Im Reich von Mäzenin Heidi Goëss-Horten

Heidi Horten Collection

Heidi Goëss-Hor­ten hat­te im Febru­ar 2018 ihre spek­ta­ku­lä­re Kunst­samm­lung mit Meis­ter­wer­ken der moder­nen und zeit­ge­nös­si­schen Kunst erst­mals im Rah­men einer Aus­stel­lung im Wie­ner Leo­pold Muse­um der Öffent­lich­keit prä­sen­tiert. So ließ man sich auch vom Glanz der Mäze­nin inspi­rie­ren und wid­me­te ihr the­ma­tisch das zum krö­nen­den Abschluss der Aus­stel­lung statt­fin­den­de Fund­rai­sing Din­ner. Bei dem glit­zern­den Fest fei­er­te das Leo­pold Muse­um sei­ne bis dato erfolg­reichs­te Aus­stel­lung im Bei­sein aller Grö­ßen aus Kunst, Kul­tur und Wirt­schaft. Gespen­det wur­de für die Kunst­ver­mitt­lung – ein Anlie­gen, dass Hei­di Goëss-Hor­ten eben­so wäh­rend der Aus­stel­lung groß­zü­gig geför­dert hat­te. Der gro­ße Erfolg der erst­ma­li­gen öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on ihrer Samm­lung ver­an­lass­te die Mäze­nin dazu, ein Palais für die dau­er­haf­te Prä­sen­ta­ti­on ihrer „Mega-Samm­lung“ zu erwer­ben, das nach auf­wen­di­gen Umbau­ar­bei­ten Anfang 2022 im Her­zen Wiens eröff­nen soll.

WER ABER IST DIESE GROSSE SAMMLERPERSÖNLICHKEIT?
Von den Medi­en nun oft­mals mit der legen­dä­ren Samm­le­rin Peg­gy Gug­gen­heim ver­gli­chen, wuchs in Hei­di Goëss-Hor­ten in den letz­ten Jah­ren das Anlie­gen, ihre seit über 30 Jah­ren mit viel Empa­thie zusam­men­ge­tra­ge­ne Kunst­samm­lung einem inter­es­sier­ten Publi­kum zugäng­lich zu machen. Die Exis­tenz ihrer hoch­ka­rä­ti­gen Samm­lung war jedoch bis zur Prä­sen­ta­ti­on im Leo­pold Muse­um im Jahr 2018 ein gut gehü­te­tes Geheim­nis, über das ledig­lich in Fach­krei­sen gemun­kelt wurde.

O. Mor­gen­sz­tern Hei­di Hor­ten Collection

Die Kunst, mit der ich seit vie­len Jah­ren lebe, ist zu greif­ba­rer Kunst­ge­schich­te gewor­den. Die­ses Erleb­nis möch­te ich nun im Rah­men der Aus­stel­lung im Leo­pold Muse­um mit ande­ren Men­schen teilen. 

Nach dem Tod ihres ers­ten Man­nes Hel­mut Hor­ten, mit dem sie auf den zahl­rei­chen Rei­sen immer wie­der Kunst­wer­ke und objet d’art für die gemein­sa­men Resi­den­zen erwor­ben hat­te, ent­schloss sich Hei­di Goëss-Hor­ten Anfang der 1990er Jah­re, eine eige­ne Kunst­samm­lung nach ihrem per­sön­li­chen Geschmack auf­zu­bau­en. Da ihr von Anfang an klar war, dass sie mit ihren Kunst­wer­ken leben und sich in ihren Resi­den­zen damit umge­ben wür­de, beab­sich­tig­te sie, nur sol­che Objek­te zu erwer­ben, zu denen sie einen Bezug auf­bau­en konn­te. Vor den Ankäu­fen beschäf­tig­te sie sich daher inten­siv mit den ein­zel­nen Wer­ken. In den ers­ten Jah­ren ging es der Samm­le­rin also kei­nes­wegs dar­um, nach einem beson­de­ren Gesichts­punkt zu sam­meln, weder woll­te sie einen the­ma­ti­schen Schwer­punkt set­zen noch sich auf bestimm­te Stil­rich­tun­gen oder Künst­ler beschränken.

Nach­dem Hei­di Goëss-Hor­ten zunächst bei eini­gen Auk­tio­nen auf eige­ne Faust gekauft hat­te, merk­te sie, dass ein pro­fes­sio­nel­les Auge, das über Qua­li­tät und Wert eines Kunst­werks Aus­kunft geben kann, ein wich­ti­ges Asset wäre. In die­sem Zusam­men­hang lern­ten wir uns auf pro­fes­sio­nel­ler Ebe­ne sehr gut ken­nen. In mei­ner dama­li­gen Funk­ti­on als Head of Sothe­bys Öster­reich war ich auch zustän­dig für die Betreu­ung der inter­na­tio­na­len Top-Kun­den, und so ent­wi­ckel­ten wir ein tie­fes Ver­trau­ens­ver­hält­nis, das bis heu­te anhält. Der Auf­bau von Hei­di Goëss-Hor­tens beein­dru­cken­der Samm­lung erfolg­te groß­teils über Ankäu­fe bei Auk­tio­nen; eine davon soll­te beson­ders prä­gend sein: Im Juni 1996 fand in Lon­don der jähr­li­che Evening Sale bei Sotheby’s statt. Wäh­rend die­ser Auk­ti­on, die über 3 Tage ging, war ich mit der Samm­le­rin über das Tele­fon ver­bun­den. Jene Tage in Lon­don wer­den mir immer in leb­haf­ter Erin­ne­rung blei­ben. Es war eine unver­gleich­li­che Atmo­sphä­re, als wir Zuschlag für Zuschlag erhiel­ten und am Ende ins­ge­samt drei­ßig Gemäl­de der impres­sio­nis­ti­schen, der moder­nen und der zeit­ge­nös­si­schen Kunst erstei­gert hat­ten. Hei­di Goëss-Hor­ten war es also in nur weni­gen Tagen gelun­gen, iko­ni­sche Meis­ter­wer­ke für ihre Samm­lung zu erwer­ben. Die Band­brei­te der Samm­lung hat­te sich maß­geb­lich ver­än­dert, führ­te nun Namen wie Pierre-Augus­te Renoir, Joan Miró, Max Pech­stein, Pablo Picas­so, Hen­ri Matis­se, Paul Klee, René Magrit­te, Egon Schie­le, Lucio Fon­ta­na, Jean Dubuf­fet, Luci­an Freud, Fran­cis Bacon, Yves Klein oder Georg Base­litz. Die Samm­lung hat­te damit qua­si über Nacht eine völ­lig neue Dimen­si­on erreicht – sie war bereits damals zu einer Pri­vat­samm­lung euro­päi­schen Rangs herangewachsen!

In den Tagen nach der Auk­ti­on über­schlug sich die Bericht­erstat­tung in den inter­na­tio­na­len Medi­en mit Spe­ku­la­tio­nen. Alle gro­ßen euro­päi­schen und US-ame­ri­ka­ni­schen Tages­zei­tun­gen stürz­ten sich auf den sen­sa­tio­nel­len Kunst­kauf. Die Geschich­te füll­te gan­ze Dop­pel­sei­ten mit wil­den Ver­mu­tun­gen, die Blät­ter titel­ten mit Schlag­zei­len wie „A Mys­tery Livens Lon­don Art Auc­tions“, und die New York Times attes­tier­te dem omi­nö­sen Bie­ter einen „superb artis­tic tas­te“. Hei­di Goëss-Hor­ten trieb den Auf­bau ihrer Samm­lung mit gro­ßem Enthu­si­as­mus vor­an und begann, sich auch für das Schaf­fen zeit­ge­nös­si­scher Künst­ler zu interessieren.

So ent­deck­te sie Geor­ge Con­do lan­ge vor sei­nem inter­na­tio­na­len Durch­bruch und erwarb bei einem Besuch in sei­nem New Yor­ker Ate­lier 20 Arbei­ten auf einen Schlag. Auch Juli­an Schna­bel besuch­te sie in sei­nem Ate­lier und beauf­trag­te, fas­zi­niert von sei­nen abs­trak­ten Male­rei­en, 2 Wer­ke, die er mit For Hei­di I und II betitelte.

So kris­tal­li­sier­te sich lang­sam, aber ste­tig der kul­tu­rel­le Wert die­ser beein­dru­cken­den Pri­vat­samm­lung her­aus. Was als Lei­den­schaft begon­nen hat­te, reprä­sen­tiert heu­te einen his­to­ri­schen Streif­zug durch die west­li­che Kunst­ge­schich­te der letz­ten ein­hun­dert Jah­re. Betrach­tet man die Samm­lung, so lässt sich an ihr able­sen, wie sich ein­zel­ne Kunst­strö­mun­gen her­aus­ge­bil­det haben, wie Künst­ler ein­an­der gegen­sei­tig beein­fluss­ten und wor­in das Revo­lu­tio­nä­re im OEu­vre jedes ein­zel­nen Kunst­schaf­fen­den liegt. Mit den heu­ti­gen Samm­lungs­schwer­punk­ten der Kunst des Fin de Siè­cle in Öster­reich, des deut­schen und des inter­na­tio­na­len Expres­sio­nis­mus, der Arte Pove­ra, der euro­päi­schen Nach­kriegs­kunst und der Pop-Art ist die Hei­di Hor­ten Coll­ec­tion zu einer Samm­lung mit musea­lem Cha­rak­ter geworden.

Als Hei­di Goëss-Hor­ten dann im Jahr 2017 den Wunsch äußer­te, ihre Samm­lung zum ers­ten Mal mit der Öffent­lich­keit zu tei­len, war es für mich als ihre lang­jäh­ri­ge Freun­din und Bera­te­rin eine gro­ße Ehre, die­se ers­te Aus­stel­lung im Wie­ner Leo­pold Muse­um zu orga­ni­sie­ren und kura­tie­ren zu dürfen.

Die Prä­sen­ta­ti­on mit 170 „Glanz­lich­tern“ aus der Samm­lung ent­wi­ckel­te inter­na­tio­na­le Strahl­kraft, nicht zuletzt durch den beglei­ten­den Medi­en­rum­mel, der Schlag­zei­len wie Der Schatz vom Wör­ther­see, Mil­li­ar­dä­rin mit WOW-Effekt oder Breath­ta­king Hei­di Hor­ten Coll­ec­tion her­vor­brach­te. Die natio­na­le wie inter­na­tio­na­le Kunst­sze­ne war fas­zi­niert von der öster­rei­chi­schen Pri­vat­samm­lung, die für den Groß­teil der Men­schen völ­lig uner­war­tet ans Licht der Öffent­lich­keit kam. Die Kom­bi­na­ti­on aus Über­ra­schung, Qua­li­tät und Dich­te der Wer­ke sowie das Inter­es­se an der Samm­ler­per­sön­lich­keit zog die Men­schen in ihren Bann.

Da es Hei­di Goëss-Hor­ten auch ein Anlie­gen war, den Zugang zur Kunst mög­lichst bar­rie­re­frei zu gestal­ten, ermög­lich­te sie wöchent­li­chen frei­en Ein­tritt ins Muse­um sowie kos­ten­lo­se Kunst­ver­mitt­lungs­pro­gram­me für Kin­der und Erwach­se­ne. Die eben­so von der Samm­le­rin geför­der­te wis­sen­schaft­li­che Auf­ar­bei­tung der Samm­lung im Zuge des gro­ßen Aus­stel­lungs­ka­ta­logs brach­te ein Stan­dard-Nach­schla­ge­werk der Kunst des 20. Jahr­hun­derts hervor.

Das Inners­te, den See­len­aus­druck, fremd­welt­lich und nach frem­den Maß­stä­ben bewer­ten zu las­sen, bedeu­tet: sein pochen­des Herz auf den Tisch zu legen und zuzu­las­sen, dass ande­re mit dem Ham­mer drauf­schla­gen. Als Künst­ler sei­ne Gro­ße Sehn­sucht zu leben heißt aber, weder Gott noch per­fekt zu sein. Es heißt viel­mehr: das Uner­reich­ba­re ernst zu neh­men, als Weg­wei­ser. Und man braucht Mut – allen Mut sei­nes je eige­nen Künst­ler­seins, der weg­wei­sen­den Ahnung ins Zukünf­ti­ge, Unge­wis­se, Offe­ne zu fol­gen. Denn es ist ein Sich-Mes­sen mit dem Abso­lu­ten und man ist immer der ers­te der die­sen Weg geht. Für die­sen wesent­li­chen Bei­trag zur Berei­che­rung der öster­rei­chi­schen Kul­tur­land­schaft wur­de Hei­di Goëss-Hor­ten im Jahr 2018 vom öster­rei­chi­schen Staat das Ehren­zei­chen für Wis­sen­schaft und Kunst verliehen.

Ange­regt durch den gro­ßen Zuspruch im Rah­men der erst­ma­li­gen öffent­li­chen Prä­sen­ta­ti­on ihrer Samm­lung ent­schied sich die Mäze­nin im Früh­jahr 2019, ein eige­nes Muse­um zu grün­den, um auch nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen den Zugang zu ihrer Samm­lung zu ermög­li­chen. „Die ers­te öffent­li­che Prä­sen­ta­ti­on mei­ner Samm­lung hat gezeigt, dass es offen­sicht­lich ein gro­ßes Inter­es­se und eine beson­de­re Neu­gier­de gibt, Kunst zu erle­ben. Vor allem die Ver­mitt­lung an jun­ge Men­schen war und ist mir ein Anlie­gen, sodass ich beschlos­sen habe, mei­ne Samm­lung auch für nach­fol­gen­de Gene­ra­tio­nen zu erhal­ten und erleb­bar zu machen.“

Die Pres­se­mel­dung „Hei­di Goëss-Hor­ten erwirbt Wie­ner Innen­stadt-Palais für eige­nes Muse­um“ sorg­te daher für gro­ße Schlag­zei­len: Ein neu­es Pri­vat­mu­se­um im Her­zen Wiens, an einer so genann­ten Prime Loca­ti­on, gleich zwi­schen Staats­oper und Burg­gar­ten, aber doch nicht auf­dring­lich an der Ring­stra­ße gele­gen, so etwas gab es noch nicht. Nach einem gela­de­nen Wett­be­werb, in dem drei inter­na­tio­nal renom­mier­te Archi­tek­tur­bü­ros um die Neu­ge­stal­tung des so genann­ten Stö­ckel­ge­bäu­des rit­ter­ten, ging the next ENTER­pri­se archi­tects als Sie­ger hervor.

Als Archi­tek­ten sind wir Exper­ten für die Emo­tio­na­li­sie­rung von Raum – bei der Ent­wick­lung einer Visi­on für das Palais Goëss-Hor­ten stan­den wir vor der Her­aus­for­de­rung, His­to­rie und Gegen­wart sym­bio­tisch zu ver­bin­den. Es ist unser Ziel, dem his­to­ri­schen Stö­ckel­ge­bäu­de durch geziel­te Ein­grif­fe Signi­fi­kanz, Charme und Moder­ni­tät zu ver­lei­hen.“ So the next ENTER­pri­se­ar­chi­tects In ihrer Idee lässt das Archi­tek­ten-Duo His­to­rie und Gegen­wart gekonnt auf­ein­an­der­tref­fen. Der Ent­wurf zielt dar­auf ab, das Poten­zi­al des ver­wun­sche­nen Stö­ckel­ge­bäu­des für ein moder­nes Muse­ums­ge­bäu­de nutz­bar zu machen: Kon­trast zwi­schen Außen- und Innen­ge­stal­tung kenn­zeich­nen die Visi­on für das Muse­um mit „WOW!“- Effekt“.

Ich war tief beein­druckt, wie es den Archi­tek­ten mit ihrer Idee gelun­gen ist, dem Palais eine Atmo­sphä­re zu ver­lei­hen, die sowohl die Geschich­te des Gebäu­des respek­tiert als auch die Bedürf­nis­se eines in die Zukunft gerich­te­ten Muse­ums widerspiegelt. 

Wäh­rend eine Außen­be­grü­nung dafür sorgt, dass sich das Muse­um unprä­ten­ti­ös in die Kulis­se am Burg­gar­ten ein­fügt, schaf­fen ver­setz­te, schwe­ben­de Aus­stel­lungs­ebe­nen und uner­war­te­te Blick­ach­sen im Inne­ren einen effekt­vol­len Rah­men für die Hei­di Hor­ten Coll­ec­tion. Ins­ge­samt wird das neue Muse­um über 3 Aus­stel­lungs­ebe­nen mit ins­ge­samt ca. 1.500 m² rei­ner Aus­stel­lungs­flä­che ver­fü­gen. Auf zwei Ter­ras­sen wer­den die seit der ers­ten Aus­stel­lung berühm­ten Skulp­tu­ren aus den Skulp­tu­ren­parks der Mäze­nin behei­ma­tet sein. An der Umset­zung der archi­tek­to­ni­schen Visi­on arbei­ten wir mit einem kom­pe­ten­ten Team aus Fach­kräf­ten. Wir sind zuver­sicht­lich, dass die­ses neue Pri­vat­mu­se­um, das in naher Zukunft eröff­nen wird, ein neu­er Kunst-Hot­spot in Wien wer­den wird.

So reiht sich Hei­di Goëss-Hor­ten, von der inter­na­tio­na­len Kunst­samm­ler­platt­form art­net unter die TOP 200 Coll­ec­tors gewählt, in eine Rie­ge mit bedeu­ten­den Kunst­mä­ze­n­in­nen und – mäze­nen, deren Werk für die Nach­welt erhal­ten blei­ben wird.

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Sie studierte Kunstgeschichte in Wien und Paris. 1981 eröffnete sie die Wiener Filiale von Sotheby’s, und leitete die Dependancen Wien, Budapest und Prag bis ins Jahr 2000. Seit 2001 wirkt Agnes Husslein-Arco als Museumsdirektorin. So leitete sie das Rupertinum in Salzburg und war Gründungsdirektorin des Museums der Moderne Salzburg. Sie verantwortete zahlreiche Großprojekte wie den Aufbau des MMKK – Museum Moderner Kunst in Kärnten. Von 2007 bis 2016 leitete sie äußerst erfolgreich das Wiener Belvedere. Seit 2017 ist sie Vorstandsmitglied in der Leopold Museum-Privatstiftung, wo sie die erstmalige Präsentation der Heidi Horten Collection kuratierte.

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