Stein-Reich

Mineralien-Sammlung der Erzabtei St. Peter in Salzburg

Von der Lust des Sam­melns, dem trau­ri­gen Ver­ges­sen­sein und dem freu­di­gen Wie­der­ent­de­cken: die Mine­ra­li­en-Samm­lung der Erz­ab­tei in St. Peter in Salz­burg. Jahr­zehn­te­lang war eine der bedeu­tends­ten Mine­ra­li­en­samm­lun­gen Öster­reichs in einem Ver­bin­dungs­gang des Klos­ters St. Peter mit der Salz­bur­ger Resi­denz hin­ter zwei ver­na­gel­ten Bret­ter­wän­den ver­bor­gen. Erst anläss­lich der Vor­be­rei­tung zur Salz­bur­ger Lan­des-Aus­stel­lung in den Acht­zi­ger­jah­ren erin­ner­te man sich ihrer. Der Patro­nanz des dama­li­gen Samm­lungs­ver­wal­ters des Stif­tes und jet­zi­gen Erz­ab­tes Kor­bi­ni­an Birn­ba­cher ist es zu ver­dan­ken, dass die Samm­lung heu­te wie­der prä­sen­tiert wer­den kann.

Seit Beginn des Mönchs­tums tra­gen gelehr­te Mön­che wesent­lich zu Bil­dung, Wis­sens­stand und Kul­tur bei. Das im Jahr 696 von Rupert, Bischof von Worms, auf den Rui­nen des römi­schen Juva­vum gegrün­de­te Bene­dik­ti­ner­klos­ter St. Peter ist das ältes­te Klos­ter im deut­schen Sprach­raum mit durch­ge­hen­der Bestän­dig­keit. Bereits im 9. Jahr­hun­dert ist es als her­vor­ra­gen­de Schreib­schu­le bekannt. 1622 grün­det Erz­bi­schof Paris von Lodron, unter maß­geb­li­cher Betei­li­gung des Klos­ters, die Bene­dik­ti­ner-Uni­ver­si­tät. 1926 ent­steht das Stu­di­en­kol­leg der Bene­dik­ti­ner, das als Vor­läu­fer der heu­ti­gen Uni­ver­si­tät Salz­burg gilt. 2000 wird das Insti­tut für Bene­dik­t­i­ni­sche Stu­di­en errich­tet, das der Erfor­schung der Regel des Hei­li­gen Bene­dikt dient.

Die Samm­lun­gen der Erz­ab­tei von St. Peter haben eine lan­ge Tradition. 

Hier befin­det sich die ältes­te Biblio­thek Öster­reichs mit mehr als 100.000 Bän­den über monas­ti­sches Leben, mit­tel­al­ter­li­che Kir­chen­ge­schich­te, Kunst­ge­schich­te und Salis­bur­gen­sia, Inku­na­beln und Früh­dru­cke, Gra­phik­samm­lun­gen sowie eine beacht­li­che Land­kar­ten­samm­lung. Wert­volls­tes Expo­nat ist das „Ver­brü­de­rungs­buch“, 784 von dem aus Irland stam­men­den Salz­bur­ger Bischof Vir­gil ange­legt. Umfang­reich ist auch das Musik­ar­chiv; dar­un­ter befin­den sich Wer­ke von Johann Micha­el Haydn und Wolf­gang Ama­de­us Mozart.

Mit­te des 18. Jahr­hun­derts wur­de in vie­len öster­rei­chi­schen Klös­tern begon­nen, Natu­ra­li­en­samm­lun­gen anzu­le­gen, so auch in St. Peter. Des­sen Samm­lung umfasst heu­te die gesam­te Öster­reich-Unga­ri­sche Mon­ar­chie und ist nicht nur mine­ra­lo­gisch inter­es­sant, son­dern auch kul­tur­his­to­risch bedeu­tend, da sie unter ande­rem Mine­ra­li­en aus längst ein­ge­stell­ten Berg­wer­ken und ver­ges­se­nen Fund­or­ten ent­hält. Ergänzt wird sie mit Expo­na­ten aus einem gro­ßen Teil Euro­pas, Afri­kas, Ame­ri­kas und Asi­en. Dass die Samm­lung heu­te noch besteht und wei­ter wächst, ver­dankt sie jedoch dem Zufall und enga­gier­ten Experten.

Die Geschich­te: Das beson­de­re Inter­es­se des aus einer begü­ter­ten Salz­bur­ger Kauf­manns­fa­mi­lie stam­men­den Bene­dik­ti­ner­ab­tes Domi­ni­cus von Hage­nau­er (1786−1811) und engen Freun­des Mozarts gilt den Natur­wis­sen­schaf­ten. Er grün­det ein Natu­ra­li­en­ka­bi­nett ein­schließ­lich einer Mine­ra­li­en­samm­lung, beauf­tragt Pater Alo­is Von­dert­horn mit dem Auf­bau und ersucht Kas­par Mel­chi­or Bal­tha­sar Schroll (1756−1829), einen der ange­se­hens­ten Mon­ta­nis­ten sei­ner Zeit und „Hoch­fürst­li­cher Hof­kam­mer­rat an der Berg- und Sali­nen­di­rek­ti­on Salz­burg“ sowie Her­aus­ge­ber des Buches „Grund­li­ni­en einer Salz­bur­gi­schen Mine­ra­lo­gie oder Kurz­ge­fass­te Anzei­ge der Fos­si­li­en des Salz­bur­gi­schen Gebir­ges“ (1786), Von­dert­horn zu unter­stüt­zen. Schroll über­nimmt Von­dert­horns Aus­bil­dung sowohl theo­re­tisch als auch prak­tisch, indem er mit ihm lan­ge Exkur­sio­nen in die Ber­ge des Erz­bis­tums unter­nimmt. 1794 wech­selt Von­dert­horn an die Uni­ver­si­tät zu Salz­burg, lehrt aber im Klos­ter wei­ter­hin Mathe­ma­tik und Mine­ra­lo­gie. Unter sei­nen Stu­den­ten befin­det sich der 1795 ins Klos­ter ein­ge­tre­te­ne Albert Nagnzaun. Im Auf­trag des Abtes rei­sen Nagnzaun und ein Mit­bru­der nach Rom, unter ande­rem mit dem Auf­trag, Mine­ra­li­en für die Samm­lung zu erwer­ben. Sie besu­chen Neapel,als der Vesuv eine sei­ner stärks­ten Erup­tio­nen ankün­digt. Aus sei­nem Reisetagebuch:

August 1805, wo mit ein­ge­hol­ter Erlaub­niß des H. Abtes Domi­ni­kus ein Aus­flug nach Nea­pel gemacht wur­de. Die Rei­se gieng über Tivo­li, Sub­la­co, Mon­te Casi­no, Capua nach Nea­pel, wo über­all alles Merk­wür­di­ge an Kunst und Natur­schön­hei­ten beob­ach­tet wur­de. Ein wei­te­rer Aus­flug von daselbst ward über Por­ti­ci, Tor­re del Gre­co, Cava nach Saler­no gemacht, auf der Retour das Pom­pe­jum besich­tigt, der Vesuv bestie­gen, des­sen Cra­ter unter­sucht, spä­ter­hin das schau­der­voll-schö­ne Schau­spiel einer Erup­ti­on in der Nähe beobachtet.“

1818 wird Pater Albert Nagnzaun Abt von St. Peter. Der lei­den­schaft­li­che Samm­ler macht sich umge­hend dar­an, die Mine­ra­li­en­samm­lung zu einem Stifts­mu­se­um umzu­bau­en. Eine sei­ner ers­ten Amts­hand­lun­gen ist 1819 der Ankauf der umfang­rei­chen Samm­lung Schroll. 1839 erwirbt er einen Teil der außer­or­dent­lich wert­vol­len Samm­lung des bedeu­ten­den Mon­ta­nis­ten, Bota­ni­kers und Mine­ra­lo­gen Berg­rat Mathi­as Mie­lich­ho­fer (1772−1847). Auch Erz­her­zog Johann (1782−1859) kauft Tei­le die­ser berühm­ten Samm­lung, die sich heu­te in Graz im Lan­des­mu­se­um Joan­ne­um befin­den. Abt Nagnzaun gelingt es 1819, die an die Klos­ter­an­la­ge anschlie­ßen­de „Lan­ge Gale­rie“, wel­che den Fürst­erz­bi­schö­fen als Gemäl­de­ga­le­rie dien­te, wie­der dem Klos­ter anzu­glie­dern und lässt im 59 m lan­gen Biblio­theks­schrank von Kur­fürst Fer­di­nand III. von Tos­ka­na die Expo­na­te unter­brin­gen. Nach sei­nem Tod 1856 wird die Samm­lung wei­ter betreut; Auf­zeich­nun­gen dar­über sind noch nicht erfasst.

Erst 1935 wird Pater Vital Jäger Pro­fes­sor, spä­ter Direk­tor am Col­le­gi­um Bor­ro­mäum. Er ist als Kus­tos des Natu­ra­li­en­ka­bi­netts erwähnt. Nach sei­nem Tod 1943 wird der Zugang zur Gale­rie ver­na­gelt. Es dau­ert fast vier Jahr­zehn­te, bis anläss­lich der Gebäu­de­sa­nie­rung die Trenn­wän­de ent­fernt wer­den. Der trost­lo­se Anblick der ver­staub­ten Expo­na­te ver­lei­tet einen der Anwe­sen­den zu dem Aus­spruch, „man möge das Gelum­pe doch am bes­ten in die Salz­ach wer­fen“. Der hin­zu­ge­zo­ge­ne Mine­ra­lo­ge Prof. Heinz Meix­ner (1908−1981) von der Uni­ver­si­tät Salz­burg erkennt aber die his­to­ri­sche Bedeu­tung der Samm­lung, und so wer­den die wert­vol­len Mine­ra­li­en in Kunst­stoff­bo­xen geschlich­tet und in den Klos­ter­ge­wöl­ben des „Zehrg­adens“ gelagert.

Doch die hohe Luft­feuch­tig­keit in den Räu­men beschä­digt vie­le der Mine­ra­li­en und die anti­ken Eti­ket­ten. Pater Kor­bi­ni­an Birn­ba­cher fin­det neue Räum­lich­kei­ten über dem süd­li­chen Sei­ten­schiff der Stifts­kir­che. Hier befin­det sich die ältes­te Mau­er des Klos­ters aus dem Beginn des 8. Jahr­hun­derts. Die auf­wän­di­gen Umbau­ten des deso­la­ten Dach­bo­dens begin­nen 2009. Zeit­gleich wer­den die Mine­ra­li­en, Gestei­ne und Fos­si­li­en kata­lo­gi­siert. Jedes Expo­nat wird in einem Kata­log erfasst und die alten Schach­teln durch neue Sys­tem­bo­xen ersetzt, die das jewei­li­ge Expo­nat sowie die alte und die neue Eti­ket­te ent­hal­ten. 2011 erfolgt der Umzug in die neu­en Räume.

In den letz­ten Jah­ren wur­den Ein­zel­ob­jek­te oder gan­ze Samm­lun­gen erwor­ben, wie jene von DI Diet­mar Zach, Rudolf Füssl und Roland Wink­ler. Mäze­ne waren RR. Win­fried Mar­bach, Rolf Poe­ver­lein, Nor­bert E. Urban sowie Traudl und Adi Mit­tin­ger. „Die Wis­sen­schaft nährt die Jugend und ergötzt das Alter.“ (Mar­cus Tul­li­us Cice­ro, 106−43 v. Chr.) − Als beson­de­res Glück erweist sich die ehren­amt­li­che wis­sen­schaft­li­che Bear­bei­tung und Betreu­ung des Depots durch enga­gier­te Privatiers.

Beitrag teilen
geschrieben von

ist Unternehmerin, Kunstexpertin, Journalistin und betreibt die Kulturmanagement Künstlervermittlung Agentur von Schilgen. Von Schilgen studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien mit Abschluss als „Magistra artium“. Sie erhielt einen Preis des Bundespräsidenten für außerordentliche Leistung. Als Journalistin schreibt sie für Diplomatische Corps und internationale Organisationen, für Fachmagazine und Magazine über Themen aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Fremdenverkehr, Kunst und Kultur, Mode und Life-Style.

Consent Management Platform von Real Cookie Banner

Sie befinden sich im Archiv.
Hier geht's zum aktuellen stayinart Online Magazin.

This is default text for notification bar