Ja, der Habsburger Maximilian I. war ein „INFLUENCER“ – in seinem Denken war er seiner Zeit weit voraus: er förderte und nutzte die neuen druckgrafischen Möglichkeiten seiner Zeit wie jemand, der wusste, dass er niemals die finanziellen Mittel haben würde, sich Ehrenpforten oder Triumphzüge real leisten zu können! Der sich aber umso vehementer ihrer Verbreitung mittels der Druckgrafik bedienen wollte. Seine Selbstdarstellung steigerte er um des Erkennungswertes willens und nutzte seine Nase als „Markenzeichen“. Kein anderer Herrscher seiner Epoche war so darauf bedacht, seine „Gedechtnus“ zu wahren und zu verbreiten. Seine in Auftrag gegebenen Kunstwerke, verblüfften seine Zeitgenossen. Auch zum hohen Preis von Schulden, die er hinterließ.
ABER: sein Kalkül ist aufgegangen, er hat es tatsächlich geschafft, unvergessen zu bleiben. Bei seinem 500. Todestag stößt man überall auf seine „Werbekampagnen“ – seien es seine Biografie/Weisskunig, sein verschlüsselter Abenteuerroman/Theuerdank oder seine Aufzeichnungen über Turniere & Mummereien /Freydal – man wird sich dabei bewusst, dass er heute ein ausgezeichneter Werbemanager wäre.
MAXIMILIAN I. (1459–1519) – EIN FRÜHES WERBETALENT?
Betrachtet man die Persönlichkeit Kaiser Maximilians I., fällt einem sofort sein professioneller Umgang mit den Medien seiner Zeit auf: er war der erster Herrscher, welcher bewusst die Druckgrafik für politische Propaganda einsetzte, welcher sich selbst geschickt positionierte und sein unverkennbares Profil im ganzen Reich verbreiten ließ, sei es mittels Holzschnitten, Münzen oder Medaillen. Er war der erste Regent, welcher omnipräsent war, den seine Untertanen auch aus Abbildungen kannten. Diese Popularität besaß er schon zu Lebzeiten – was ihn von anderen Herrschern grundlegend unterscheidet.
Die Gunst einer Geburt in spannenden Zeiten – das Spätmittelalter ging zu Ende und erste Anzeichen der Renaissance verbreiteten sich1 – machte sich Maximilian zeitlebens zunutze. Aufgeschlossen gegenüber allem Neuen, schätzte er die Möglichkeiten der Druckgrafik richtig ein und setzte sie gezielt zur Aufwiegelung feindlicher Söldner genauso wie zur Glorifizierung seiner selbst ein. So etwa ließ er Flugzettel von Kirchtürmen abwerfen, um gegen die Venezianer zu wettern, gleichzeitig wehrte er sich nach erduldeter Schmach im „Bretonischen Brautraub“ gegen seinen Intimfeind Karl VIII.2 Das damalige Europa war fassungslos, denn landauf, landab wurde dieses Unrecht bereits „medial“ verbreitet! Gleichzeitig inszenierte er große druckgrafische Werke, die seinen Ruhm mehren sollten und wozu er die besten Künstler der Zeit3 beschäftigte: Er wollte, dass nicht nur seine Biographie („Weisskunig“) Verbreitung fand, sondern diktierte auch einen Abenteuerroman, der einem Heldencomic unserer Tage nicht unähnlich ist: der Held („Theuerdank“ = Maximilian) besteht alle Gefahren bravourös und bekommt als Lohn die schöne Prinzessin Ehrenreich (=Maria v. Burgund). Daneben ließ er seine berühmtesten Turniere im „Freydal“ aufzeichnen, wo natürlich der Sieger immer Maximilian hieß. Gleichzeitig kam die „Ehrenpforte“ heraus, das größte druckgrafische Werk, das je erschienen ist und seinen persönlichen Triumph darstellte. Darin sind es vor allem seine „Historien“, die Verbreitung und Nachahmung fanden – bis hin zu den Marmorreliefs des Kenotaphs, denen sie als Vorbild dienten! Im Triumphzug ließ er neben glorreichen Schlachtenszenen auch seine Heiratspolitik festhalten und führte seinen „Hausrat = Gebrauchsschatz“ mit in Form von prächtigem Prunkgeschirr, Karaffen und Pokalen aus Gold. Was in der Realität oftmals nicht mehr vorhanden war, konnte man mittels Holzschnitt und kolorierten Federzeichnungen darstellen und so den „prunkliebenden Kaiser“ zur Schau stellen, auch wenn die Wirklichkeit oft anders aussah: Vieles war in seinem Besitzs, musste aber infolge chronischer Geldnot eingeschmolzen werden, sodass der Triumphzug auch eine Quelle für verloren gegangene Schätze darstellt! Er diktierte seinem Schreiber Marx Treitzsaurwein seine Biografie und seine Ruhmeswerke. Sein Hofmaler Jörg Kölderer fertigt erste Entwürfe nach den Vorstellungen des Kaisers an, die dann den großen Malern der Zeit geliefert wurden, um die beabsichtigten Kunstwerke zu erstellen. Denn woher hätten sie gewusst, was der Herrscher beabsichtigte? So versteht man den maximilianischen Kunstkreislauf, seine Ideen waren immer prägend dabei.
Wer sich im Leben kein gedechtnus macht, der hat auch nach dem Tod kein gedechtnus und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen.
Wie kam es nun, dass ein Erzherzog von Österreich, der eher in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, Eigenschaften wie Prunkliebe, Selbstdarstellung und Sendungsbewusstsein in solch reichem Ausmaß besaß und auch nutzte? Den ersten Anstoß gab hierfür sicher seine Mutter Eleonore v. Portugal: sie förderte den phantasiebegabten, eher introvertierten Knaben, indem sie ihm Rittergeschichten mit großen Heldentaten vorlas. Zudem dürften ihre Erzählungen immer wieder um den glänzenden, strahlenden portugiesischen Königshof gekreist sein, sodass in dem Knaben früh das Bedürfnis geweckt wurde, ähnlich Heldenhaftes zu verbringen und aus der Enge des Wiener Neustädter Hofes auszubrechen. Die Gelegenheit kam, als er 14 Jahre alt war – seine innigst geliebte Mutter war bereits verstorben – durfte er doch 1473 seinen Vater Kaiser Friedrich III. 1473 zum Fürstentag nach Trier4 begleiten. Dort lernte er erstmals die „große Welt“ kennen und wurde verwöhnt mit erlesenen Speisen, sah kostbarste Gewänder und Roben5 und lernte den Turnierkampf in seiner edelsten Form kennen. Karl d. Kühne, sein späterer Schwiegervater, welcher 1477 bei der Schlacht von Nancy fiel, wohnte mit seinen 2000 Mann Begleitung in einer Zeltstadt mit über 100 prächtigen Zelten. Karl selbst bevorzugte einen hölzernen Pavillon, welcher mit erlesenen Tapisserien ausgestattet war. Alleine für seine Bediensteten, die nach neuester Mode gekleidet waren, hat der Burgunderherzog 40.000 Livres ausgegeben. Kaiser Friedrich III. war dieses zur Schaustellen von Reichtum äußerst unangenehm und er strafte den protzigen Burgunderherzog auf seine Weise: er reiste nach 2‑monatigen Verhandlungen plötzlich und unerwartet ab, ohne seine Zeche bezahlt zu haben und der Wunsch seitens Karls, vom Kaiser die „Würde eines römischen Königs“ verliehen bekommen, bleib unerfüllt.6 Lediglich die Heiratspläne zwischen Maximilian und Maria, der einzigen Tochter Karls, wurden nicht abgelehnt, blieben aber offen.
Als nach dem unerwarteten Tod von Karl d. Kühnen (Schlacht v. Nancy, 05.01.1477) Maria in äußerster Bedrängnis seitens des französischen Königs einen Hilfebrief an Maximilian schrieb, er möge möglichst rasch kommen und ihr zur Seite stehen, war die Entscheidung gefallen.7 Man entsandte den gerade 18-jährigen nach Burgund, wo er die Herzogstochter Maria, die auch Alleinerbin eines unermesslichen Vermögens war, heiratete. Das Glück der beiden wurde überschattet durch Angriffe seitens Frankreichs und Maximilian musste sich erste kriegerische Lorbeeren verdienen. Der Sieg von Guinegate 1479 verhalf dem jungen Paar zu einer Verschnaufpause, wo Maximilian die Freuden des Hoflebens genießen konnte. Maximilian lernte schnell: gleich seinem Schwiegervater suchte er in der Antike und in der Historie Leitbilder für Ehre und Macht und beide nutzen Kunst und Kultur geschickt zur Untermauerung ihrer Herrschaft. Allein in Burgund ging Maximilians Strategie nicht auf: nach dem plötzlichen Tod seiner geliebten Maria 1482 musste er, der nur als „Prinzgemahl“ dort angesehen wurde, acht Jahre Krieg um das Burgunder Erbe für seinen Sohn Philipp führen. Als er 1490 nach Tirol kam, welches sein erstes selbständig regiertes Land war, trachtete er Vieles von dem, was er in Burgund gelernt und gesehen hatte, umzusetzen, vor allem in der Verwaltung. Er verlegte wichtige Ämter von Wien nach Innsbruck, z.B. die Finanzkammer des Reiches, sodass Innsbruck für 30 Jahre bedeutend wurde. Die finanziellen Voraussetzungen waren aber unterschiedlich: obwohl Tirol durch den Bergbau ein reiches Land war, hatte Maximilian stets große Probleme mit der Beschaffung von Geld. Dies hing vor allem damit zusammen, dass die deutschen Kurfürsten ihn bei seinen kriegerischen Ideen im Stich ließen und seine Pläne oftmals durchkreuzten. Vielfach musste Tirol Geld „vorstrecken“, um ihm neben seinen Hauptfinanciers Fugger, Baumgarten und Meckau über Wasser zu halten. Was dem Land den blumigen Ausspruch bescherte: „Tirol sei wie eine große Geldbörse, in die man nie umsonst hineingreife…“
Dass er neben seinen zahlreichen Kriegen noch Zeit und Muße fand, seinen kulturellen Interessen nachzugehen, zeugt von seiner großen Energie und seinen Ambitionen. Sicherlich wirkte Tirol inspirierend auf ihn: wann immer es seine Zeit erlaubte, begab er sich auf die Jagd, die er leidenschaftlich betrieb, um sich von seinem Ärger auf den Reichstagen, wo er kaum etwas durchbrachte und immer auf den Widerstand der Kurfürsten stieß, zu erholen. Ein paar Tage in der Abgeschiedenheit der Bergwelt bewirkten Wunder, wobei er tollkühn im Hochgebirge die Gämsen mit langen Jagdspießen aus der Wand stach. Auch Rotwild und Steinböcken galt seine Aufmerksamkeit, sowie dem Fischen, das man schnell und ohne großen Aufwand betreiben konnte. Deshalb ließ er sich auf der Rennwiese (Hofgarten) einen See anlegen, „Neusee“ genannt, wo er auch der Beizjagd nachgehen konnte8. Gletscherbegehungen lockten den wagemutigen Herrscher ins Hochgebirge, wo man sich zu dieser Zeit kaum freiwillig aufhielt: für diesen Zweck tauschte er das Jagdschloss Tratzberg gegen die Burg Berneck im Kaunertal ein, um eine gute Ausgangsbasis ins Hochgebirge zu haben. Er wusste stets das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: so lud er schon damals illustre Gäste zur Jagd und veranstaltete atemberaubende Schauklettereien, wo der Hofstaat mit den Damen wie auch die Gäste die mutigen Sportler mit viel Beifall belohnten und anschließend gefeiert wurde. Das bei der Jagd erlegte Wild wurde ebenso aufgetragen wie frische Fische. Musik und Tanz durften dabei nicht fehlen.
Leidenschaftlich kämpfte Maximilian auch bei Turnieren – und so war es nur selbstverständlich, dass er Harnische in großer Anzahl besaß, die teilweise in Innsbruck, aber auch in Nürnberg, Augsburg oder Mailand hergestellt worden sind. Innsbrucker Arbeiten waren ob ihrer großen Qualität sehr begehrt. Der „Freydal“ 10 steht am Anfang seiner druckgrafischen Arbeiten, wo er sich als Art Überheld stilisieren und verherrlichen lässt. Unter dem Pseudonym „Freydal“ nimmt er an unterschiedenen Orten siegreich an Turnieren teil und vergnügt sich bei den abendlichen Kostümfesten. Von den insgesamt 64 Kämpfen tritt Maximilian häufig gegen seinen Kämmerer und Jugendfreund Wolfgang von Polheim an. Bei allen „Mummereien“, die im Anhang gezeigt werden, findet sich Maximilian niemals unter den Tänzern, sondern immer als Windlichtträger im eleganten Festkostüm mit Federhut, als „Wappenkönig“ dargestellt. Manch eine dieser Tanzveranstaltungen wird im „Frauenzimmer“ Bianca Maria Sforzas, seiner zweiten Gemahlin, in der Innsbrucker Hofburg, stattgefunden haben.
Hätte Maximilian die modernen Medien unserer Zeit zur Verfügung gehabt, hätte er vermutlich ähnlich gehandelt: immer darauf bedacht, maßgeblich Einfluss zu nehmen als grandioser Selbstdarsteller, der er nun einmal war. Mittels twitter & social media hätte er zu seiner „ewigen Gedechtnus“ vermutlich intensiv im Internet gesurft!
Mit seiner Voraussicht hat er manches moderne Ideengut bereits verwendet und seiner Zeit gemäß interpretiert.