Max Weiler (1910 – 2001)
Bilder, direkt aus der Natur gemacht, wie ein neugeborenes Kind, ohne direkte Tradition: das gehörte zu meinem Traum. Die Inspiration und die Ausführung in einem Neuen, nicht abgegriffenen System (Max Weiler, 1972). Das Verlangen, zeitgemäße künstlerische Antworten zu finden für die ewige Suche des Menschen nach einem wahrhaftigen Abbild der Natur in ihrer ganzen formalen wie geistigen Größe, bildet die Essenz der Kunst von Max Weiler. Als einer der bedeutendsten Maler der österreichischen Moderne des 20. Jahrhunderts entwickelte er in fast sieben Jahrzehnten eine eigene, wohltuend malerische Welt neuartiger Formen und Gestalten, die sich markant von der wachsenden Dominanz der abstrakten und konkreten Kunst nach 1945 differenzierte.
Eine besondere, noch nie ausgestellte und zum Verkauf angebotene Auswahl von Gemälden in Eitempera und Zeichnungen aus den zwei wichtigen Werkperioden der frühen 1960er und 1980er Jahre bietet einmal mehr die Möglichkeit, die kraftvolle Sprache dieses Malers neu zu betrachten und besondere Arbeiten für die eigene Sammlung zu erwerben. Die Galeristen W&K – Wienerroither & Kohlbacher, Experten für die österreichische Kunst des 20. Jahrhunderts, haben für diese Schau ihre noble Dependance im Palais Schönborn-Batthyány im 1. Wiener Bezirk ausgesucht. Der Ort hätte dem Maler zweifellos gefallen, denn in den barocken Sälen, die Raum nicht als Begrenzung, sondern als erlebbaren Begriff von Weite definieren, entfalten die Bilder aus Privatbesitz auf eindrucksvolle Weise ihre atmende und eben auch grenzenlose Aura.
Wie einzelne Werkbeispiele im Palais Schönborn-Batthyány zeigen, überzeugt hier vor allem die Wucht, mit der Farben auf die Leinwand quasi als fassbare Körper und als Botschafter einer eigenen Weisheit aufgetragen wurden.
Max Weiler war Maler im Sinne des antiken Demiurgen, er verstand sich als Schöpfer einer eigenen Welt analog zur Natur. Es war aber eine über Jahrzehnte laufende langsame Abnabelung vom traditionellen Abbilden der sichtbaren Welt und ein immer tiefer gehendes Verständnis für die inneren Zusammenhänge der Natur, ihrer Energie und des sich immer wiederholenden Prinzips des Werdens und Vergehens. Aufgewachsen in einer damals noch intakten und besonders starken Natur- und Kulturlandschaft Tirols, erlebte Max Weiler die Kräfteund Gegensätze der Natur sowie die künstlerischen Antworten auf diese in besonders ausgeprägter Form. Die eigene Kunst musste sich daher von Beginn an mit diesen dominanten, stets fordernden und inspirierenden Vorgaben auseinandersetzen. Die entscheidende Wende kam Ende der 1950er Jahre. Max Weiler war 50 Jahre alt, als er sich von der Kunst des Abbildens gänzlich befreite und eine malerische Natur erzeugte, „die so lebendig ist wie die wirkliche, voller Zufall und doch geordnet“.
Eine Natur, wie er es bezeichnete, „ohne jeden Naturalismus, ein Neuhervorbringen von Baumartigem, Grasartigem, Wolkenartigem, Erdartigem, Blumenartigem, Luftartigem“. Im Zyklus „Als alle Dinge“ versuchte er erstmals die bildreiche wie abstrakte Sprache des biblischen Psalms in der Übersetzung des Mystikers Eckhart nicht figural, sondern allein mit den Mitteln der Farbe und eines gestischen Malauftrags in Malerei umzusetzen. Wie einzelne Werkbeispiele im Palais Schönborn-Batthyány zeigen, überzeugt hier vor allem die Wucht, mit der Farben auf die Leinwand quasi als fassbare Körper und als Botschafter einer eigenen Weisheit aufgetragen wurden.
Diesem Zyklus folgte fast wie ein ruhiger Wind nach dem Sturm die Serie „Wie eine Landschaft“: „Das Schwebende, Luftige, das nicht Fleischige, Steinerne, das nicht vom Menschen Handelnde, nicht Wuchtige, Schwere, Blutige. Das Pflanzliche“ wird in diesen Bildern in wunderbar harmonischer und poetischer Weise zum Ausdruck gebracht. In erdigen Farbtönen als Synonyme für alles Pflanzliche lässt Max Weiler seine stets fließenden, aber körperlose Formen in einem imaginären Raum von großer Tiefe schweben, die seinen Bildern eine sehr sinnliche und meditative Ausstrahlung verleihen. Bezeichnenderweise begann Max Weiler ab 1960 seine Gedanken in den sogenannten Tag- und Nachtheften festzuhalten, während er seine Bilder nun intuitiv, „aus einem anderen Teil meines Wissens“ heraus zu malen versuchte.
Mit 54 Jahren übernahm Max Weiler eine Meisterklasse für Malerei an der Akademie in Wien, die er erst nach seiner Emeritierung 1981 wieder zurückgab. In den folgenden 20 Jahren vollendete Max Weiler aber noch Werkzyklen, die weniger als „Spätwerk“ einzuordnen sind, vielmehr eine fantastische Kumulation seiner bisherigen malerischen Überlegungen und Lösungen darstellen. Der „Waldtempel“ von 1981 bietet in der aktuellen Wiener Ausstellung einen überzeugenden Auftakt dieser letzten Werkphase, während die „Weitgestreckte Landschaft“ aus dem Jahr 1983 mit seinen beeindruckenden Maßen von fast sieben Meter Breite als malerischer Höhepunkt dieser besonderen Werkauswahl einen zeitlichen Rahmen bietet. Die neue Natur im Weilerschen Sinne feiert in diesen Gemälden ihre überzeugenden Triumphe, in leichten, voll positiver Energie geladenen Farbspielen, rhythmisch und explosiv zugleich, voll malerischem Reichtum und graphischer Zartheit.