Ein flüchtiger Rundgang durch den neuen Skulpturengarten der Galerie Kandlhofer in Klosterneuburg.
Es war der allererste Skulpturengarten in Niederösterreich überhaupt − und nach dem großen Erfolg im letzten Jahr folgt nun die Fortsetzung: Erneut präsentiert die Galerie Kandlhofer eine hochkarätige Ausstellung von Skulpturen verschiedenster internationaler Künstlerinnen und Künstler in Klosterneuburg. Dabei sollen vor allem erstere im Zentrum stehen, da es der Galerie besonders wichtig ist, den Fokus auf junge oder sich gerade etablierende Künstlerinnen zu lenken. Gerade im Bereich von Bildhauerei und Skulptur sind diese noch immer unterrepräsentiert − im Skulpturengarten von Klosterneuburg bilden Frauen die Mehrheit. Als Künstlerinnen.
Alicja Kwades Parallelwelten
In einer großzügigen Parkanlage mit 4.000 m² Ausstellungsfläche sind Open-air-Werke von insgesamt 23 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Eine der prominentesten Teilnehmerinnen ist zweifellos die ursprünglich aus Polen stammende Alicja Kwade, ein Star der globalen Kunstszene. Angesichts ihrer faszinierenden Arbeit Multi-Teller öffnen sich dem Betrachter gleichsam Paralleluniversen. Wer lang genug durch die leeren, spiegelblanken Stahlröhren blickt, den beschleicht tatsächlich eine Ahnung davon, wie überhaupt auch nur irgendetwas aus dem totalen Nichts entstehen kann. Zudem tun sich höchst unterschiedliche Perspektiven auf; abhängig vom Standort verändert sich naturgemäß der Blickwinkel. Irgendwann geht der Bezug zur unmittelbaren Umgebung verloren. Die Entfernung zur Welt jenseits der Röhre ist nicht mehr greifbar, der eigene Platz in dieser Welt nicht mehr lokalisierbar. Gleich einer Vielzahl an Parallelwelten sind überdies blau leuchtende Macauba-Kugeln rund um die Skulptur platziert − es scheint beinahe, als hätte diese Weltschöpfungsmaschine sie soeben ausgespuckt.
Skulptur und Gender bei Maruša Sagadin
Die ehemalige slowenische Profi-Skifahrerin und Basketballerin Maruša Sagadin erforscht in ihrer künstlerischen Praxis das Zusammenspiel zwischen Gender, Sprache und Skulptur der modernen Architektur. Ihre Installationen und Objekte laden die Besucherinnen und Besucher immer wieder zur aktiven Partizipation ein. Die Werke fordern einen förmlich zum Teilnehmen und Mitmachen heraus. Das Gender-Thema betreffend, spielt für Sagadin in ihren Arbeiten vor allem die Sichtbarkeit eine bedeutende Rolle, was sie im Gespräch mit Alexandra-Maria Toth genauer erläuterte:
„Bildhauerei stellt bereits eine Form des Sichtbarmachens dar, und dadurch, dass ich Inhalte, Bilder und Konzepte in Objekte und haptisches Material transformiere, um daraus einen „Remix“ zu erzeugen, zeige ich bereits etwas, das nicht übersehen werden kann und seinen Platz beansprucht. Bei meinen Referenzen suche ich ganz bewusst nach Inhalten, die mit dem „Mainstream“ brechen oder den „Mainstream“ in einem anderen Licht zeigen. In meiner Ausstellung Extra Extra Elle (Neue Galerie, Innsbruck) fragt man sich, ob eine Prominenz und allgegenwärtig präsente Persönlichkeit wie Zaha Hadid, der ich einen Fokus zugestehe, zusätzliche Bühne brauchte. Wahrscheinlich nicht, aber man muss auch immer wieder betonen, dass sie bis dato die einzige weibliche Pritzker-Preisträgerin war. Es ist nicht per se gesagt, dass Arbeiten über und von Zaha Hadid „queer“ sind, aber man kann mit ihr als Beispiel trotzdem viele Unstimmigkeiten und Widersprüche aufzeigen. Die ständige Suche nach neuen Theorien und Ansätzen ist ein enormer Ansporn. Und da werde ich oft in der jüngeren Generation fündig oder bei meinen geschätzten Kolleginnen wie Cäcilia Brown, Toni Schmale, Stefanie Seibold, Gabriele Edlbauer, um nur einige zu nennen.“
Eine Arbeit der Französin Cäcilia Brown kann auch im Skulpturengarten entdeckt werden und mit Sagadins Werk korrespondieren.
Melanie Ender und die Unendlichkeit
Zur aufstrebenden Generation junger Bildhauerinnen, die sich schon einen Namen gemacht haben, zählt die Wienerin Melanie Ender. In der Ausstellung zeigt sie eine Skulpturengruppe aus Messing, Kupfer und pigmentiertem Beton. Wenn man Ender fragt, warum sie Skulpturen mache, wieso ausgerechnet diese ihr künstlerisches Medium seien, wird sie beinahe philosophisch: „Skulptur ist Körper“, sagt sie, „der einem gegenübersteht, ‑liegt, ‑lehnt, ‑hängt… Skulptur ist für mich auch immer der Raum, der die Form umgibt, also die Negativform der Skulptur innerhalb des jeweiligen Raums. Ein Körper, der Raum einnimmt und zugleich einen neuen Raum eröffnet, immer in Beziehung zur Betrachterin. Das Verhältnis dieser Variablen zueinander ist ständig in Bewegung.“
Die einzige Konstante ist − die Veränderung. Eine gelungene Skulptur sei für sie etwa dann erreicht, „wenn in Material und Form ein Rhythmus zwischen Fragilität, Gewicht, Volumen und Leere spürbar ist, der auch gebrochen wird. Wenn Pausen entstehen, wenn Formen offen bleiben.“
Die Künstlerin findet es spannend, für die Ausstellung ihre Arbeit „in einen wandlosen Außenraum zu denken, der in dem Sinn keine klaren Begrenzungen hat. Die Form einer Linie“, ergänzt Ender, könnte auf diese Weise „ins Unendliche weitergedacht werden.“
Wer ist noch dabei?
Fast ins Unendliche reicht auch die beeindruckende Liste der am Skulpturengarten beteiligten Künstlerinnen und Künstler: Von Karl Karner, der Bronze- und Aluminiumskulpturen von mystischer und beängstigender Schönheit schafft und sich immer wieder mit dem (menschlichen) Körper und dessen Wahrnehmung auseinandersetzt, bis hin zum Australier Jonny Niesche, der in seinen interaktiv angelegten Arbeiten die schwankende Natur der Perzeption und die einzigartige Art und Weise, wie wir Raum erleben und wahrnehmen, auslotet. Koryphäen wie Brigitte Kowanz, die zur Biennale in Venedig 2017 einen autonomen österreichischen Beitrag einbrachte und dort eine spektakuläre Lichtarbeit präsentierte, und Hans Kupelwieser sind ebenso vertreten wie Rory Menage, Alina Kunitsyna und Jay Gard. Darüber hinaus können die Besucherinnen und Besucher bei ihrem Rundgang durch den künstlerisch belebten Garten Arbeiten von Julian Khol, Sophie Gogl, Amy Stephens, Marie Munk, Thomas Baumann, Grear Patterson, GT Pellizzi, Sofia Goscinski, Adeline de Monseignat, Clemens Hollerer, Nana Mandl und Anne Schneider entdecken.
Begleitprogramm
Begleitend zur Skulpturen-Ausstellung werden dem Publikum kostenlose Führungen, Konzerte, Performances und VIP-Events geboten. Das sorgfältig kuratierte Programm zieht die heimische Kunst- und Kulturszene ebenso an wie kunstbegeisterte Besucherinnen und Besucher und internationale Sammlerinnen und Sammler. Der Faktor Kontinuität erscheint dafür unabdingbar, weshalb es sich bei dem Skulpturengarten um ein jährlich stattfindendes Kunstprojekt handelt, welches auf langfristige starke Kooperationen setzt. Als Partner ist dieses Jahr das erste Mal die Kathrein Privatbank dabei.
Der Skulpturengarten soll nicht zuletzt auch ein Ort für junge Freundinnen und Freunde der Kunst sein. Die Galerie Kandlhofer wird ein speziell auf Schülerinnen und Schüler zugeschnittenes Kulturvermittlungsprogramm sowie eine Rallye durch den Park für Kindergartenkinder anbieten. Dies kann sowohl von privaten Gruppen als auch von Schulen bzw. öffentlichen Einrichtungen nach vorheriger Absprache in Anspruch genommen werden.
Der Skulpturengarten ist noch bis zum 27. Oktober zu sehen.
Galerie Kandlhofer | Sculpture Garden
Kirchmayergasse 40
3400 Klosterneuburg
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 11−17 Uhr oder nach Vereinbarung:
+43 1 5031167 oder info@kandlhofer.com
www.kandlhofer.com