Interview mit Bettina Werner
WER SICH IN DER KUNSTWELT EINER NEUEN ERFINDUNG RÜHMEN KANN, HAT WAHRHAFT AUSSERORDENTLICHES ERREICHT – GANZ BESONDERS GILT DIES FÜR DIE VIELGEPRIESENE KUNSTPIONIERIN BETTINA WERNER. DIE ABGÄNGERIN DER KUNSTAKADEMIE ACCADEMIA DI BRERA IN MAILAND IST FÜR IHRE VOR ETWA DREISSIG JAHREN IN ITALIEN VOLLENDETE ARBEITSTECHNIK MIT DEM MEDIUM SALZ AUCH ALS „SALZKÖNIGIN“ BEKANNT.
Die Werke der Künstlerin wurden in zahlreichen Museen ausgestellt, darunter im Whitney in New York, im Moskauer Puschkin, an der Mailänder Triennale und in Galerien und öffentlichen Plätzen auf der ganzen Welt. Dieses hochinteressante Interview mit Bettina Werner fand in ihrem herrlichen Loft im Philippe-Starck- Gebäude statt – mitten im New Yorker Financial District, unmittelbar neben Hermes und gegenüber der Börse. Als ich aus dem Aufzug stieg, verlor ich mich in einem Labyrinth aus Gängen mit Designer-Deko. Bettina Werners charmante italienische Stimme führte mich zu ihrem Künstlerloft. Ich war verblüfft, als ich schließlich das Herz des Reichs der Salzkönigin erreichte.
Wie kamen Sie auf Salz?
Es war eine Intuition. Salz ist das „fünfte Element“ und für das menschliche Leben ebenso wichtig wie Feuer, Erde, Luft und Wasser. Homer nannte es „die göttliche Substanz“ – und wie könnte ich jemals dem größten der alten griechischen Philosophen widersprechen? Die innovative Salztextur entsteht durch ein komplexes Verfahren der Vermischung von Meersalz und Farbe. Nachdem ich den Prozess entwickelt hatte, war ich gleich fasziniert von der Anziehungskraft jedes einzelnen Kristalls und der magischen Kraft des Salzes. Wenn ich mit meinen Fingern die Bewegungen der Oberfläche forme und Eins mit seiner Essenz, seinen Schwingungen und seiner immensen Größe bin, fange ich die Seele dieses Urelements ein.
Was bedeutet Ihnen Ihre Kollektion „CHAKRA: Seven Sacred“?
Die sieben Farben meiner Chakra-Kunstkollektion stehen für die unterschiedlichen Farben des Chakra. Sie stellen die Energiepunkte in unserem Körper dar, wie man sie aus fernöstlichen spirituellen Lehren des Erwachens und des „Kundalini“ kennt – der Schlangenkraft, die sich durch jedes Chakra zieht und zum höheren Sein und der Erleuchtung führt.
Wie entstand die Kollektion „Love“ rund um die Werke „I Swear Love“, „Love Forever“ und „A Kiss from the Queen of Salt “?
Ich hatte den „Kuss“ ursprünglich für eine bekannte Wohltätigkeitsausstellung in Mailand und ein wunderschönes, von Leonardo Arte verlegtes Buch geschaffen. Das Bild war Teil einer Reihe unterschiedlicher Versionen eines Kusses, die von internationalen Künstlern und Persönlichkeiten stammten, darunter Cher, Tina Turner, Catherine Deneuve, Kim Basinger, Brigitte Bardot und Fanny Ardant. Mein kleinformatiger Kuss stieß auf enorme Begeisterung. Als mir klar wurde, wie vielen Menschen er gefiel, begann ich mit der Arbeit an einer fortlaufenden Serie aus mehreren Kuss-Salzbildern in verschiedenen Formaten.
Ihre Salzkristalltechnik ist ein Ausdruck ihres unglaublich kreativen Einsatzes von Textur, Farbe, Form und Fluss des Elements Salz.
Erzählen Sie mir etwas über die Inspiration zur Serie „IN HOC SIGNO VINCES“ mit ihrem kennzeichnenden roten „X“.
Die Bilder mit dem roten und dem weißen X handeln von unserer Fähigkeit, Hindernisse in unserem Weg zu beseitigen. Als Inspiration diente die Vision des römischen Kaisers Konstantin, der uns Mut für den Kampf zuspricht und uns dazu antreibt, ungeachtet aller Hindernisse weiter zu marschieren. Meine Reihe „In Hoc Signo Vinces“ (unter diesem Zeichen wirst du siegen) steht für meinen festen Glauben daran, dass der Mensch lernen muss, alleine zu sein und hart an seiner Erfüllung zu arbeiten. Wir dürfen keine Angst vor dem Unbekannten haben und sollten unserem unbändigen Willen, JA zum Leben zu sagen, und uns auf dem glitzernden Salz der Erde siegreich unseren Weg zu bahnen, freien Lauf lassen.
Was können Sie uns zu Ihrer letzten Serie von Salzbildern „7 Music Notes“
sagen?
C‑D-E-F-G-A‑H… Musik ist Farbe: sieben Noten in sieben Farben! The Physics of Music and Colour beschäftigt sich mit den zwei Elementen Musik und Farbe – Klang und Licht im objektiven physikalischen Sinn. Beide sind Manifestationen von Wellen und weisen Gemeinsamkeiten auf, was ihre Erzeugung, Übertragung und Wahrnehmung betrifft.
Mit Ihrer strahlenden Kunst und innovativen Energie sind Sie zweifellos ein heller Stern am grauen Himmel der Wall Street. Auf Ihrer Webseite steht, dass die 3000 Seelen des 11. September 2001 ein spiritueller Ruf waren, der Sie zurück nach Lower Manhattan brachte. Wo lebten Sie vorher?
Ich lebte vor den Anschlägen zusammen mit meinem unvergesslichen Dalmatiner Tibino in der Downtown. In den 1990er Jahren hatte ich mein erstes Loft am Broadway, dann zog es mich nach Soho – zuerst in die Mercer Street gleich neben dem legendären Künstlercafé Fanelli, dann in die Greene Street und schließlich in ein Penthouse in der Broome Street.
Ich habe gehört, dass Leo Castelli alles stehen und liegen ließ, wenn Sie mit Tibino in der Galerie auftauchten.
Allerdings: Tibino erinnerte ihn nämlich an seinen eigenen Dalmatiner, Patrick. Ich erinnere mich daran, dass ich Leo Castelli zuredete, er solle sich einen neuen zulegen. Jetzt, nachdem ich selbst meinen geliebten Hund verloren habe, verstehe ich endlich, warum er damals immer ablehnte und meinte, Patrick sei unersetzlich.
Können Sie mir etwas über Ihre einzigartige Salzmaltechnik verraten?
Es ist ein rätselhafter, magischer, mysteriöser und intimer Akt, ähnlich der Liebe – ein intensiver Schaffensprozess. Jedes meiner Werke ist für mich wie ein Kind. Wer ein Kind kennen lernt, fragt dessen Eltern auch nicht, wie es gezeugt wurde, sondern konzentriert sich auf seine Schönheit und Einzigartigkeit. Genau so sehe ich Kunst. Es ist eine private Angelegenheit: Die Intimität von Kreation und Entstehung sollte vom Erschaffer geheimgehalten und gehütet werden.
Es dauert neun Monate, bis ein Kind zur Welt kommt. Wie lange brauchen Sie für eines Ihrer Bilder?
Ein halbes Jahrhundert…
Sie machen Spaß?
Ich sage 50 Jahre, weil das meinem irdischen Alter entspricht. Wann immer ich an einem Bild arbeite, schöpfe ich aus der Erfahrung meines ganzen Lebens, meinen vergangenen Leben und meiner inneren Entwicklung. Ich will jedes Salzkorn und seine Strahlkraft mit der Welt teilen.
Es scheint, Sie schwingen sich höher und höher in die Lüfte: Wo liegt Ihr nächstes Ziel?
Ich fühle, dass ich in New York alles getan habe, was zu tun war – ich muss jetzt zurück nach Italien, zu meinen Wurzeln. Hier erwartet mich eine historische Turmvilla, die seit 4 Generationen im Besitz meiner Familie ist. Ich denke, das ist meine Berufung… Mein nächstes Projekt ist es, dort mein Museum einzurichten… Das Salz der Erde: Kunst, Natur, Pferde… Ich möchte einen einmaligen Ansitz und ein Museum schaffen, Künstler einladen und ausstellen und eine Brücke zwischen Italien und New York schaffen. Das Beste kommt noch, das fühle ich! Manhattan war fast 30 Jahre lang meine große Liebe, in Zukunft wird es mein gelegentlicher Liebhaber sein… Toccata und Fuge… touch and go!