­ti­schen Selbst­be­wusst­heit des Ein­zel­nen. Etwas, das, in wel­cher Form es auch exis­tiert, noch dann, wenn Du am Boden bist, aus der Tie­fe der Ver­wurz­lung sich löst und Dei­nen Boden nicht ersetzt, aber stärkt, Dir Halt zur eige­nen Hal­tung geben kann.
Dies Gemein­sa­me ist kein Netz­werk, ent­wur­zelt und besteht nicht bloß aus blo­ßen Daten, die eine Theo­rie für ein sinn­vol­les Leben zusam­men­schus­tern las­sen, ist man geschickt genug. Daten-Ein­zel­hei­ten blei­ben ein­zeln, auch wenn man sie anein­an­der tackert. Dann tuts weh und vor Schmerz nimmt man den Daten-Nach­barn lie­ber an – als in sich und durch sich selbst Sinn zu erkun­den, ort­los im geo­gra­phisch-topo­lo­gi­schen Sin­ne. Der sich selbst­be­wusst gewor­de­ne und immer wei­ter pro­zess­haft wer­den­de Ort hat eine mini­ma­le Aus­deh­nung und kaum bis gar nicht mess­ba­re Zeit: der eige­ne Leib. Er ist Zeit und er ist Ort. Unübertragbar.
Der Leib als Topos, ver­schie­de­ne Ebe­nen der Bewusst­heit und in selbst­be­stimm­ter Rah­men­an­pas­sung stim­mungs- und instinkt­ge­lei­te­ter Ver­nunft, rech­ne man, will man es arti­ku­lie­ren als leib­li­ches Feld nicht im Maße von all­ge­mein­gül­ti­ger Meter- oder Kilo­me­ter­ma­ße, nicht in line­ar bere­chen­ba­rer Stre­cke, son­dern das Selbst­maß und der dar­aus sich erschlie­ßen­de Selbst­maß­stab ist die Inten­si­tät leben­di­ger Leib­haf­tig­keit. Inten­si­tät braucht kei­nen gemein­sa­men Ort, der dau­er­haft gemein­sam besetzt sein muss. Sie kann nicht gebrannt­schatzt wer­den und ist rela­tiv sicher vor Fein­des- und Eifer­sucht- und Hass-Tira­den ande­rer. Inten­si­tät ist die Tran­szen­denz-Maß­ge­bung über alle fremd­mess-bare Zeit und Raum­aus­deh­nung hin­aus­ge­hend. Eine höhe­re Ebe­ne, Ster­nen­freund­schaft, nann­te Nietz­sche das Den­ken gemein­sa­mer Gedan­ken, den Ort nann­te er die gro­ße Ver­nunft des Leibes.

Gemein­schaft besteht aus der frei­wil­li­gen Zusam­men­kunft zwei­er oder meh­re­rer Men­schen, die mit­ein­an­der leben, weil sie gemein­sam Wer­te ver­fol­gen, die sie ein­an­der zuge­hö­rig stim­men. Die­se Wer­te kann man nicht fest­schrei­ben und dar­auf behar­ren – tuts einer, ist er bereits raus!! Nicht ratio­na­li­sier­ba­re und damit mani­pu­lier­ba­re Netz­wer­ke, genannt sozia­le Netz­wer­ke, auf denen heu­te »Freund­schaft« und deren Bere­chen­bar­keit jeg­li­che reli­giö­se Inti­mi­tät zwi­schen Men­schen – Sym­pa­thie, Empa­thie, ein Geheim­nis, das bin­det – aus­löscht und den Men­schen als Sozi­al­we­sen zur durch­sich­ti­gen tech­no­lo­gisch-bere­chen­ba­ren Maschi­ne­rie ent­wür­digt. Wenn in sozia­len Net­zen die gesell­schaft­lich Schwa­chen unter­stützt wer­den und nicht durchs «sozia­le Netz« fal­len sol­len, dann gilt noch immer: Fres­sen statt Moral! Und: Ein­glie­de­rung in das bereits Bestehen­de, nicht Erzie­hung zur Mündigkeit.
Freund­schaft bedeu­tet als ech­te Wer­te­ge­mein­schaft auch: gegen­sei­ti­ge Erzie­hung zum Grö­ße­ren, das der Eine im Ande­ren zu sehen im Stan­de ist und vice ver­sa. Mög­lich ist dies, weil die Freun­de sich ver­trau­en und weil sie wis­sen: der Ande­re sagt etwas, um den Freund – auch wenn‘s zunächst weh tun mag aus eige­ner Ver­weich­li­chung, die der tag­täg­li­chen Bauch­tät­sche­lei und Schmei­che­lei har­mo­nie­en­thu­si­as­ti­scher Unkri­tik Fol­ge ist – in sich zu stär­ken. Freund­schaft, das tat­säch­li­che Halt-Geben, weil man selbst Hal­tung hat und nie endend erar­bei­tet, durch Arbeit an sich selbst, durch Arbeit an einer Selbst­re­gie­rung, ermög­licht ein gro­ßes Stück weit, selbst kei­nen frem­den Füh­rer zu benö­ti­gen. Man ist Freund, wenn man sich selbst hart beur­teilt und dar­an wächst. Dann erst kann dem Freun­de auch davon gege­ben werden.


1 Karl Opper­mann: 1930 in Wer­ni­ge­ro­de gebo­ren, lehr­te Opper­mann von 1971 bis 1996 an der Hoch­schu­le der Küns­te – jetzt Uni­ver­si­tät der Küns­te – in West­ber­lin freie Male­rei. Dort ver­folg­te er inten­siv die poli­ti­sche Ent­wick­lung der damals geteil­ten Stadt und the­ma­ti­sier­te sie in sei­nen Wer­ken – was ihn über Ber­lin hin­aus bekannt mach­te. Es führ­te zu zahl­rei­chen Aus­stel­lun­gen im In- und Aus­land, unter ande­rem im Museo de Arte Moder­no von Sao Pau­lo. Zugleich setz­te der Künst­ler sich in den Ate­liers, die er über Jahr­zehn­te auf Elba und in Bar­ce­lo­na unter­hielt, inten­siv mit sei­ner Umge­bung aus­ein­an­der, was ihm den Bei­na­men des »Pru­sia­no Lati­no« ein­trug. Nach­dem sich Opper­mann 1996 nach Vecken­stedt im Nord­harz zurück­zog, ent­stand unter ande­rem sein Zyklus »Blocks­berg«, von dem Tei­le zur­zeit in der umfang­rei­chen Aus­stel­lung »Schön­heit und Schre­cken« im Kunst­ver­ein von Wer­ni­ge­ro­de zu sehen sind. Mit der­sel­ben Meis­ter­schaft, mit denen er bei­spiels­wei­se die dra­ma­ti­schen Flücht­lings­be­we­gun­gen in groß­for­ma­ti­ge Ölge­mäl­den über­trägt, aqua­rel­liert er zeit­los-ele­gan­te Blu­men­still­le­ben. 2009 grün­de­te er zudem die »Karl Opper­man-Stif­tung« an der Hoch­schu­le Harz, in deren Biblio­thek heu­te zahl­rei­che Wer­ke zu sehen sind. 

2 Karl Anton: 2010, Beginn der Aus­stel­lungs­rei­he Punc­tum«. Abs­trak­ter Poin­til­lis­mus, Tusche auf Lein­wand. Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen in Can­nes (Frank­reich), Plov­div, Brüs­sel, Wer­ni­ge­ro­de, Hal­le, Mag­de­burg. 2004, zwei Jah­re Vor­sit­zen­der im Berufs­ver­band Bil­den­der Künst­ler Sach­sen-Anhalt. 2003, Beschäf­ti­gung mit der Mikro­bio­lo­gie als Aus­gangs­stoff für die Suche nach Urfor­men in der Natur. Zeich­ne­ri­sche und gra­fi­sche Arbei­ten. Frei­schaf­fend als Maler und Autor in Leip­zig tätig. Seit 2003 Lei­ter für Pro­jek­te mit Kin­dern von psy­chisch kran­ken Eltern, Geis­tig- und Kör­per­be­hin­der­te und Kin­der aus sozia­len Rand­grup­pen. 1977, Stu­di­um in Dres­den und Ber­lin. 1953, gebo­ren in Staßfurt.

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Künstlerphilosophin. Sie promovierte zum Thema: „Sehnsüchtige Körper – Eine Metatropie“. Lehre seit 2006 an verschiedenen Hochschulen und Universitäten. Darunter: Philosophisches Institut der Universität Leipzig, Hochschule für Grafik und Buchkunst zu Leipzig, Kulturwissenschaftliches Institut der Uni Leipzig, Germanistische Institute der Universitäten Lodz, Piliscisiaba/Budapest und Sydney/Australien. Außerdem hielt sie Vorlesungen und Seminare vom WS 2012/13 – WS 2013/14 als Juniorprofessorin (i.V.) an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig. Kolumnistin der Leipziger Zeitung seit 2015. Mitglied des kulturwissenschaftlichen Beirates Klinikum Bremen Ost. Von 2002 bis 2010 war sie Vorstandsmitgleid der Nietzsche Gesellschaft e.V.. Wichtigste Publikationen: Volker Caysa/ Konstanze Schwarzwald: Nietzsche – Macht – Größe (De Gruyter), Volker Caysa/ Konstanze Schwarzwald: Experimente des Leibes (Peter-Lang-Verlag 2008), Sehnsüchtige Körper – Eine Metatropie (2011), Askese als Verhaltensrevolte (2015), Denken des Empraktischen (2016). www.empraxis.net. Foto © Hagen Wiel

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