Entrepreneur: Ingemar Gatterer

Schlossherr einer neuen Generation

Das baro­cke Schloss Ehren­burg mit sei­nen roma­ni­schen Wur­zeln wur­de im 12. Jahr­hun­dert im gleich­na­mi­gen Ort Ehren­burg im Pus­ter­tal / Süd­ti­rol erbaut. Schloss Ehren­burg war das länd­li­che Wohn­schloss der Her­ren von Ehren­burg, die spä­te­ren Gra­fen von Künigl. Sie wur­den erst­mals 1198 erwähnt. Sebas­ti­an Johann Georg Graf von Künigl zu Ehren­burg war, wie bereits sein Vater vor ihm, von 1695 bis 1739 Lan­des­haupt­mann und kai­ser­li­cher Gou­ver­neur von Tirol. Sein Bru­der, Kas­par Ignaz Graf von Künigl zu Ehren­burg, war Fürst­bi­schof des Bis­tums Bri­xen und hat­te von 1702 bis 1747 die längs­te bekann­te Amts­zeit aller dor­ti­gen Bischö­fe. Die Gra­fen Künigl ver­ein­ten zu Beginn des 18. Jahr­hun­derts die geist­li­che und welt­li­che Macht in Tirol, was die­sem Adels­ge­schlecht bes­te Bezie­hun­gen zum dama­li­gen Hoch­adel ermög­lich­te. Aus die­ser Zeit stam­men auch sehr vie­le archi­tek­to­ni­sche Beson­der­hei­ten, sowie Kunst- und Lite­ra­tur­schät­ze, die heu­te auf der Renais­sance­an­la­ge zu bewun­dern sind. Im Jahr 2010 wur­de Schloss Ehren­burg nach über 800 Jah­ren Besit­zer­kon­ti­nui­tät von der Fami­lie Künigl verkauft.

EIN KULTURELLES ERBE ERWACHT AUS DEM DORNRÖSCHENSCHLAF

Der neue Schloss­herr ist Inge­mar Gat­te­rer, ein ange­se­he­ner Unter­neh­mer aus dem Pus­ter­tal, der uns auf Schloss Ehren­burg emp­fängt. Er führt uns durch die 65 ein­drucks­vol­len Räum­lich­kei­ten des Schlos­ses und zeigt sei­ne pri­va­te, geschichts­träch­ti­ge Samm­lung, die weit über 200 ein­ma­li­ge Kunst­schät­ze, 1400 Bücher, sowie zahl­rei­che Urkun­den und Brie­fe birgt. Schon beim Betre­ten des Schloss­gar­tens und des präch­ti­gen Arka­den­hofs mit sei­nen Gra­nit­säu­len und fili­gra­nen Kapi­tel­len wird uns bewusst, welch – damals noch unge­schlif­fe­nes – Juwel sich Gat­te­rer hier zu eigen gemacht hat und mit wie viel Lie­be zum Detail und Sinn für Ästhe­tik er die Anla­ge reno­viert hat. Wäh­rend sei­ner Füh­rung durch die peni­bel gepfleg­ten Prunk­räu­me und den Audi­enz­saal des Fürst­bi­schofs begrei­fen wir, wie viel Tiro­ler Geschich­te in die­sen herr­schaft­li­chen Mau­ern steckt. Sei­ne Lei­den­schaft und Begeis­te­rung zu Kunst und Geschich­te und jene zu erfor­schen, was hin­ter jedem ein­zel­nen Stück der Samm­lung steckt, springt durch sei­ne leben­di­gen Erzäh­lun­gen förm­lich auf uns über. Damals, als er Schloss Ehren­burg kauft, weiß Gat­te­rer noch nicht, was ihn im Ein­zel­nen erwar­tet, denn die Samm­lung befand sich in einem Dorn­rös­chen­schlaf. Gemein­sam mit Kunst­his­to­ri­kern, Exper­ten und Wis­sen­schaft­lern beginnt er, ein Archiv anzu­le­gen und alle Urkun­den, Bücher, Gemäl­de, Brie­fe und Möbel zuzu­ord­nen und Schritt für Schritt zu restau­rie­ren. Hier, so meint er, lie­ge noch eini­ges an Arbeit vor ihm und sei­nem Team, da vie­le Gemäl­de noch nicht einem Künst­ler zuge­schrie­ben wer­den konn­ten. Es steht jedoch fest, dass so eini­ge Muse­en ihn um die­sen Schatz benei­den: Gemäl­de von den deut­schen Malern Anton Rapha­el Mengs (1728 – 1779) und Bern­hard Str­igel (um 1460–1528), vom flä­mi­schen Maler Jacob Jor­daens (1593 – 1678), dem kai­ser­li­chen Hof­ma­ler Mar­tin van Mey­tens (1695 – 1770), sowie vom Gen­re- und His­to­ri­en­ma­ler Franz Defr­eg­ger (1835 – 1921) und der schwei­ze­risch-öster­rei­chi­schen Male­rin Ange­li­ka Kauff­mann (1741 – 1807); ori­gi­na­le Land­kar­ten vom Kar­to­gra­fen Peter Anich (1723 – 1766), von Kai­ser Wil­helm II. signier­te Bil­der, sowie Brie­fe von Andre­as Hofer.

Heu­te, in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung, sehe ich es als mei­ne Auf­ga­be die Kul­tur und Wer­te des eige­nen Lan­des zu ver­tre­ten und dafür einzustehen. 

Durch die auf­wen­di­ge Archi­vie­rung und Restau­rie­rung die­ser geschichts­träch­ti­gen Samm­lung erar­bei­tet Inge­mar Gat­te­rer mit pri­va­ten Res­sour­cen ein kul­tu­rel­les Erbe für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen. Die­se Tat­sa­che weckt unser Inter­es­se, mehr über sei­ne ganz per­sön­li­chen Beweg­grün­de für die­ses Vor­ha­ben zu erfahren.

MEHR ALS EIN UNTERNEHMER IM KLASSISCHEN SINNE

Gat­te­rer stu­dier­te Poli­tik- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten und bekam sei­ne Lei­den­schaft fürs Unter­neh­mer­tum in die Wie­ge gelegt. Als Auto­un­ter­neh­mer mit zahl­rei­chen Betei­li­gun­gen hat er mit sei­nen 40 Jah­ren eine beacht­li­che Kar­rie­re zurück­ge­legt. Was ihn anspornt ist nicht DIE eine Visi­on, son­dern der Pro­zess sich immer wie­der auf neu­es Ter­rain zu bewe­gen, neue Märk­te zu erschlie­ßen, um Wachs­tum zu för­dern und damit sein Unter­neh­men für die Zukunft zu sichern. Er ver­kör­pert mehr als einen Unter­neh­mer im klas­si­schen Sin­ne. Der Begriff Entre­pre­neur, der eine beson­de­re Geis­tes­hal­tung beinhal­tet, die hilft, außer­ge­wöhn­lich gut mit Unsi­cher­heit und Risi­ken umzu­ge­hen und die Fähig­keit sein Unter­neh­men nach­hal­tig auf meh­re­ren Ebe­nen zum Erfolg zu füh­ren, trifft auf Inge­mar Gat­te­rer wesent­lich bes­ser zu. Kla­re Zie­le zu haben ist für Gat­te­rer, als ein im Zei­chen des Stein­bocks Gebo­re­ner, essen­zi­ell. Mit fun­dier­tem Wis­sen will er nicht nur Unter­neh­mer, son­dern vor allem auch Gestal­ter sein. Das poli­ti­sche Enga­ge­ment, von dem er lan­ge Zeit sehr ange­tan war, hat er vor­über­ge­hend auf Eis gelegt. Er selbst fin­det, dass die poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen in Süd­ti­rol opti­ma­ler sein könn­ten, nicht nur wirt­schaft­lich, son­dern auch kul­tu­rell und gesell­schaft­lich. Als Chan­ce für die Zukunft sieht der Entre­pre­neur ein weit­ge­hend unab­hän­gi­ge­res Han­deln Süd­ti­rols von Ita­li­en mit sinn­vol­le­rer Büro­kra­tie und einem sys­te­ma­ti­sche­ren Steu­er­sys­tem. Die Tiro­ler Geschich­te ist für Gat­te­rer von Kin­des­bei­nen an eine Herzensangelegenheit.

Den Tiro­ler an sich beschreibt er als ehr­lich, arbeits­wil­lig, sei­nem Land gegen­über treu und bereit, die­se Wer­te nach außen hin zu ver­tre­ten, um etwas zu bewe­gen. Als Gat­te­rer selbst in der Grund­schu­le mehr zur Geschich­te Tirols und zum Frei­heits­kämp­fer Andre­as Hofer erfah­ren hat, war er begeis­tert davon, wie die Men­schen damals für ihre Idea­le ein­ge­stan­den sind, wie wich­tig ihnen der Schutz der Hei­mat und der Schutz des eige­nen Vol­kes waren. Heu­te, in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung, sieht Gat­te­rer es als Auf­ga­be eines ver­ant­wor­tungs­vol­len Unter­neh­mers, die Kul­tur und Wer­te des eige­nen Lan­des zu ver­tre­ten und dafür ein­zu­ste­hen. Mit dem Kauf von Schloss Ehren­burg hat sich der Süd­ti­ro­ler einen Kind­heits­traum erfüllt und zugleich eine idea­le Wert­an­la­ge gefun­den. Dass Schloss Ehren­burg eine Kunst­samm­lung birgt, trug wesent­lich zur Kauf­ent­schei­dung bei, aber auch die Tat­sa­che, dass Gat­te­rer selbst sich in den Schloss­mau­ern wohl fühlt und hier sei­ne Lei­den­schaft für Kunst und Geschich­te aus­le­ben kann. Er inter­es­siert sich vor­wie­gend für Kunst aus ver­gan­ge­nen Epo­chen, denn zeit­ge­nös­si­sche Kunst reizt ihn weni­ger. Die Fas­zi­na­ti­on an einem Kunst­werk sieht er in der detail­ge­treu­en Dar­stel­lung und im nach­voll­zieh­ba­ren Mehr­wert durch das wesent­li­che Schaf­fen eines Künst­lers. Beim Ankauf neu­er Wer­ke ver­lässt sich Gat­te­rer ger­ne auf sei­nen eige­nen Instinkt, da er sich mitt­ler­wei­le selbst Fach­wis­sen ange­eig­net hat. Somit erwei­tert er sei­ne bestehen­de Samm­lung lau­fend nach höchs­ten Qua­li­täts­stan­dards. Er hegt Inter­es­se an Gemäl­den von Rubens und Cana­let­to, wobei es vor­der­grün­dig nicht um den Preis, son­dern viel mehr um die Qua­li­tät und die ein­wand­freie Exper­ti­se des Kunst­werks geht.

DIE GIER NACH WACHSTUM BEDINGT DEN ERFOLG DER NEUEN GENERATION

Inge­mar Gat­te­rer hat bis­her min­des­tens 12 Unter­neh­men gekauft. Bei den Kauf­ver­hand­lun­gen ist für ihn die Mei­nung Drit­ter nicht aus­schlag­ge­bend und auch nicht, wie sein Gegen­über denkt. Er kon­zen­triert sich dar­auf, sei­ne eige­nen Vor­stel­lun­gen prä­gnant zum Aus­druck zu brin­gen und sein Ziel zu errei­chen. Den Süd­ti­ro­ler Jung­un­ter­neh­mern rät Gat­te­rer auf Basis sei­ner Erfah­run­gen, nicht zu ver­ler­nen „gie­rig zu sein, denn eine Erb­ge­sell­schaft kann sich leicht dazu ver­lei­ten las­sen, sich auf den Lor­bee­ren vor­he­ri­ger Gene­ra­tio­nen aus­zu­ru­hen.“ Damit wür­de Süd­ti­rol inter­na­tio­nal den Anschluss ver­lie­ren und das darf nicht pas­sie­ren. Der Entre­pre­neur Inge­mar Gat­te­rer möch­te über die Gren­zen hin­aus ein Vor­bild für die jun­ge Unter­neh­mer­ge­ne­ra­ti­on sein. Sein mehr­di­men­sio­na­les Wir­ken und akti­ves Gestal­ten offen­bart sei­nen Mut „groß“ zu den­ken, um Erfolg zu haben.

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Der Arti­kel ist in der Print-Aus­ga­be des Maga­zins im Juli 2015 erschienen

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