Warum kommst du denn nicht näher?

Man kann nicht von Mari­lyn Mon­roe spre­chen, ohne Dou­glas Kirk­land und die schö­nen Auf­nah­men zu erwäh­nen, die ihr der jun­ge ame­ri­ka­ni­sche Foto­graf gewid­met hat. Auf­nah­men, die Teil der Legen­de und tief in unse­rem kol­lek­ti­ven Gedächt­nis ver­wur­zelt sind. Foto­gra­fien, denen die zeit­ge­nös­si­sche Gale­rie Paci in Ber­ga­mo, die den Künst­ler in Ita­li­en und Euro­pa ver­tritt, erst im ver­gan­ge­nen Okto­ber eine der voll­stän­digs­ten antho­lo­gi­schen Aus­stel­lun­gen wid­me­te. Gleich­zei­tig ver­öf­fent­lich­te der Ver­lag Sil­va­ne einen umfang­rei­chen Band.

Die­se ästhe­ti­schen Foto­gra­fien ent­stan­den sechs Mona­te vor dem tra­gi­schen Tod der Diva (im August 1962) für eine Son­der­aus­ga­be der Zeit­schrift Look Maga­zi­ne, für die der jun­ge Kirk­land seit gerau­mer Zeit arbei­te­te. Mit 27 Jah­ren hat­te Dou­glas Kirk­land tat­säch­lich die Ehre, die Diva par excel­lence ken­nen­zu­ler­nen und abzu­lich­ten, was sei­ne Kar­rie­re von da an beeinflusste.

Die Her­zen der Men­schen zu berüh­ren, ist eine sel­te­ne Gabe, die Dou­glas Kirk­land für sich bean­spruch­te. Sei­ne Fähig­keit, die­se Gabe beim Foto­gra­fie­ren der Iko­nen des Kinos, der Mode und der Kul­tur in den über fünf­zig Jah­ren sei­ner Kar­rie­re ein­zu­set­zen, hat den Kana­di­er Dou­glas Kirk­land zu einem ech­ten Mythos gemacht: Er wur­de mit Aus­zeich­nun­gen, renom­mier­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen und unzäh­li­gen Aus­stel­lun­gen gefei­ert. Dou­glas Kirk­land wur­de 1934 gebo­ren und ist bis heu­te einer der berühm­tes­ten leben­den Foto­gra­fen. Sei­ne Kon­zen­tra­ti­on auf die Per­son und die Bezie­hung, die er zu den Men­schen auf­baut, die er foto­gra­fiert, ver­leiht sei­nen Auf­nah­men eine ein­zig­ar­ti­ge Spon­ta­ni­tät: „Das Wich­tigs­te ist, sich gegen­sei­tig zu respek­tie­ren und zu schät­zen. Bevor ich begin­ne, zei­ge ich zum Bei­spiel mei­ne neu­es­ten Arbei­ten, damit jeder weiß, wie ich arbei­te. Außer­dem ist es wesent­lich, zur Per­son eine Bezie­hung auf­zu­bau­en. Ob es sich um einen berühm­ten Hol­ly­wood Star oder einen Pas­san­ten auf der Stra­ße han­delt, macht kei­nen Unter­schied. Ich lie­be Men­schen, wer auch immer sie sind. Ich mag es, mit Men­schen zu reden, und natür­lich, sie zu foto­gra­fie­ren”. Nach Mari­lyn haben die größ­ten inter­na­tio­na­len Stars des Kinos, der Kunst und der Musik für ihn posiert, von Coco Cha­nel über Sophia Loren, Bri­git­te Bar­dot bis Andy War­hol, Mick Jag­ger und vie­le ande­re. Er hat mit groß­ar­ti­gen Regis­seu­ren wie Stan­ley Kubrick am Set von „Odys­see im Welt­raum”, James Came­ron in „Tita­nic“, und Baz Luhr­mann in „Moulin Rouge” zusam­men­ge­ar­bei­tet und natür­lich auch mit ita­lie­ni­schen Schau­spie­lern und Berühmt­hei­ten, dar­un­ter Maria Gra­zia Cuci­not­ta, Rober­to Bol­le und Vir­na Lisi.

Sei­ne ers­ten Schrit­te als Foto­graf hat Kirk­land schon sehr früh getan; bereits mit 21 Jah­ren wur­de er Assis­tent von Irving Penn. Der Wen­de­punkt in sei­nem Leben war der Ein­tritt in die Redak­ti­on des „Look Maga­zi­ne” mit 24 Jah­ren. Er begann, die Welt zu berei­sen und die berühm­tes­ten Stars zu foto­gra­fie­ren. Anläss­lich des 25-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums der Zeit­schrift erhielt Dou­glas sei­nen pres­ti­ge­träch­tigs­ten Auf­trag: Er soll­te die Diva par excel­lence MARILYN MONROE bei einer unver­gess­li­chen Foto­ses­si­on ver­ewi­gen. Dou­glas und Mari­lyn tra­fen sich mehr­mals: das ers­te Mal in der Woh­nung am Dohen Dri­ve. Dou­glas erin­nert sich: „Wir waren zu viert: sie, zwei Jour­na­lis­ten und ich. Mari­lyn lud uns ein, uns auf das Bett zu set­zen: Tut so, als wäre es ein Sofa, sag­te sie. Es war eine lan­ge Ver­hand­lung, aber am Ende kapi­tu­lier­te sie. Ich erklär­te ihr, dass ich sinn­li­che Auf­nah­men machen woll­te, ohne sie dabei nackt zu foto­gra­fie­ren.” Die­ses Mal war sie umgäng­lich und freund­lich. Ihr zwei­tes Tref­fen fand eini­ge Zeit spä­ter in dem für die­sen Anlass gemie­te­ten Stu­dio statt. Mari­lyn erschien mit zwei­ein­halb Stun­den Ver­spä­tung, gefolgt von ihrer Visa­gis­tin Agnes Fla­na­gan und einer mit Klei­dung bela­de­nen Assis­ten­tin. Mari­lyn trat in ihrer Rol­le als Diva auf, so, wie die Leu­te sie sich vor­stel­len. Sinn­lich, sexy, mit einem Hauch Par­füm. „Ich habe sofort den Grund für ihren Erfolg ver­stan­den: Sie war strah­lend, sinn­lich und sehr ver­füh­re­risch. Ich fing an, von oben zu schie­ßen, aber nach ein paar Minu­ten setz­te sich Mari­lyn auf das Bett, bedeck­te ihre Brust mit den Laken und bat die Assis­ten­tin, hin­aus­zu­ge­hen: ‚Ich möch­te mit die­sem Jun­gen allein sein: nor­ma­ler­wei­se funk­tio­niert es so bes­ser’. Ich foto­gra­fier­te wei­ter und benutz­te die Kame­ra als Schutz­schild, aber irgend­wann sag­te Mari­lyn: „War­um kommst du nicht näher?“. An die­sem Punkt war die Ein­la­dung deutlich.”

Mari­lyn Mon­roe (12), archi­val pig­ment print, inches 30 x 40 ca.

Der letz­te Akt die­ser Geschich­te war Mari­lyns Erlaub­nis, die Fotos zu ver­öf­fent­li­chen. Also ging Kirk­land zurück in ihre Woh­nung, muss­te jedoch fest­stel­len, dass schon wie­der eine ande­re Frau vor ihm stand: „Das letz­te Mal, als ich ihr die Fotos brach­te, war sie schlecht gelaunt und sehr müde. Sie trug eine schwar­ze Bril­le und hat­te sich einen Schal um den Kopf geschlun­gen. Ich leg­te die Fotos auf den Leucht­tisch und sie bat mich um die Lupe, um sie anzu­schau­en. Ich hat­te sie ver­ges­sen, und sie schick­te mich in einen Laden, um sie zu kau­fen: ‚Bring mir auch einen Filz­stift und eine Sche­re mit’, sag­te sie. Als ich zurück­kam, sah sie sich alle Fotos in fünf Minu­ten an, dann ver­ließ sie den Raum, und als sie ein paar Minu­ten spä­ter zurück­kam, hat­te sie kei­ne Bril­le mehr auf: «Eini­ge sind gut, aber die hier will ich nicht», sag­te sie und leg­te die aus­sor­tier­ten Bil­der zur Sei­te. Dann nahm sie die Sche­re und fing an, die Fotos zu zer­schnei­den, die ihr nicht gefie­len. Sofort danach begann sie damit, die Bil­der aus­zu­wäh­len, die ihr gefie­len und leg­te die her­aus, die sie bevor­zug­te. Es war fas­zi­nie­rend, sie zu beob­ach­ten, es war, als wür­de man den men­ta­len Pro­zess live mit­er­le­ben, der die­ses Mäd­chen aus der Pro­vinz zu Mari­lyn Mon­roe gemacht hat­te. An die­sem Punkt lächel­te sie: Sie zeig­te auf das Foto, auf dem sie das Kis­sen umarm­te, und sag­te, das gefie­le ihr am bes­ten: ‚Ich mag die­ses Mäd­chen, weil sie die Art Frau ist, mit der jeder Mann ger­ne zusam­men wäre. Die Frau, die sich sogar ein LKW-Fah­rer in sein Bett holen würde’.”

Das Ergeb­nis die­ser Foto­ses­si­on sind die berühm­ten Por­träts der Diva, welt­be­rühm­te Bil­der. Fotos, die noch wäh­rend der Auf­nah­men geän­dert wur­den, weil man sich dafür ent­schied, den schwar­zen Hin­ter­grund durch eine Mari­lyn zu erset­zen, die sich auf einem wei­ßen Band bewegt, die berühm­te Pose der wun­der­vol­len Mari­lyn im Bett, ein­ge­wi­ckelt in ein Sei­den­la­ken. Die Fotos wur­den am 17. Novem­ber 1961, sechs Mona­te vor Mon­roes Tod, ver­öf­fent­licht, als Kirk­land bereits welt­be­rühmt war. Sechs Mona­te spä­ter erfuhr er bei Foto­auf­nah­men in Paris zu sei­nem gro­ßen Bedau­ern von Mary­lins tra­gi­schem Tod. Die­se groß­ar­ti­gen Foto­gra­fien gehö­ren nach wie vor zu den schöns­ten Autoren­bil­dern, die der Schau­spie­le­rin jemals gewid­met wur­den, und berei­chern das Reper­toire an alten Auf­nah­men ihrer berühm­tes­ten Film­sets, wie zum Bei­spiel die Büh­nen­fo­to­gra­fien von „Blon­di­nen bevor­zugt”, „Das ver­flix­te sieb­te Jahr”, „Der Prinz und die Tän­ze­rin”. Der­zeit arbei­tet Dou­glas Kirk­land zusam­men mit sei­ner Frau Fran­çoi­se in sei­nem Vil­len­stu­dio in Los Ange­les, ani­miert von der gro­ßen Auf­merk­sam­keit für die Welt, in der wir heu­te leben.

Du musst dich mit der Zeit befas­sen, in der du lebst. Was ich in den sech­zi­ger Jah­ren gemacht habe, ist völ­lig anders als das, was ich heu­te mache, und jedes Mal ist es, als wür­de ich wie­der von vor­ne anfan­gen. Auf der ande­ren Sei­te ist das ein­zi­ge Kon­zept, von dem man aus­ge­hen kann, die Realität!

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