Malerische Landschaften – Weltberühmte Aquarelle

Seit jeher begeis­tert die Schweiz ihre Besu­cher durch ihre male­ri­schen Land­schaf­ten. Impo­san­te Ber­ge, sanft gewell­te Hügel, sil­ber­blaue Seen, schmu­cke Dör­fer und stil­vol­le Städ­te wir­ken wie ein Publi­kums­ma­gnet. Auch Joseph Mall­ord Wil­liam Tur­ner, einer der bekann­tes­ten Roman­tik­ma­ler Eng­lands, war fas­zi­niert von der Schweiz. Stets auf der Suche nach Moti­ven, bereis­te er zwi­schen 1802 und 1844 sechs­mal das Land. Dabei war er oft in Luzern.

Luzern am schö­nen Vier­wald­stät­ter­see gibt mit der Tur­ner-Aus­stel­lung „Das Meer und die Alpen“ gleich dop­pel­ten Anlass für einen Besuch. Auch wenn rund 200 Jah­re seit sei­nen Auf­ent­hal­ten hier ver­stri­chen sind, so ist es doch sicher span­nend, den Ort mit der Sicht­wei­se des Künst­lers zu sehen. Mit einem herz­li­chen „Wel­co­me back Mr. Tur­ner“ begrü­ßen die Luzer­ner ihren zurück­ge­kehr­ten Meis­ter auf einem rie­si­gen Pla­kat am Kunst- und Kul­tur­zen­trum Luzern, kurz KKL genannt.

Mei­ne Rei­se­ta­sche depo­nie­re ich im Hotel und nüt­ze das traum­haf­te Wet­ter für einen ers­ten kur­zen Rund­gang durch die Stadt. Allein die Lage am Vier­wald­stät­ter­see, dort wo die Reuss ihren Abfluss nimmt, macht Luzern ganz beson­ders. Beim Betrach­ten bleibt der Blick stets auf die gegen­über­lie­gen­den schmu­cken Häu­ser offen. Auf der Alt­stadt­sei­te sieht man etwas erhöht sogar die ver­blie­be­nen Stadt­tür­me. Die gro­ße Brü­cke, auf der Autos und Bus­se heu­te in Sekun­den­schnel­le die Stadt­sei­ten wech­seln kön­nen, war zu Tur­ners Zei­ten noch nicht vor­han­den. Von ihr aus eröff­net sich jedoch der bes­te Blick auf den Was­ser­turm und die Kapell­brü­cke, die Wahr­zei­chen von Luzern. Chi­ne­si­sche, japa­ni­sche und indi­sche Grup­pen pos­tie­ren sich hier ger­ne, um an ihr Luzern-Sel­fie zu kommen.

Nur weni­ge Schrit­te nach der Brü­cke liegt das Restau­rant Schwa­nen, Café de Ville. Das ehe­ma­li­ge Hotel Schwa­nen war das ers­te Luzer­ner Hotel am See. 1835 gebaut, war es Gast­ge­ber von Tur­ner, und natür­lich besu­che ich im Café genau den Tisch, von dem aus er wie­der­holt die Rigi, sei­nen Lieb­lings­berg mal­te. Hier hielt er das Zusam­men­spiel von Wet­ter, See und Ber­gen in leuch­ten­den, atmo­sphä­risch dich­ten Aqua­rel­len fest. Wer hier län­ger ver­weilt oder öfters wie­der­kehrt, merkt schnell, dass sich die Far­ben und Licht­stim­mun­gen der Rigi lau­fend verändern.

Über die höl­zer­ne, über­dach­te Kapell­brü­cke, die aus dem frü­hen 14. Jahr­hun­dert stammt und als Teil der Stadt­be­fes­ti­gung Luzerns dien­te, schlen­de­re ich zu mei­nem Aus­gangs­punkt zurück. Der acht­ecki­ge, über 34 Meter hohe Was­ser­turm neben der Brü­cke ist eines der meist­fo­to­gra­fier­ten Denk­mä­ler der Schweiz. Und natür­lich fin­det man auch ihn auf eini­gen Gemäl­den Turners.

Im moder­nen KKL am Euro­pa­platz, dem Werk des Pari­ser Star­ar­chi­tek­ten Jean Nou­vel, zeigt das Kunst­mu­se­um aktu­ell Bil­der, die Tur­ner auch auf Berg­ex­kur­sio­nen und auf Schiff­fahr­ten von Luzern aus mach­te. „Zumin­dest fer­tig­te er hier die zahl­rei­che Skiz­zen für Auf­trags­ar­bei­ten, die er in sei­nem Ate­lier in Lon­don aus­ar­bei­te­te“, erklärt Fan­ni Fet­zer, die Muse­ums­di­rek­to­rin. Dien­ten vor­mals Land­schaf­ten in der Male­rei höchs­tens als Hin­ter­grund für eine Hand­lung, galt das Inter­es­se Wil­liam Tur­ners (1775−1851) eher dem Licht und der Atmo­sphä­re. In sei­nen Wer­ken stell­te er die Far­be von Son­nen­licht und Was­ser in völ­lig neu­ar­ti­ger Wei­se dar und war weg­wei­send für die Impressionisten.

Das Rot am Him­mel, das sich im See wider­spie­gelt, das gel­be Mor­gen­licht, das die Ber­ge blau erschei­nen lässt, grau-braun-wei­ße Stür­me in den Ber­gen oder am See, die das Oben und Unten mit­ein­an­der ver­schmel­zen las­sen: Der Roman­tik­ma­ler war fas­zi­niert von die­sen Stim­mun­gen, beson­ders von Kata­stro­phen, die er bild­lich dar­stell­te. Nur all­zu oft muss­te er sich sei­ner­zeit als Schmier­fink dafür beschimp­fen las­sen. Sei­nen Anhän­gern trieb der Anblick man­cher Bil­der einen „woh­li­gen Schau­er“ über den Rücken. Sei­nen abso­lu­ter Lieb­lings­berg, die Rigi, auf die sich durch die Glas­fron­ten des Kunst- und Kul­tur­zen­trum Luzern ein spek­ta­ku­lä­rer Blick eröff­net, hat Tur­ner übri­gens nie­mals erklommen.

Den­noch set­ze ich am nächs­ten Tag mit einem Lini­en­schiff über nach Vitz­nau. Mit der Rigi-Bahn geht es hoch auf den Berg nach Rigi Kulm auf 1.798 m.ü.d.M. Die letz­ten Höhen­me­ter bis zum Gip­fel muss man sich doch erwan­dern, wenn man das 360°-Panorama mit dem Blick über 13 Seen und ein Meer von schnee­be­deck­ten Alpen­gip­feln genie­ßen möch­te. Zahl­rei­che unter­schied­lichs­te Wan­de­run­gen sind hier mög­lich wie der Pan­ora­ma­weg, die Grat­wan­de­rung oder der Blu­men­pfad, ein Muss für alle Alpen­bo­ta­ni­ker! Wil­de Fels­for­ma­tio­nen wech­seln mit lau­schi­gen Wäl­dern und bun­ten Blu­men­wie­sen. Doch für mich heißt es Schutz suchen und somit bei Rigi Kalt­bad zurück zur geschütz­ten Bahn­sta­ti­on zu eilen. Ein Wet­ter zieht auf. Rasant nähern sich grau-schwar­ze Wol­ken und las­sen in Sekun­den­schnel­le eine bedroh­lich düs­te­re Stim­mung auf­kom­men. Wil­liam Tur­ner hät­te sei­ne wah­re Freu­de dar­an gehabt und sofort sei­nen Skiz­zen­block gezückt! Mit der Bahn geht es unter hef­ti­gen Regen­schau­ern berg­ab nach Vitz­nau oder wahl­wei­se mit der Seil­bahn nach Weg­gis, um dann mit dem Kurs­schiff zurück­zu­keh­ren. Als wäre nichts gewe­sen, begrüßt uns Luzern mit Son­nen­schein und lässt mich auf den regen­nas­sen Stra­ßen noch einen Abend­spa­zier­gang machen. Die wun­der­schö­ne Spreu­er­brü­cke von 1408 mit ihren 67 Bild­ta­feln vom Maler Kas­per Meg­lin­ger muss man unbe­dingt gese­hen haben! Zwi­schen 1626 und 1635 mal­te er einen Toten­tanz-Zyklus, der in bes­tem Zustand erhal­ten ist. Kurz hin­ter der Brü­cke befin­det sich eine wei­te­re Sehens­wür­dig­keit: Mit dem Nadel­wehr von 1860 regu­liert man bis heu­te den Was­ser­stand des Vier­wald­stät­ter­sees durch Ein­set­zen oder Her­aus­neh­men der so genann­ten Nadeln – von Hand! Vor­bei an der Jesui­ten­kir­che, dem ers­ten gro­ßen sakra­len Barock­bau der Schweiz, geht es zurück zum Hotel. Für den Abend habe ich noch ein beson­de­res Ziel.

Auf der Ter­ras­se des Restau­rant Sca­la im etwas erhöht gele­ge­nen Art Deco Hotel Mon­ta­na genießt man abends bei Däm­mer­licht einen der schöns­ten Bli­cke über die Stadt und den Pila­tus. Das impo­san­te Berg­mas­siv, das erst im Glanz der sich nei­gen­den Son­ne zur Gel­tung kommt, scheint mit sei­nen stol­zen 2.118 Höhen­me­tern wie ein Wäch­ter über Luzern. Wer nicht spei­sen möch­te, son­dern nur zum Sun­dow­ner hier­her­kommt, kann dies in der eige­nen Beach Bar zu Chill-Atmosphäre.

Ich darf das abend­li­che Spek­ta­kel zum Menü bewun­dern und bin mir sicher: Hät­te es das stil­vol­le, 1910 errich­te­te Hotel, das bis heu­te sei­nen Ori­gi­nal-Charme erhal­ten hat, bereits zu Joseph Mall­ord Wil­liam Tur­ners Zei­ten gege­ben, so wären bestimmt sehr viel mehr Bil­der vom Pila­tus entstanden.

Luzern ist zu jeder Jah­res­zeit eine Rei­se wert! Wer jedoch jetzt die Chan­ce wahr­nimmt, dies in einem Moment zu tun, in dem die Wer­ke Tur­ners an ihre Ori­gi­nal­schau­plät­ze zurück­ge­kehrt sind, wird die Stadt viel­leicht mit ande­ren Augen sehen. Die Schweiz-Bil­der von Tur­ner waren bis­her noch nie in die­ser Geschlos­sen­heit aus­ge­stellt. Beim Betrach­ten erkennt man, wie unheim­lich gut Tur­ner die Welt erfasst und fest­ge­hal­ten hat, und kann direkt vor Ort mit der Wirk­lich­keit vergleichen!

Die Sehn­sucht nach der Natur, die einst als Reak­ti­on auf die Indus­tria­li­sie­rung auf­kam, ist letzt­lich bis heu­te der Grund, wes­halb so vie­le Men­schen die impo­san­ten Land­schaf­ten der Schweiz besu­chen und lieben. 

Beitrag teilen
geschrieben von

Sie schreibt und fotografiert als freie Journalistin seit über 27 Jahren für unterschiedlichste Medien wie das Porsche Club Magazin, den Münchener Merkur, Welt, spiegel-online, die PNP sowie die FNP, den Münchener Merkur u.v.a. Mit den Schwerpunkten Reise, Wellness, Kulinarik und Lifestyle gründete sie 2016 ihr eigenes online-Magazin www.lastsecrets.de. Weltweit agierend gilt die Liebe der Autorin besonders ihrer Heimat, den Alpen, denen sie als Hommage ihr Buch „Die ganze Kraft der Alpen“ widmete.

Consent Management Platform von Real Cookie Banner

Sie befinden sich im Archiv.
Hier geht's zum aktuellen stayinart Online Magazin.

This is default text for notification bar