Anja Es: Schuhe, Schuhe, Schuhe…

Künstlerin und Kolumnistin Anja Es im Interview

BEREITS IM TEENAGER-ALTER EINEN EIGENEN FASHION-STYLE FÜR SICH ZU KREIEREN UND DEN LEBENSLANG KONSEQUENT DURCHZUSETZEN IST FÜR EINE FASHIONISTA EINE HERAUSFORDERUNG.

Die über 40 Jah­re wech­seln­den Moden, Styl­es und Trends in die eige­ne Idee von Mode ein­flie­ßen zu las­sen und dabei ein­zig­ar­tig zu blei­ben scheint ange­sichts der geball­ten Krea­ti­vi­tät tau­sen­der von Desi­gnern und mode­ver­rück­ter Indi­vi­dua­lis­ten schwer. Dabei immer die Kunst im Auge zu behal­ten ist unse­rer Kolum­nis­tin Anja Es gelun­gen. Art-Cou­ture-Künst­le­rin Ines Wie­se hat sie interviewt.

Anja Es

Man erkennt Dich sofort, ohne Dir ins Gesicht zu schau­en. So einen Wie­der­erken­nungs­wert hät­te sicher jeder Desi­gner gern in Bezug auf sei­ne Krea­tio­nen. Wie hast du das geschafft?

Wie vie­le gute Ideen war auch die­se eigent­lich sehr ein­fach. Ich tra­ge zwei ver­schie­den­far­bi­ge Schu­he und zwar immer.

Wie und wann kam dir die Idee?

Ich war fünf­zehn und hat­te mein Lehr­geld für ein paar Turn­schu­he gespart. Sie waren rot und ich lieb­te sie sehr. Als sie ihre bes­ten Tage hin­ter sich hat­ten woll­te ich die glei­chen eigent­lich noch­mal kau­fen – aller­dings gab es sie nur noch in Blau und auch die waren nach eini­ger Zeit ganz schön lädiert. Der lin­ke von den Roten und der Rech­te von den Blau­en waren aber noch eini­ger­ma­ßen in Schuss und ich dach­te „war­um nicht?!“ Die Reak­ti­on mei­ner Umge­bung war über­ra­schend stark und eigent­lich durch­weg posi­tiv. Das lös­te ein Lächeln aus und ich war plötz­lich jemand Beson­de­res; ich wur­de in unse­rer Klein­stadt über­all erkannt. Ich war „die mit den Schu­hen“ und das war in einer Zeit der Iden­ti­täts­fin­dung echt hilfreich.

Bist du wirk­lich all die Jah­re kon­se­quent dabei geblieben?

In dem Moment in dem ich mit die­sem klei­nen Spleen iden­ti­fi­ziert wor­den bin gab es eigent­lich kein Zurück. Wenn ich damals mal mit zwei Glei­chen raus gegan­gen bin, wur­de ich sofort dar­auf ange­spro­chen. Die Leu­te waren irgend­wie ent­täuscht. Also habe ich in den nach­fol­gen­den Jah­ren aus­schließ­lich Schu­he im Dop­pel­pack gekauft. – Ist erst mal teu­er, aber sie hal­ten eben auch dop­pelt so lange.

Wie hat sich das auf dei­nen Fashion­s­tyle ins­ge­samt ausgewirkt?

Sehr. Die Schu­he ste­hen im Fokus der Wahr­neh­mung, dage­gen kann man über­haupt nichts machen. Dazu braucht es einen schlich­ten Klei­dungs­stil, der farb­lich zu hun­dert Pro­zent mit den Schu­hen kor­re­spon­diert, sonst sieht man aus wie ein Kas­per. Häu­fig tra­ge ich nur zwei ver­schie­de­ne Far­ben; evtl. noch eine drit­te. Ich mag Pen­cil-dres­ses im Stil der 50er, Hosen und Ober­tei­le ohne Schnick­schnack, kör­per­nah aber edel. Eine gewis­se Stren­ge in der Schnitt­füh­rung gefällt mir und ich habe eine Schwä­che für schwarz. Letz­te­res hängt viel­leicht mit mei­ner Arbeit als Gale­ris­tin zusam­men; da lacht das Kli­schee – aber ganz sicher auch damit, dass vie­le Schu­he in irgend­ei­ner Far­be und dazu noch in Schwarz zu haben sind.

Wie lan­ge brauchst du, um dich mor­gens anzuziehen?
sagen?

Kommt drauf an, was der Tag for­dert. Ich begin­ne aber immer mit den Schu­hen. Wenn ich viel ste­hen und lau­fen muss, sind die High-Heels schon mal gestri­chen. Die Jah­res­zei­ten spie­len natür­lich auch eine Rol­le und da redu­ziert sich die Aus­wahl schon. Wenn ich ein Paar aus­ge­sucht habe geht´s an den Klei­der­schrank, in der Hoff­nung, dass da irgend­was hängt, was ich zu den Schu­hen kom­bi­nie­ren kann. Kann schon mal zwan­zig Minu­ten dau­ern, beson­ders weil das auch für Man­tel und Tasche gilt.

Wirst du oft auf dei­ne Schu­he angesprochen?

Aller­dings. In der Gale­rie ist das oft das Ers­te, was bemerkt und kom­men­tiert wird, was in Anbe­tracht der Kunst, die bei mir hängt, manch­mal nervt. Aber es ist immer ein guter Anlass, um ins Gespräch zu kom­men. Es gibt von Leu­ten, die mich aus den Medi­en ken­nen aber auch der Kon­troll­blick und dann ein „Siehs­te, sag´ ich doch!“ Auf der Stra­ße begeg­ne ich über­rasch­ten und eigent­lich immer posi­ti­ven Gesich­tern. Ich bin aber auch schon dis­kret dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den dass ich… äääh…zwei ver­schie­de­ne Schu­he tra­ge. Sehr lustig!

Gibt es eine Phi­lo­so­phie hin­ter dei­nem Schuh-Prinzip?

Anfangs sicher nicht aber par­al­lel zu mei­ner Iden­ti­fi­zie­rung mit der Kunst habe ich mich mit dem The­ma aus­ein­an­der­ge­setzt. Als Künst­le­rin fragt man ja immer: War­um – nicht? und trai­niert das Anders-den­ken. Das Hin­ter­fra­gen von Dog­men oder auch nur Gewohn­hei­ten führt ja zur Krea­ti­vi­tät und es gilt, in Allem das Poten­ti­al zur Kunst zu sehen. Das ist kei­ne Phi­lo­so­phie aber es ist ein klei­ner Anstoß, mal zu hin­ter­fra­gen, ob man Gege­ben­hei­ten als Gege­ben neh­men muss. Ein Sou­ve­rä­ner Geist zeigt sich auch in einem sou­ve­rä­nen Geschmack. Viel­leicht drückt sich dar­in mei­ne Lust am Wider­spruch aus. Es darf eben nicht nur bei sol­chen sti­lis­ti­schen Nuan­cen blei­ben. Form und Inhalt machen die Kunst.

Wirst du mit dei­ner Idee manch­mal kopiert oder hast du da ein Alleinstellungsmerkmal?

Ich ken­ne nie­man­den, der das in die­ser Kon­se­quenz nach­macht. Es gibt immer wie­der Frau­en, die inspi­riert sind und dann ankün­di­gen: Das mache ich jetzt auch! Aber es braucht schon wirk­lich vie­le Schu­he, um das hin­zu­krie­gen, es braucht die ent­spre­chen­de Per­sön­lich­keit, um authen­tisch zu sein und vor allem: Hal­tung. Wie immer.

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Aus ihrer expressiven Malerei kreiert die Hamburger Künstler- und Modedesigerin Ines Wiese unikate farbenprächtige Mode auf edler Seide. Ihr faszinierendes Konzept 'Vom Pinselstrich zur ART Couture' ist von Individualität und großer Leidenschaft geprägt. Ob auf der Leinwand odernals Kern ihrer unverwechselbaren Modelinie - diese Farbsymphonien sind Ausdruck ihrer Passion für das Besondere. Präsentation in Galerien & zahlreichen Messen im In- und Ausland.

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