Die Bilder sagen mir, wohin die Reise geht

Karolina Matyjaszkowicz

Das Ate­lier von Karo­li­na Maty­jasz­ko­wicz in Lowicz ist genau so groß wie eine Decke. Die Decke bekam sie als Kind von ihrer Groß­mutter geschenkt. Heu­te ist sie vol­ler Farb­kleck­se – denn eben auf ihr kniend malt die Künst­le­rin ihre Bil­der. Die­se Posi­ti­on hat übri­gens nichts mit Aske­se zu tun, son­dern ist eine Gewohn­heit aus der Zeit an der Kunst­aka­de­mie. Karo­li­na hat an der Aka­de­mie der schö­nen Küns­te in LodzDe­sign und Tex­til­druck stu­diert (bis 2008), und beim Bedru­cken von Stoff arbei­tet man nun mal auf allen Vieren.

Die Künst­le­rin malt in die­ser Posi­ti­on auch häu­fig auf Sperr­holz oder Span­plat­ten. Das Tafel­bild als Inspi­ra­ti­ons­quel­le ermög­licht aller­lei Expe­ri­men­te mit dem For­mat: Tat­säch­lich haben eini­ge von Karo­li­nas Wer­ken ziem­lich unge­wöhn­li­che For­men. Ihre Moti­ve sind eben­so unge­wöhn­lich: Sie bedient sich an der Sla­wi­schen Mytho­lo­gie, alten Vor­stel­lun­gen und Tra­di­tio­nen ande­rer Kul­tu­ren, Folk­lo­re – ein­schließ­lich loka­ler volks­tüm­li­cher Bräu­che aus ihrem Hei­mat­be­zirk Lowicz – und baut Bezü­ge zu alten Meis­tern ein, etwa Hie­ro­ny­mus Bosch oder Hen­ri Rous­se­au. Als Inspi­ra­ti­on die­nen Maty­jasz­ko­wicz zudem Fil­me von Andrzej Kond­ra­ti­uk, Jan Jakub Kol­ski, Wojciech Has, Lech Majew­ski und Ser­gei Parajanov.

Karo­li­na Matyjaszkowicz

Die Künst­le­rin hat das Gefühl, in zwei Wel­ten zugleich zu leben – der nor­ma­len und der magi­schen Welt. 

Auf der Suche nach den Ursprün­gen der Zivi­li­sa­ti­on ent­deckt die Künst­le­rin eine Gemein­sam­keit aller Kul­tu­ren: Spi­ri­tua­li­tät und die Suche nach ratio­na­len Erklä­run­gen für kom­plex­e­Phä­no­me­ne. Woher kom­men Sturm, Wind oder Krank­heit? Sie las­sen sich als die Tat von Krea­tu­ren erklä­ren, die man wohl­ge­sinnt stim­men soll­te – so beschwich­ti­ge man den sla­wi­schen Dämon Kło­buk bei­spiels­wei­se mit Eiern und Schin­ken. Und mit Kło­buc­zek begann alles. Es han­delt sich um eine Figur aus dem Buch von Ire­na Kwin­to­wa, aus demihr die Groß­mutter frü­her vor­las. Das Buch mit sei­nen alten Volks­sa­gen wie auch die Erin­ne­rung dar­an, wie die Groß­mutter dar­aus vor­las, beein­fluss­ten Karo­li­nas Leben und Entscheidungen.

Karo­li­na ver­ließ Lowicz mit 15 Jah­ren, um die Kunst­schu­le in Lodz zu besu­chen. Nach ihrem Stu­di­um arbei­te­te sie dort als Tex­til­dru­cker­de­si­gne­rin und begann, für sich selbst zu malen. Als ihr Vater starb, kehr­te sie ins Haus ihrer Fami­lie zurück, kon­zen­trier­te sich auf die Male­rei und blieb dort. Wäh­rend ihres Stu­di­ums an der Aka­de­mie der schö­nen Küns­te such­te sie nach ihren Wur­zeln und sich selbst. Gleich nach dem Abschluss ent­stand ihr ers­tes „magi­sches“ Werk. Karo­li­na liebt den nai­ven Stil volks­tüm­li­cher Künst­ler, von Künst­lern mit geis­ti­gen Beein­träch­ti­gun­gen, den der Pri­mi­ti­vis­ten wie Teofil Ociep­ka und ande­ren aus der Gemein­de von Janów. Karo­li­na malt seit ihrer Kind­heit, es ist also eine Beru­fung. Eigent­lich soll­te sie Medi­zin stu­die­ren, aber selbst wenn es tat­säch­lich so gekom­men wäre, hät­te sie ihren Weg zur Krea­ti­vi­tät gefun­den. Zu Beginn stell­te Karo­li­na ihre Far­ben selbst her und expe­ri­men­tier­te mit Farb­tö­nen. Bald schon stell­te sich aller­dings her­aus, dass sie gegen Ölfar­ben all­er­gisch war, also sat­tel­te sie auf was­ser­ba­sier­te Acryl­far­ben um. Heu­te zieht es die Künst­le­rin zu drei­di­men­sio­na­ler Kunst hin. Sie plant Instal­la­tio­nen und Skulp­tu­ren. Als Inspi­ra­ti­on dient die nai­ve Kunst von Sta­nisław Zaga­jew­ski. Die Instal­la­tio­nen aus Gegen­stän­den, die sie seit ihrer Kind­heit ange­sam­melt und auf Märk­ten in Lowicz erstan­den hat, ist für die Aus­stel­lung des Muse­ums Lowicz über die „bobi­ki“, typi­sche Markt­stän­de am Fron­leich­nams­fest, im Jahr 2018 geplant.

Sie malt, was sie erlebt und beob­ach­tet. Wie ist das ange­sichts ihrer fan­tas­ti­schen Wel­ten zu ver­ste­hen? „Wenn ich etwas aus mei­ner Vor­stel­lung male, ist es für mich nor­mal: Eine Situa­ti­on, die ich erlebt habe. Wenn ich sehe, wie sich ein Sturm zusam­men­braut, ver­su­che ich mei­ne Ein­drü­cke zu malen – viel­leicht erzäh­le ich die Geschich­te anders, mit Figu­ren aus einer Fan­ta­sie­welt, aber die Far­ben und Struk­tu­ren stam­men aus der Realität.“

Sie schätzt die Arbeit all jener, die aus ihren Wur­zeln schöp­fen, um Neu­es zuschaf­fen – wie Kape­la ze Wsi Wars­za­wa oder Dzi­kie Jabł­ka. Sie macht es selbst genau­so. Manch­mal fin­den sich in ihren Wer­ken Bezü­ge zu ande­ren Kul­tu­ren. „Jung sprach vom kol­lek­ti­ven Unbe­wuss­ten, davon, dass wir alle in einem unsicht­ba­ren Netz ver­bun­den sind. Das trifft auf die Natur, die Quan­ten­phy­sik, Lite­ra­tur und Kunst genau­so zu – Picas­so und Male­wicz haben unab­hän­gig von­ein­an­der begon­nen, Ähn­li­ches zu schaf­fen. Ich fin­de die­se Ver­bin­dung schön.“

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geschrieben von

Journalistin & Kunsthistorikerin. Redakteurin der Kulturzeitschrift "Kalejdoskop" in Lodz (Polen). Sie war Rezensentin für Kunstausstellungen in "Gazeta Wyborcza" in Lodz. Sie interessiert sich besonders für moderne und zeitgenössische Kunst und begleitet die Entwicklung junger Künstlerinnen & Künstler.

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