Dimitar Dradi
Dimitar Dradi ist ein aufgehender Stern am Himmel der Haute Couture made in Italy und einer der vielversprechendsten jungen Designer weltweit. Dimi, wie ihn nur seine Freunde nennen dürfen, entdeckte die Welt der Mode als Ausweg aus einer schwierigen Kindheit. Wie es bei richtigen Künstlern so oft vorkommt, wurde aus Schmerz mit der Zeit Muse. Leid, Introspektion und eine Faszination für große Kunst mit starken mystischen und symbolischen Elementen fließen in der Stilsuche Dimitars zusammen. Wie auch in der Malerei oder Bildhauerei sind Stoff, Muster, Komposition und Motiv die künstlerischen Grundelemente seiner Kreationen. Es sind Werke, in denen die Kunst sich die Mittel des Modedesigners zunutze macht und das Verweben und Zusammenfügen selbst zum Motiv wird – ähnlich wie in einigen großen Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers Jannis Kounellis, den Dradi besonders schätzt. Die jüngste Kollektion des jungen Modedesigners besteht aus etwa 20 außerordentlich kleidsamen Modellen (Dradi will Stücke kreieren, die zu jeder Frau passen), wurde kürzlich an der Milano Fashion Week präsentiert und gehörig gefeiert – ein Erfolg, der nur für jene unerwartet kam, die Dradis Arbeiten noch nicht kannten.
Auch in seinem neuen Werk Pheromone ist die für Dradis Schaffen typische Suche nach dem Außergewöhnlichen klar erkennbar. Das mit Angst assoziierte kulturelle Substrat wird in Kleidungsstücke verwandelt – oder besser noch: sublimiert. Entomophobie (Angst vor Insekten, Anm. d. Verf.) wird zur Inspiration für eine Kollektion, die im Vergleich zum mittlerweile standardisierten, zuweilen abgeflachten internationalen Panorama durch ihre Frische und neuen Elemente besticht.
Die Entscheidung, sich an beängstigenden Kreaturen zu orientieren, die eher einem Traum als der Wirklichkeit zu entspringen scheinen, ist ein weiterer unterbewusster Hinweis auf Dradis Vergangenheitsbewältigung und seine Suche nach der endgültigen Ausdrucksform. Frei interpretiert könnte es auch der Versuch sein, aufzuzeigen, dass aus dem anscheinend Hässlichen letztlich Schönes entstehen kann. Durch diese Interpretation des Tabus des Abstoßenden will der Designer Betrachtern und Kundinnen dabei helfen, ihre Oberflächlichkeit und die Angst vor dem Andersartigen zu überwinden – eine Entwicklung des Selbst, die es gegebenenfalls auch mit Nachdruck zu vermeiden gilt, und die der Designer in seinem kreativen Schaffen angeht.
Ein Modedesigner und Künstler auf der ständigen Suche nach dem Aussgerwöhnlichen.
2019 präsentiert Dradi eine moderne, mutige und stolze Frau, die auch im Arbeitsalltag nicht auf Farbe verzichtet. Die Stücke werden mit Stolz und im Wissen um ihr Geheimnis getragen und zeigen, dass die moderne, selbstbewusste Frau ihre Ängste überwinden kann. Unmittelbar nach der Präsentation war das Interesse der Medien und der Käufer so groß, dass Dimitar seine Kollektion nun auch international bei Modeevents und Performances außerhalb Italiens vorstellt. Sieht man Dradi bei der Arbeit im Atelier zu, drängt sich eine Frage auf: Ist er nun ein Modedesigner oder ein Künstler? Der zukünftige Protagonist der internationalen Modeszene begeht den schmalen Grat zwischen den beiden Welten gekonnt: Er passt in keine Schublade. Wenn Kunst als ästhetischer Ausdruck des Seelenlebens eines Menschen definiert wird, so eröffnet uns Dimitar einerseits Abgründe des Schmerzes und zeigt uns andererseits das Nonplusultra der Schönheit. Diese Gegensätze prallen in einem gewaltigen Kampf aufeinander, wobei das kreative Chaos aber letztendlich zur Harmonie wird, in der die Ängste und Alpträume des Künstlers die Schönheit der Frau, die seine Kreationen trägt, inszenieren und zur Geltung bringen.
Der Philosoph und Soziologe Marshall McLuhan sagte Das Medium ist die Botschaft und unterstrich damit, dass sich jede Sprache mit der Botschaft selbst überlagert. Dradi vermittelt seine leidvolle Vergangenheit und verarbeitet sie durch die Ausdrucksmechanismen einer Art von Mode, die weniger die menschliche Nacktheit verdeckt, als vielmehr Harmonie zwischen Kleidungsstück und Trägerin erzeugt und das ursprüngliche Wesen der Person definiert. Dieses Bild umschreibt wohl am besten die Fähigkeit des Künstlers: Seine Stücke geben Einblick in die Tiefe der menschlichen Seele. Eine Natur aus Licht und Schatten, Schönheit und Hässlichkeit, Macht und Schwäche – wie der Mensch sich in diesem enormen Konflikt definiert, so unterstreicht der Designer diese Besonderheiten und schneidert sie mit unglaublichem Geschick auf den weiblichen Leib zu.
Mode ist für Dradi ein Erfahrungsmittel im Kontakt mit der Welt. Wer seine Stücke trägt, vereint sich emotional mit dem Künstler und wahrt gleichzeitig die eigene Intimität. Das Ergebnis ist ein erhöhtes Selbstbewusstsein, das jedes Kleidungsstück seiner Trägerin schenkt. In einer Zeit, in der Geschwindigkeit alles bestimmt, von jeder Erfahrung bis hin zur Kommunikation in ebenso plötzlich auftauchenden wie verschwindenden Frames, ist Mode vielleicht eine der letzten langlebigen Ausdrucksformen. Daraus lässt sich erahnen, dass Dimitars Erfolg nicht von ungefähr kommt. Wer seine Stücke als Kunst bezeichnet, übertreibt nicht, sondern zollt einem Werk Anerkennung, das viel mehr ist als nur Mode allein. Jeder Mensch sucht seinen Platz in der Welt. Das Zugehörigkeitsgefühl gilt als ein Grundbedürfnis des Menschen. Kunst versöhnt uns mit einer (inneren oder äußeren) Natur, die uns – wie alles Unbekannte – möglicherweise Angst macht oder beeindruckt, die es aber mit etwas Zeit und gutem Willen zu erkunden gilt. Sich den eigenen Dämonen zu stellen ist nie einfach… Dimitar Dradi ist sich dessen bewusst – wer sich für seine Stücke entscheidet, weiß, worauf er sich einlässt. Es war ein Vergnügen, seine Kreationen kennenlernen und berühren und einem wahren Künstler der Mode, einem Entdecker des Außergewöhnlichen und Staunenswerten, bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Dradi wird mit Sicherheit von sich reden machen – nicht nur als Designer und Künstler, sondern auch als Mensch.