Auf den Spiegel kommt es an …

Denken allein ist noch keine Selbstreflexion

Das The­ma »Reflec­tion« ist tat­säch­lich eines der Haupt­the­men mei­ner Arbeit. Das eng­li­sche Wort kann man bei der Über­set­zung ins Deut­sche unter­schied­lich inter­pre­tie­ren und eben­so gibt es im Eng­li­schen zwei Bedeu­tun­gen. Die ers­te ist Besin­nung, Kon­tem­pla­ti­on und die zwei­te Spie­gel­bild, Spiegelung.

REFLEXION IM SINNE DER SELBSTBESINNUNG
Gnō­thi seau­tón (Erken­ne dich selbst) lau­tet die Inschrift auf einer der Säu­len des Tem­pels des Apol­lo in Del­phi. Cice­ro unter­strich die­se durch sein bekann­tes Zitat: »Iubet igi­tur nos Pythi­us Apol­lo nos­ce­re nos­met ipsos« (»So befiehlt uns also der Apol­lo von Del­phi, uns selbst zu erken­nen «). Die­se alten grie­chi­schen Weis­hei­ten wur­den den sie­ben Wei­sen Grie­chen­lands zuge­ord­net, wel­che Tha­les von Milet, Pit­ta­kos von Myti­le­ne, Bias von Prie­ne, Solon von Athen, Kleo­bu­los von Lin­dos, Myson von Chen und Chi­lon von Spar­ta waren. Letz­te­rer präg­te die Aus­sa­ge »Erken­ne dich selbst.«

René Des­car­tes defi­nier­te: cogi­to ergo sum (Ich den­ke, also bin ich). Das Den­ken allein ist noch kei­ne Selbst­re­fle­xi­on. Um eine Refle­xi­on von ande­ren Denk­ak­ten unter­schei­den zu kön­nen, ist es von Bedeu­tung, sich mit die­ser Art des Den­kens genau­er aus­ein­an­der­zu­set­zen. Spre­chen wir von einer Refle­xi­on, mei­ne ich ein »Nach-den­ken« über ein bestimm­tes Phä­no­men, Ereig­nis oder über mich selbst. Anders­her­um betrach­tet: mei­ne Gedan­ken beob­ach­ten mei­ne Gedan­ken, ana­ly­sie­ren sich selbst und kön­nen unter Umstän­den neue Lösun­gen erzeugen.

Eine Refle­xi­on ist inso­fern eine Unter­bre­chung des »frei flie­ßen­den Den­kens«, bei­spiels­wei­se um etwas Bestimm­tes näher zu unter­su­chen, einen Zwei­fel zu klä­ren, ein Pro­blem zu begrei­fen oder den eige­nen Denk­pro­zess zu prü­fen. Refle­xi­on ist immer ein bewuss­ter Akt, indem ein Den­ken­der einen wei­te­ren Den­ken­den erschafft, der sozu­sa­gen als »eige­ne Instanz« sein eige­nes Den­ken beob­ach­tet, nach eige­nen Kri­te­ri­en ana­ly­siert, neu struk­tu­riert und even­tu­ell neue Schluss­fol­ge­run­gen bil­det. So könn­te man Refle­xi­on auch als eine Form der »Feh­ler­kor­rek­tur« beschrei­ben – ähn­lich eines Kai­zen Pro­gramms, in wel­chem eine stän­di­ge Ver­bes­se­rung ein­tritt. Anders aus­ge­drückt: Erst die Refle­xi­on eröff­net dem Men­schen über­haupt die Mög­lich­keit, eige­ne Gedan­ken zu ent­wi­ckeln, Vor­ur­tei­le auf­zu­de­cken, ein Indi­vi­du­um zu wer­den. Die­se Betrach­tung deckt zwar schon eini­ge wich­ti­ge Ele­men­te der Refle­xi­on auf, scheint aber immer noch zu wenig ins Detail zu gehen. Es fehlt die Erklä­rung, war­um die Fähig­keit der Refle­xi­on bei Men­schen so unter­schied­lich (gut oder schlecht) aus­ge­prägt ist.

Tom Möge­le, Foto: Flo­ri­an Schreiber

DIE 5 STUFEN DER REFLEXION
Die hier auf­ge­zähl­ten Stu­fen der Refle­xi­on sind hier­ar­chisch auf­ge­baut, wobei ich mit der ein­fachs­ten Form anfan­ge und mit der höchs­ten oder kom­ple­xes­ten Form auf­hö­re. Die Stu­fen bau­en auf­ein­an­der auf, das heißt, man muss die unte­ren beherr­schen, damit man höhe­re ent­wi­ckeln kann. Jede Stu­fe ist wesent­lich, und hat einen adäqua­ten Kon­text, in dem sie opti­mal funk­tio­niert. Alle kom­men per­ma­nent in unter­schied­li­chen Lebens­si­tua­tio­nen und ‑the­men zum Aus­druck. Wenn man höhe­re Stu­fen beherrscht, erhält man mehr Mög­lich­kei­ten, unter­schied­li­che Refle­xi­ons­ar­ten zu nut­zen oder zu vermischen.

  • 1. Reflexion der äußeren Ereignisse

    Die­se Stu­fe mani­fes­tiert sich in der Regel bereits im Kin­des­al­ter, da sich hier der Mensch als Teil einer ihm noch unbe­kann­ten Welt ent­deckt. Die Auf­merk­sam­keit ist nach außen gerich­tet. Man ver­sucht, grund­le­gend funk­tio­na­le Ver­hal­tens­wei­sen in der Welt spie­le­risch zu erler­nen und deren Regeln zu begrei­fen und ein­zu­hal­ten. Spä­ter, in der Schu­le, Studium/ Leh­re, Arbeit, wer­den die Regeln opti­miert und ein Ver­hal­tens­re­per­toire ange­passt, wel­ches den bis­her erwor­be­nen Lebens­spiel­raum abde­cken soll. Allen Fra­gen ist gemein, dass sie sich auf ein äuße­res, kon­kre­tes Objekt, Ereig­nis, einen Pro­zess oder eine Per­son rich­ten. Die Refle­xi­on kor­re­spon­diert immer mit einer Lern­pha­se. Sie äußert sich für ande­re wahr­nehm­bar in Ver­hal­tens­än­de­run­gen und/oder neu­en Erkennt­nis­sen über die Welt.

    Auf die­ser Stu­fe ent­schei­det die Per­son auch, ob und wel­che The­men fremd- oder selbst­be­stimmt reflek­tiert wer­den. Fremd­be­stimmt meint, dass der Inhalt und die Kri­te­ri­en der Refle­xi­on von ande­ren (z. B. Eltern, Leh­rern, Freun­den etc.) stam­men und unhin­ter­fragt ange­wen­det wer­den. Die mög­li­chen Kon­tex­te und Refle­xi­ons­mög­lich­kei­ten sind von außen oder Ande­ren vor­ge­ge­ben. Eine selbst­be­stimm­te Refle­xi­on wür­de sich dage­gen so äußern, dass der Mensch beginnt, sich »eige­ne« Gedan­ken zu machen, d. h. Gelern­tes hin­ter­fragt und eige­ne Kri­te­ri­en für sei­ne Ent­schei­dun­gen gene­riert. Ob eine Refle­xi­on fremd- oder selbst­be­stimmt voll­zo­gen wur­de, kann durch ein Hin­ter­fra­gen des Refle­xi­ons­pro­zes­ses fest­ge­stellt werden.

    Ein Indiz für Fremd­be­stim­mung ist, dass die Wer­te, Kri­te­ri­en oder Ent­schei­dungs­pro­zes­se nicht begrün­det wer­den kön­nen oder hin­ter­fragt wer­den dür­fen – etwa nach dem Mot­to »das ist halt so« – »das macht man so«. Bei einer selbst­be­stimm­ten Refle­xi­on hin­ge­gen wer­den eige­ne Kri­te­ri­en kom­mu­ni­ziert und eige­ne Schluss­fol­ge­run­gen begrün­det. Die­se Men­schen sind oft selbst­kri­ti­scher und unsi­che­rer als fremd­be­stimm­te Men­schen, da ihnen bewusst ist, dass sie eige­ne (und viel­leicht auch fal­sche oder unzu­rei­chen­de) Regeln selbst erschaf­fen haben. Im Ide­al­fall reflek­tie­ren selbst­be­stimm­te Men­schen ihre Zie­le, Wer­te und Nor­men ein Leben lang und blei­ben daher auch bestän­dig fähig, ihre Ver­hal­tens­ge­wohn­hei­ten zu ändern oder zu modi­fi­zie­ren. Bei fremd­be­stimm­ten Men­schen endet der Refle­xi­ons­pro­zess oft­mals schon nach dem Eta­blie­ren der vor­ge­ge­be­nen Fähig­kei­ten, die für ihre Lebens­wei­se »not­wen­dig sind«. Da es kei­nen Grund gibt, wei­ter zu hin­ter­fra­gen, wer­den die Fähig­kei­ten dann nur noch sta­bi­li­siert oder – oft bis zur völ­li­gen Igno­ranz – gegen äuße­re Stö­run­gen (wie ande­re Welt­bil­der, Gegen­ar­gu­men­te etc.), abgeschottet.

  • 2. Reflexion abstrakter Konzepte

    Bei der zwei­ten Stu­fe der Refle­xi­on wird einem Men­schen bewusst, dass Kon­zep­te wie »Wahr­heit«, »Rich­tig­keit«, reli­giö­se Heils­vor­stel­lun­gen, Ästhe­tik oder auch mora­li­sche Vor­stel­lun­gen auf von Men­schen geschaf­fe­nen – teils auch will­kür­li­chen – Kon­zep­ten beru­hen, die sich in einer Kul­tur gefes­tigt haben. Im Gegen­satz zur recht prak­ti­schen und nach außen gerich­te­ten Refle­xi­on der ers­ten Stu­fe, gelan­gen in der zwei­ten Stu­fe erst­mals auch inne­re bzw. grund­le­gen­de Wer­te, Nor­men und Regeln (wie Wahr­heit, Ästhe­tik, Prag­ma­tik, Moral etc.) in den Brenn­punkt. Der Reflek­tie­ren­de hat erkannt, dass die­se vor­ge­ge­be­nen Wis­sen­schaf­ten kul­tu­rell will­kür­lich, wider­sprüch­lich oder oft unge­nau defi­niert sind. Das bedeu­tet, dass der Reflek­tie­ren­de erkennt, Ideen wie »Wahr­heit« sind kei­ne Tat­sa­chen oder Fak­ten, son­dern ein­fach in bestimm­ter Wei­se (die auch anders mög­lich gewe­sen wäre), belegt worden.

    Man ent­deckt ver­schie­de­ne Defi­ni­tio­nen und damit auch die Opti­on, zwi­schen ver­schie­de­nen Wahr­heits­be­grif­fen wäh­len und unter­schei­den zu kön­nen. So kann auch geprüft wer­den, ob der selbst ver­wen­de­te Wahr­heits­be­griff ange­mes­sen ist oder ver­än­dert wer­den soll­te. Auf die­ser Stu­fe wird es mög­lich, sich aus dem »Bau­kas­ten« zu bedie­nen, um eige­ne Kon­zep­te krea­tiv zu gestal­ten. Dafür muss man kein Phi­lo­soph sein, denn auch im all­täg­li­chen Leben wird es Situa­tio­nen geben, wo man zu zwei­feln beginnt, ob die mora­li­schen Vor­stel­lun­gen der Eltern, Freun­de, Gesell­schaft wirk­lich rich­tig und unter­stüt­zens­wert sind. Kann man es bei­spiels­wei­se gegen­über dem eige­nen Gewis­sen ver­ant­wor­ten, wenn anders­den­ken­de Men­schen gede­mü­tigt, ver­folgt oder aus­ge­grenzt wer­den? Sol­che Erleb­nis­se kön­nen ein Aus­lö­ser sein, um die gän­gi­gen gesell­schaft­li­chen Vor­stel­lun­gen zu hin­ter­fra­gen und für sich neu zu defi­nie­ren. Nicht sel­ten wer­den dabei »Revo­luz­zer« gebo­ren und mit ihnen neue Welt­bil­der und Wer­te defi­niert. Die erfolg­reichs­ten Ver­tre­ter die­ser Refle­xi­ons­stu­fe sind die (gro­ßen) Erfin­der, Erneue­rer, Reli­gi­ons­grün­der oder ein­fluss­rei­che Phi­lo­so­phen unse­rer Geschich­te. Denn ihnen allen ist zu eigen, dass sie grund­le­gen­de Kon­zep­te infra­ge gestellt haben und neue Ant­wor­ten lie­fer­ten. Auf die­ser Stu­fe kön­nen sich selbst­be­stimm­te Men­schen aus tra­di­tio­nel­len Mus­tern befrei­en und eige­ne Wer­te gestalten.

  • 3. Selbstreflexion

    Auf der drit­ten Stu­fe der Refle­xi­on erschafft der Reflek­tie­ren­de einen zusätz­li­chen Beob­ach­ter. In den vor­he­ri­gen Stu­fen reich­te eine ein­fa­che Beob­ach­tung aus, um Kon­zep­te oder äuße­re Ereig­nis­se zu ana­ly­sie­ren, ver­ste­hen oder zu modi­fi­zie­ren. Der zusätz­li­che Beob­ach­ter beob­ach­tet hin­ge­gen den inne­ren Beob­ach­ter, d. h. er beob­ach­tet, wie er beob­ach­tet. Da die eige­nen Gedan­ken bei die­ser Refle­xi­on im Mit­tel­punkt ste­hen, nennt man dies »Selbst­re­fle­xi­on«. Das »Wie« des Beob­ach­tens der eige­nen Gedan­ken wird zum Objekt der Reflexion.

    Das Ziel die­ser Refle­xi­ons­stu­fe sind Selbst­er­kennt­nis und ein Erkun­den der Mög­lich­kei­ten der Selbst­ge­stal­tung und Selbst­er­schaf­fung. So hat ein Mensch auf die­ser Stu­fe die Mög­lich­keit, Ver­hal­tens­ge­wohn­hei­ten, Auto­ma­tis­men, unbe­wuss­te Trieb­kräf­te etc. zu erken­nen und die Wahl, sie zu reflek­tie­ren bzw. zu ver­än­dern. Typi­sche Fra­gen wären: »Wer bin ich?« – »Wel­che Ver­hal­tens- oder Denk­ge­wohn­hei­ten bestim­men mich?« – »Wie wir­ken sich emo­tio­na­le Befind­lich­kei­ten, Trie­be oder Auto­ma­tis­men auf mein Ver­hal­ten aus?« Auf die­ser Stu­fe kann der Reflek­tie­ren­de erken­nen, dass er nicht unbe­dingt »der Herr im eige­nen Haus ist«, son­dern sich sei­ne Wer­te, Ideen, Emo­tio­nen wider­spre­chen – viel­leicht sogar einen inne­ren Krieg mit­ein­an­der füh­ren. Die­se Erkennt­nis führt oft zu Unsi­cher­hei­ten, Selbst­kri­tik, Angst, wenn die psy­chi­sche Labi­li­tät, die durch bereits ver­in­ner­lich­te, inkon­sis­ten­te Kon­zep­te erzeugt wur­de, wahr­ge­nom­men wird. Erkenn­bar wird die Selbst­re­fle­xi­on, wenn man geziel­te Ver­hal­tens­än­de­run­gen an einem Men­schen bemerkt, die er auf Nach­fra­gen erklä­ren kann, angibt, war­um und wie er ein eige­nes Kon­zept oder Welt­bild anpass­te. Auch in die­ser Pha­se sind gestei­ger­te Selbst­kri­tik und Zwei­fel ver­mehrt zu beob­ach­ten, denn der »Den­ker« ist sich dar­über bewusst, dass er eine eige­ne Welt­sicht erschafft, die aus sei­nen (sub­jek­ti­ven) Schluss­fol­ge­run­gen resultiert.

  • 4. Selbstreflexionen auf der Meta-Ebene

    Die­se Stu­fe lie­fert dem Den­ken­den eine Viel­zahl von »Ein­zel­er­kennt­nis­sen« zu bestimm­ten The­men und Ver­hal­tens­wei­sen. Man könn­te sie mit vie­len klei­nen Tei­len eines Puz­zles ver­glei­chen, wel­ches in Ein­zel­tei­len (also unfer­tig) vor einem lie­gen. Was fehlt, ist das »Big Pic­tu­re«, also der Gesamt­über­blick oder das »fer­ti­ge Mosa­ik« – das Ziel (oder Bild), wor­auf das Gan­ze hin­aus­läuft. Es ist eine Fra­ge nach dem letzt­end­li­chen Sinn, oder dem Sinn des eige­nen Lebens, der zur letz­ten Stu­fe führt. Ein Her­aus­tre­ten aus einer kon­kre­ten Ein­zel­fra­ge geschieht und das über­ge­ord­ne­te Gan­ze entsteht.

    Nietz­sche hat so sei­nen Zara­thus­tra ent­wor­fen, den Men­schen, der die Mög­lich­kei­ten sei­nes Seins voll aus­schöp­fen will und damit ein neu­es Niveau erreicht, viel­leicht eine neue Evo­lu­ti­ons­stu­fe des Menschen.

  • 5. Selbstreflexionen der Selbstreflexion

    Nur sehr weni­ge Men­schen errei­chen die fünf­te Stu­fe der Selbst­re­fle­xi­on. Geht es inner­halb der vor­her­ge­hen­den Stu­fen dar­um, Erkennt­nis­se zu erhal­ten, wird in der letz­ten und höchs­ten Stu­fe erkannt, dass der Beob­ach­ter gar kein Beob­ach­ter mehr ist, son­dern ein Teil des gesam­ten mor­pho­ge­ne­ti­schen Fel­des. Ähn­lich dem des »Butterfly«-Effekts. Der Unter­schied besteht dar­in, dass die­se Stu­fe der Selbst­re­fle­xi­on dazu führt, dass der Zustand des Schöp­fers ein­ge­nom­men wird. Hier ent­steht auch ein inne­rer Zugang zu Selbst­ver­ant­wor­tung und Sicher­heit, ein Teil des Gan­zen zu sein.

DIE SPIEGELUNG
Wir spie­geln seit frü­hes­ter Kind­heit unse­re Umge­bung, und dies auf­grund von Spie­gel­neu­ro­nen. Der Mensch ist ein sozia­les Wesen, das von Geburt an eine Bin­dung zu ande­ren Men­schen benö­tigt. Ohne die­se Bezugs­per­so­nen könn­te der Mensch nicht über­le­ben. Damit die­ses Zusam­men­le­ben rei­bungs­los funk­tio­nie­ren kann, ist die Empa­thie essen­zi­ell. Ein Kon­strukt, das uns dabei hilft, Mit­ge­fühl zu emp­fin­den, sind die Spie­gel­neu­ro­nen. Spie­gel­neu­ro­nen sind bestimm­te Ner­ven­zel­len (Neu­ro­nen) im Gehirn, die akti­viert wer­den, wenn man eine Hand­lung durch­führt, sie beob­ach­tet oder auch nur über sie nach­denkt. Es sind Area­le in unse­rem Gehirn, die in glei­cher Wei­se aktiv sind, wenn wir etwas machen oder wenn wir eine Hand­lung bei jeman­dem beob­ach­ten. Durch sie erle­ben wir etwas, was jemand ande­res tut, als wür­den wir es selbst machen. Durch Spie­gel­neu­ro­nen kön­nen wir aus Beob­ach­tung ler­nen, Hand­lun­gen ande­rer vor­her­se­hen und Empa­thie erfahren.

Sie wur­den beim Men­schen erst 2010 ent­deckt und die For­schung ist hier mitt­ler­wei­le aus den Kin­der­schu­hen her­aus­ge­wach­sen. Die Spie­gel­neu­ro­nen erlau­ben uns zu erle­ben, wie es ist, eine bestimm­te Hand­lung aus­zu­füh­ren – ganz gleich, ob wir das selbst machen, es uns nur vor­stel­len oder ob wir beob­ach­ten, wie jemand ande­res es macht. Die­se Fähig­keit hat vie­le Aspek­te: Wir kön­nen uns in ande­re hin­ein­ver­set­zen, wir sehen oder hören etwas und füh­len, wie es sich ver­mut­lich anfühlt. Bekann­te Phä­no­me­ne hier­zu sind das Mit­freu­en, Ekeln, Fremd­schä­men oder ein­fach das Mit­füh­len. Indem wir uns in ande­re hin­ein­ver­set­zen, kön­nen wir auch deren nächs­te Hand­lun­gen in einem gewis­sen Rah­men vor­her­se­hen. Fest steht damit: Spie­gel­neu­ro­nen funk­tio­nie­ren unbe­wusst. Ihr anste­cken­der Effekt wirkt ohne nach­zu­den­ken. Damit bewir­ken sie haupt­säch­lich, dass wir beob­ach­te­te Gefüh­le nach­emp­fin­den kön­nen (Empa­thie), dass wir ein beob­ach­te­tes Ver­hal­ten intui­tiv nach­ah­men und dass wir, bei Sym­pa­thie, unse­re Kör­per­spra­che unbe­wusst har­mo­ni­sie­ren und nachahmen.

Ent­spre­chend wer­den Spie­gel­neu­ro­nen heu­te auch als Simu­la­ti­ons- oder Empa­thie­neu­ro­nen bezeich­net. Sie bil­den mög­li­cher­wei­se sogar das Fun­da­ment unse­res Den­kens, Mit­ge­fühls und unse­rer Spra­che. Aller­dings reagie­ren die­se nur, wenn das beob­ach­te­te Ver­hal­ten uns selbst bekannt ist oder zum eige­nen Reper­toire gehört. Wir müs­sen, damit die emo­tio­na­le Anste­ckung gelingt, auf Vor­er­fah­run­gen zurück­grei­fen kön­nen: Auf den Spiegel.

Der Arti­kel ist in der Print-Aus­ga­be 3.22 REFLECTION erschienen.

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Er ist Speaker, Coach und Autor. Mit seinem Mindflow-System und seinen Trainings- und Handlungstools von „I LOVE STRESS“ hat er in den letzten 25 Jahren schon mit zahlreichen Menschen in Seminaren, Workshops und individuellen Coachings gearbeitet, unter anderem mit bekannten Persönlichkeiten, Top-Manager*innen und spirituellen Größen wie Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama.

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