Venedig 2017.
Ein fotografischer Essay von Alfred Weidinger
»Farbe ist Licht« und »Licht ist Farbe« – Brigitte Kowanz (1957–2022) hat in ihrem Werk zwei wesentliche Paradigmen des Bildbegriffs nicht nur um das reale, elektrische Licht erweitert, sondern um das Wort erweitert. Damit hat sie die sprachanalytische und sprachkritische Tendenz des Wiener Kreises fortgeführt – des nach wie vor führenden Beitrags Österreichs zur Philosophie des 20. Jahrhunderts. Für sie war das Medium Licht nicht nur ein Bildkontinuum, sondern auch ein literarisches Experiment. Ihr Licht hat nicht nur das Bild in den Raum expandiert. Ihre Worte haben den Gedankenraum erweitert. Mit Spiegeln und poetischen Techniken erschuf sie selbstreferentielle Systeme.
Brigitte Kowanz konzeptuell-analytische Methodik erforschte die Mechanismen von Codes – Lichtspuren, Sprachbilder, Schriftzeichen. Ihre Verbalanalysen entlarvten durch Dekonstruktion, Multiplikation und Vereinzelung, wie sehr Sprache eine Kultur und eine Gesellschaft konstituiert – lange bevor diese Erkenntnis im allgemeinen Diskurs angekommen ist. Ebenso visionär verwandelte Kowanz Räume mit Leuchtinstallationen aus Glas und Spiegeln in virtuelle Lichträume. Mit dieser Koppelung von Licht und virtuellem Raum, von Wort und Bild, arbeitete Kowanz transluzid an und mit den Grenzen von real und virtuell, außen und innen, offen und geschlossen. Ihr Werk steht für die Entgrenzung und Symbiose von Sprach-Malerei und Licht-Architektur.
Diese neue Herangehensweise an ihr Leben und ihre Arbeit bedeutet für mich in besonderer Weise auch die Auseinandersetzung mit flüchtigen Erinnerungen und tiefer Zuneigung. Ich traf Belkis in den ersten Monaten des Jahres 1999 im Hauptquartier der Union der Schriftsteller und Künstler Kubas, als sie gerade die Ideen für ein Fernsehprojekt über plastische und bildende Kunst ausarbeitete. Irgendjemand hatte mir empfohlen, sie wegen ihrer Fachkenntnisse und ihrer Begeisterung für die Kunstförderung anzusprechen, die stets treffend von ihr kommentiert und von ihrem offenen Lächeln begleitet wurden. Mir blieb jedoch keine Zeit, die Freundschaft zu vertiefen, da ihr Tod so abrupt und plötzlich als auch unerklärlich eintrat; die wenigen Begegnungen zwischen uns reichten jedoch aus, um uns zu gegenseitig einzuordnen und in meiner Erinnerung ein Bild jenseits der Künstlerin zu hinterlassen, nämlich das eines liebenswerten Menschen, der für uns fast unentbehrlich geworden war.

Licht ist was man sieht. Licht bleibt nie bei sich, kennt keinen Ort, ist immer in Bewegung.
2017 haben Brigitte Kowanz und Erwin Wurm den österreichischen Pavillon auf der 57. Biennale di Venezia bespielt. Der Architekt Hermann Eisenköck entwarf für Kowanz den sogenannten »Light Space« – ein minimalistischer Holzpavillon als stimmige Erweiterung des Hoffmann-Gebäudes. Während der Aufbauarbeiten der Installationen im Pavillon der Biennale entstand in der Glasmanufaktur der Fondazione Berengo das Werk VOLUMEN, ein monumentales Kunstwerk aus Glas mit etwa 50 cm Durchmesser. Der Filmemacher Timo Novotny, die Kuratorin Arnika Schmidt und ich begleiteten Brigitte Kowanz und ihren Sohn Adrian während der Vorbereitungs- und Aufbauarbeiten in Venedig. Dabei entstand ein kurzer Dokumentarfilm, der nicht nur im Österreich-Pavillon zu sehen war, sondern auch im Filmprogramm der Biennale de Venezia lief.
Mit meiner Kamera habe ich unsere gemeinsamen Begegnungen in Venedig und in Salzburg 2017 festgehalten.
Die Fotos zeigen:
- Brigitte und Adrian Kowanz in der Glasmanufaktur von Adriano Berengo, Murano 2017
- Brigitte Kowanz in der Galerie Nikolaus Ruzicska, Salzburg 2017