Volkstum und Historie
Franz von Defregger erblickt am 30. April 1835 auf dem Ederhof zu Stronach in der Osttiroler Gemeinde Dölsach bei Lienz das Licht der Welt. Der künstlerisch begabte Junge fertigt schon mit zehn Jahren Scherenschnitte und erste Zeichnungen an und entdeckt auch seine große Liebe zur Musik. In der Dölsacher Musikkapelle spielt er das Flügelhorn. Stolz ist man in seiner Heimatgemeinde auf eine besondere Sehenswürdigkeit: das Altarbild mit der Heiligen Familie, das der berühmteste Mann der Gemeinde für die Pfarrkirche von Dölsach malt.
Seiner künstlerischen Neigung folgend, geht Defregger 1860 nach Innsbruck, wo er als Lehrling in die Werkstatt des Bildschnitzers und Professors Michael Stolz eintritt. Dieser erkennt sehr rasch Defreggers Talent für das Zeichnen und empfiehlt ihn auf einer München-Reise an den Historienmaler und Professor der Akademie Karl von Piloty. An der Münchner Akademie besucht er die Klasse von Hermann Anschütz und es entstehen seine ersten Ölbilder.
…Der Künstler, der der Malerei nicht nur ein neues Gesicht erschlossen, sondern zugleich durch seine rasch errungene Volkstümlichkeit seinem Heimatlande Ehre, Ruhm und Mehrung seiner irdischen Güter gebracht hat …
Im Sommer 1863 bricht der Künstler nach Frankreich auf und in Paris kommt er erstmals mit dem Impressionismus in Berührung, sieht Bilder von Manet und Monet. In zahlreichen seiner späteren Arbeiten ist eine gewisse Vertrautheit mit der impressionistischen Sichtweise erkennbar.
1867 findet Defregger Aufnahme in Piloty´s Komponierklasse und seine erste großformatige Fassung des Werkes „Der verwunderte Jäger“ erregt Aufsehen im Münchner Kunstverein und wird umgehend verkauft. Sein Durchbruch ist geschafft, die Achtung der Kritiker ist ihm sicher. In der Folgezeit malt er zahlreiche Porträts, die sich beim Publikum größter Beliebtheit erfreuen. Das „Dirndl“ zählt dabei zu einer Gruppe von lieblichen Mädchenporträts in Tracht, die Defregger mit gekonntem Pinselstrich lebensnahe festzuhalten vermag. Die Konturen sind weich gezogen und die unterschiedlichen Stofflichkeiten mit seidenem Schultertuch faszinieren den Betrachter. Sein ausgeprägtes Geschick für die Darstellung der Augen vermitteln verschiedenste Stimmungen und Empfindungen.
Das erste Historienbild mit dem Thema „Speckbacher und sein Sohn Anderl“ entsteht, wird auf der Münchner Internationalen Kunstausstellung von 1868 ein großer Erfolg und Defregger weiter bekannt. Im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung entsteht für die Neue Pinakothek das monumentale Werk „Der Schmied von Kochel“, auch „Die Erstürmung des Roten Turms“ genannt.
Monumentale Hauptwerke, wie „Das letzte Aufgebot“ oder „Die Heimkehr der Sieger“ und zahlreiche Auftragsarbeiten von unterschiedlichsten Interieurs folgen. Im Jahr 1880 gibt Defregger in der Münchner Königinstraße 31 eine großzügige Villa im Stil der Neorenaissance in Auftrag. Hier entwickelt sich ein lebhaftes künstlerisches Leben: Literaten, Schauspieler, Dirigenten und Maler gehen bei Defregger ein und aus. In den Achtziger Jahren entsteht eine Serie von Gebirgsbildern, hauptsächlich inspiriert von Sommeraufenthalten der Familie auf dem Dölsacher Aussichtsberg Ederplan. Dort ließ der Künstler ein Blockhaus errichten, nach seiner Frau das „Annahaus“ genannt. Es entsteht das Gemälde „Alpenlandschaft des Ederplan“, das auf der Berliner Jahrhundertausstellung 1906 großes Aufsehen erregt und von der Berliner Nationalgalerie spontan angekauft wird. Das Bild ist im letzten Krieg verschollen, allerdings existiert noch eine zweite Version, die der ersten Fassung aufs Haar gleicht und sich in einer qualitätsvollen Lienzer Sammlung befindet.
Den „echten“ Defregger zeigen verschiedene Kinderdarstellungen, die der Maler nur für seine Familie geschaffen hat und Erinnerungen an die Pariser Zeit wach werden lassen. Seine Auftragsbücher sind übervoll und der Kunstmarkt verlangt vom Künstler, seine bekannten und beliebten Motive in unterschiedlichen Kombinationen zu variieren. Dazu besitzt der Münchner Kunstverlag Hanfstaengel die Abdrucksrechte und sorgt für eine Verbreitung der Standardmotive in hohen Auflagen. Diese Drucke werden vielfach übermalt und sind von Originalen selbst für Experten oft nur schwer zu unterscheiden. Zwischen 1893 und 1902 zieht es Defregger noch einmal zu seinem historischen Lieblingsthema, dem Tiroler Volksaufstand von 1809.
Von den wenigen Schülern, die er ausbildet und die in seiner Tradition arbeiten, gelingt nur Joseph Moroder Lusenberg der Durchbruch. Auch Albin Egger Lienz, der sich später völlig vom Stil seines Lehrers löst, zählt zu den ganz Großen der Malerei. Vielfache Ehrungen werden dem Künstler zuteil. Im 86. Lebensjahr stirbt Defregger am 2. Januar 1921 und wird auf dem Münchner Nordfriedhof beigesetzt. Ein großer Sohn seiner Osttiroler Heimat, ein Malergenie der Münchener Schule hinterlässt ein OEuvre von mehr als 3.500 Gemälden, davon allein 450 Frauenporträts.