Literatur und Malerei

HESSE, DÜRRENMATT, TURNER, KUBIN, BARLACH, KOKOSCHKA, GRASS

Mit die­sem Bei­trag möch­te ich über die Dop­pel­be­ga­bung von Lite­ra­tur und Male­rei berich­ten, wie sie im Werk der bei­den Schwei­zer Lite­ra­ten und Maler Her­mann Hes­se, 1877–1962, und Fried­rich Dür­ren­matt, 192l-1990, zum Aus­druck kommt. Dabei sei erwähnt, dass Dür­ren­matt ein gebür­ti­ger Schwei­zer war und immer blieb, wäh­rend Hes­se durch sei­nen Deutsch-Bal­ti­schen Vater obwohl in Calw, im König­reich Würt­tem­berg auf die Welt gekom­men, ein gebür­ti­ger Rus­se war. Nach einem Umzug der Fami­lie von Calw nach Basel wur­de Hes­se 1882 erst­mals Schwei­zer, dann 1890 unter Ver­lust des Schwei­zer Bür­ger­rechts wie­der Würt­tem­ber­ger, um dort eine kos­ten­freie theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung zu begin­nen, aus der er floh um „Dich­ter oder gar nichts“ zu wer­den, bis er 1924 erneut Schwei­zer wur­de und blieb. Die­se Hei­mat­su­che lässt durch­aus auch Rück­schlüs­se auf sein Leben und Werk zu.

Durch ein Geschenk mei­ner Groß­mutter lern­te ich das Werk von Her­mann Hes­se ken­nen. Ich war 21 Jah­re alt und mit­ten im Gesangs­stu­di­um, als ich von ihr 3 Bän­de mit Lie­dern des Schwei­zer Kom­po­nis­ten Oth­mar Schoeck erhielt, mit dem Wunsch, dass ich von die­sen Lie­dern sin­ge. Dazu kam es aller­dings erst vie­le Jah­re spä­ter, aber ich ent­deck­te die Gedich­te von Her­mann Hes­se, die Schoeck ver­tont hat­te. Wie ich spä­ter erfuhr, war Hes­se von den Ver­to­nun­gen sei­ner Gedich­te sehr berührt, was zu einer lebens­lan­gen Freund­schaft führ­te. Im Bücher­schrank mei­ner Groß­mutter fand ich wei­te­re Hes­se-Gedich­te und Sid­dha­rtha, eine 1922 erschie­ne­ne Erzäh­lung, in der Hes­se indi­sche Phi­lo­so­phie und christ­li­che Mys­tik ein­be­zieht, wohl auch inspi­riert von sei­ner Asi­en­rei­se zehn Jah­re zuvor. Eine Erzäh­lung, die spä­ter ein­mal zum Kult­buch wur­de. Und ich ent­deck­te Aqua­rel­le von Hes­se. Die pass­ten zwar nicht so recht in die Kunst­ge­schich­te, aber sie zeig­ten eine beacht­li­che Doppelbegabung.

Groß ist die Zahl der Maler, die ihre Mehr­fach­be­ga­bung durch Illus­trie­ren von Büchern frem­der Autoren lebten. 

Aus einem Brief sei­ner Mut­ter erfah­ren wir, dass bereits der Vier­jäh­ri­ge sich in Ver­sen ver­such­te und schö­ne Zeich­nun­gen fer­tig­te. Nach einer tur­bu­len­ten Jugend mit abge­bro­che­nen Schu­len und Aus­bil­dun­gen, schloss er 1898 in Tübin­gen eine Buch­händ­ler­leh­re ab. Im Alter von etwa 40 Jah­ren beginnt Hes­se, ange­regt durch eine Psy­cho­ana­ly­se, inten­siv zu malen. Der Auto­di­dakt malt sei­ne Träu­me, die The­ra­pie wird zur Lei­den­schaft. Von Maler­freun­den erhält er Anre­gun­gen: Cuno Amiet, Gun­ter Böh­me, Hans Purr­mann gehö­ren dazu. In far­ben­fro­hen Aqua­rel­len malt er Tes­si­ner Land­schaf­ten, sei­ne neue Wahl­hei­mat, die er nicht mehr ver­lässt. Ers­te Betrach­tun­gen und Gedich­te über das Malen hat­te Hes­se schon geschrie­ben, so im Roman Ross­hal­de, in den Erzäh­lun­gen Der Maler und Klings­ors letz­ter Som­mer, die Gedich­te Magie der Far­ben und Maler­freu­de, ein The­ma, das er immer wie­der auf­nimmt. Es ent­ste­hen eige­ne Illus­tra­tio­nen zu sei­nen Schrif­ten und Gedich­ten, so zu den Mär­chen Der schwe­re Weg und Pik­tors Ver­wand­lun­gen. Von gro­ßer Anzahl sind sei­ne hand­schrift­li­chen Gedich­te, ver­se­hen mit klei­nen Aqua­rel­len. Er ver­kauf­te die­se Arbei­ten oder gab sie als Dank für finan­zi­el­le Zuwen­dun­gen zur Unter­stüt­zung not­lei­den­der Freun­de. Eine ers­te öffent­li­che Aus­stel­lung sei­ner Aqua­rel­le gab es 1920 in der Kunst­hal­le in Basel, spä­ter folg­ten Ber­lin und Dres­den und nach sei­nem Tod fan­den welt­weit Aus­stel­lun­gen statt, in Madrid, New York, Paris, Tokio und ande­ren Städ­ten. Hes­se betrach­te­te sei­ne Male­rei als eine ande­re Art der Dich­tung. Mehr als 3000 Aqua­rel­le hat er hin­ter­las­sen, dazu vie­le hand­schrift­li­che Gedich­te mit immer ande­ren Aqua­rel­len geschmückt und Dut­zen­de Abschrif­ten sei­ner Mär­chen, nie gleich illus­triert. Für sein lite­ra­ri­sches Werk erhielt Her­mann Hes­se den Nobel­preis. Sei­ne Male­rei, die als The­ra­pie begann, wur­de wert in Muse­en aus­ge­stellt zu werden.

Fried­rich Dür­ren­matt hat mit Her­mann Hes­se gemein­sam, kein guter Schü­ler gewe­sen zu sein. Das soll nun aber nicht als Vor­aus­set­zung ver­stan­den wer­den, damit Berühmt­heit zu erlan­gen. Eine ande­re Gemein­sam­keit sind die zwei riva­li­sie­ren­den See­len in der Brust. Bei Dür­ren­matt von Anfang an, bei Hes­se 20 Jah­re spä­ter aus­ge­bro­chen: Malen oder Schrei­ben? Dass es ihn zu bei­dem drin­ge, schreibt der 20-jäh­ri­ge Dür­ren­matt sei­nem Vater und ent­schei­det sich für den Beruf des Schrift­stel­lers. Aller­dings hat er stets auch gezeich­net und gemalt und vom Beginn des Schrei­bens an zu eige­nen Wer­ken Illus­tra­tio­nen ver­fasst oder gemal­te Bil­der in Bezug zum lite­ra­ri­schen Text gestellt, wie um durch Text und Bild eine Aus­sa­ge zu erfas­sen, zu bün­deln, zu ver­tie­fen. Wenn er schrieb lag stets auch Zei­chen­ma­te­ri­al bereit, gedacht, einen Gedan­ken in Tusche fest­zu­hal­ten oder sich vom Schrei­ben zu ent­span­nen. Zu sei­nen Bild­the­men gehö­ren Moti­ve der grie­chi­schen Mytho­lo­gie, dar­un­ter 9 Tusch­zeich­nun­gen zu sei­nem Spät­werk Mino­tau­rus. Eine Bal­la­de, bibli­sche Sze­nen, wie Kreu­zi­gun­gen, Engel oder der Turm­bau zu Babel und Por­traits von Freunden.

Im Gegen­satz zu Hesse´s Aqua­rel­len schuf Dür­ren­matt meist Ölbil­der, aber auch Gou­achen und ger­ne groß­for­ma­tig. Im Cent­re Dür­ren­matt in Neu­châ­tel befin­den sich etwa 1000 Bil­der, dar­un­ter auch gezeich­ne­te Zyklen zu Es steht geschrie­ben, König Johann, der erwähn­te Mino­tau­rus und Midas oder die schwar­ze Lein­wand, wohl sein letz­tes Werk. Dür­ren­matt hat aus­führ­li­che Anmer­kun­gen zu sei­nen Bil­dern und Zeich­nun­gen hin­ter­las­sen und zeigt Ver­flech­tun­gen zum Malen und Schrei­ben auf. 1976 stell­te er in Neu­châ­tel erst­mals Bil­der öffent­lich aus. Es folg­ten Aus­stel­lun­gen in Zürich und Bem. Das lite­ra­ri­sche Werk von Dür­ren­matt war immer all­ge­mein bekannt. Mit sei­nen Büh­nen­wer­ken Der Besuch der alten Dame und Die Phy­si­ker, bei­de wur­den auch ver­filmt, erlang­te er Welt­ruhm. Sei­ne Male­rei war für vie­le eine Überraschung.

Groß ist die Zahl der Maler, die ihre Mehr­fach­be­ga­bung durch Illus­trie­ren von Büchern frem­der Autoren leb­ten. Wil­liam Tur­ner illus­trier­te Wer­ke von Wal­ter Scott und Lord Byron. Alfred Kubin, Maler, Gra­fi­ker und Illus­tra­tor zahl­rei­cher Bücher, unter ande­ren von Eli­as Canet­ti und Edgar Alan Poe, aber auch mit einem Bei­trag zu Hesse´s Dich­tung Der lah­me Kna­be. Kubin stand zudem in reger Kor­re­spon­denz mit Her­mann Hes­se und Ernst Jün­ger. Ernst Bar­lach hin­ter­ließ uns nicht nur sei­ne Bron­ze­skulp­tu­ren, son­dern auch ein umfang­rei­ches zeich­ne­ri­sches, gra­phi­sches und lite­ra­ri­sches Werk. Oskar Kokosch­ka, Maler, Gra­fi­ker und Schrift­stel­ler schuf nicht nur sei­ne expres­sio­nis­ti­schen Gemäl­de, son­dern auch Büh­nen­wer­ke, Gedich­te, Essays und schrieb eine Auto­bio­gra­phie. Gün­ter Grass, gelern­ter Stein­metz, stu­dier­te auch Bild­haue­rei und Gra­phik und illus­trier­te zeich­nend sein lite­ra­ri­sches Schaf­fen. Zeich­nung und Schrei­ben gin­gen bei ihm inein­an­der über, wur­de zur Ein­heit. Die Betrach­tun­gen zu Hes­se und Dür­ren­matt und die Hin­wei­se auf die hier­vor Genann­ten sind nur Gedan­ken­split­ter, die den Leser anre­gen mögen eige­nen Gedan­ken nach­zu­ge­hen. Sie wer­den vie­le Bei­spie­le zu Lite­ra­tur und Male­rei fin­den, etwa von Robert Wal­ser Geschich­ten und Gedich­te Vor Bil­dern, oder vom bie­der­mei­er­lich– roman­ti­schen Carl Spitz­weg und sei­nem augen­zwin­kern­dem …und abends tu ich dich­ten.

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Jahrgang 1939, Erstausbildung kaufmännische Lehre, anschließend private Gesangsausbildung und kunstgeschichtliche Studien in Leipzig. 1961 erstes Engagement (Bass-Bariton) als Solist am Theater in Eisenach. Nach 12 Jahren an verschiedenen Theatern, 1973 Eröffnung einer Kunstgalerie in Basel. Seitdem im Kunsthandel, als Experte für Versicherungen und Berater privater Sammler tätig. Gleichzeitig und bis heute als Sänger in Oratorium, Kirchenmusik und besonders im Liedgesang aktiv.

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