Es besteht kein Zweifel, dass Paul Troger (1698–1762) zu den bedeutendsten österreichischen Malern des Barock gehört. Seine Bedeutung und Bekanntheit beruht hauptsächlich auf seiner Tätigkeit als Freskant, obwohl er mit seinen Ölgemälden und Zeichnungen ein ebenso umfangreiches und künstlerisch höchst bedeutendes Oeuvre vorzuweisen hat. Nach seiner mehrjährigen Ausbildung in den Kunstzentren Italiens und nach ersten Aufträgen für seinen Mäzen, Fürstbischof Jakob I. Maximilian von Thun, in Gurk und Salzburg begab sich Troger nach Wien, wo ihm eine erfolgreiche Karriere bevorstand.
Sein Tätigkeitsbereich lag jedoch weniger in Wien, als vielmehr in den großen Stiften Niederösterreichs, wie in Altenburg, Geras, Göttweig, Melk, Seitenstetten und Zwettl, sowie in den ehem. Augustinerchorherrenstiften St. Pölten und St. Andrä an der Traisen. Auch die Freskoarbeiten in der Institutskirche der ehem. Englischen Fräulein in St. Pölten, in der Kuefstein’schen Gruftkapelle in Röhrenbach-Greillenstein, in der Schlosskapelle von Heiligenkreuz-Gutenbrunn und in der Wallfahrtskirche von Maria Dreieichen sollen hier nicht unerwähnt bleiben, sowie auch nicht die jenseits der niederösterreichischen Grenzen, wie die im ehem. Stift Hradisch, in der Klosterkirche der Elisabethinen in Pressburg und in der St. Ignatiuskirche in Raab. In der Aufzählung der Troger-Fresken dürfen schließlich auch das frühe Kuppelfresko in der Kajetanerkirche in Salzburg (1728) und das großartige Spätwerk im Dom zu Brixen (1748–1750) nicht fehlen. In den genannten Stiften ging es vorwiegend um die Ausstattung der Repräsentationsräume, wie das Stiegenhaus, die Bibliothek, den Festsaal und das Refektorium.
Ein sehr prominentes Beispiel eines repräsentativen Treppenhauses ist die sog. Kaiserstiege in Stift Göttweig, wo Troger im Jahre 1739 das Deckenfresko gemalt hat. Das mit allen Mitteln barocker Allegorie dargestellte Thema ist die Apotheose Kaiser Karls VI., der in der Mitte des Freskos als Helios-Apoll auf dem von zwei Rossen gezogenen Sonnenwagen einherfährt. Ein Jahr vor dem Fresko der Kaiserstiege in Göttweig, malte Troger auch das Deckenfresko in der Feststiege zum Kaisertrakt in Stift Altenburg. Hier wird gegenüber dem Kaiser und den Gästen die Überzeugung bekundet, dass im Kloster neben dem monastischen Leben auch die Künste und Wissenschaften ihren Platz haben, indem sich im Zentrum die Hauptallegorien von Religion und Weisheit die Hände reichen.
Das gewählte Thema der Harmonie von Glaube und Wissenschaft mit der unter den Hauptgestalten zusammengefassten Formel Quam bene conveniunt („Wie gut sie sich doch vertragen“) begegnet bereits 1735 im Fresko des Marmorsaales in Stift Seitenstetten und wurde von Troger in einer Variante auch schon im Marmorsaal des Stiftes Melk behandelt. Das dort aus Elementen der Mythologie und Theologie gebildete Programm zeigt als zentrales Thema den mit dem dreiköpfigen Höllenhund Zerberus kämpfenden Herkules und den Triumphzug der Pallas Athene als Göttin der Weisheit. Die Einbeziehung der mythologischen Figuren des Herkules und der Pallas Athene waren in barocken Ausstattungsprogrammen beliebte Anspielungen auf die Größe und Stärke des Kaiserhauses, im Besonderen Kaiser Karls VI.
…ER IST EINER VON DEN BESTEN MALERN GEWESEN, DIE WIR JEMAHLS BESESSEN HABEN.
Nekrolog, 24. Nov. 1762
In Melk sind aufgrund der architektonischen Entsprechung der Marmorsaal und die Bibliothek im Zusammenhang zu sehen und sie ergänzen sich auch in der Ausstattung, denn wie im Marmorsaal wird auch in der Bibliothek auf die staatliche Macht im Allgemeinen und auf den Kaiser im Speziellen Bezug genommen. Wie in Stift Melk ist dann auch in Stift Zwettl die Freskenausstattung der Bibliothek dem Thema des „Hercules christianus“ gewidmet. Troger hat in der Zwettler Bibliothek auch einige Motive ziemlich getreu von den Melker Fresken im Marmorsaal und in der Bibliothek übernommen, wie die Figur der Weisheit und die Gestalt des den Zerberus erschlagenden Herkules. Allen fünf Stiftsbibliotheken, die Troger mit Fresken ausgestattet hat, ist trotz der völlig unterschiedlichen räumlichen Situation ein thematischer Grundzug gemeinsam, nämlich die Allegorie der Religion und der Wissenschaft bzw. die Verherrlichung des Glaubens vor den Wissenschaften.
Das Thema der vier klassischen Wissenschaftszweige, Theologie, Philosophie, Medizin und Jurisprudenz, behandelte Troger sowohl in der Bibliothek des ehemaligen St. Pöltener Augustiner Chorherrenstiftes, heute Bistumsgebäude, als auch in der Bibliothek des Stiftes Altenburg. Die völlig unterschiedlichen Räume führten zwangsläufig zu ganz verschiedenen Lösungen. In den zwei kleinen, aus ehemaligen Klosterzellen adaptierten Räumen in St. Pölten, malte Troger in jeweils zwei Medaillonfeldern mit wenigen Figuren die vier Fakultäten: die Theologie mit der Verzückung des Apostels Paulus, die Philosophie mit der Beobachtung der beim Kreuzestod Christi eingetretenen Sonnenfinsternis durch Dionysius Areopagita, die Medizin mit der Heilung des blinden Tobias und die Jurisprudenz mit dem Gleichnis vom Zinsgroschen. In der weiträumigen und auf Repräsentation angelegten Stiftsbibliothek in Altenburg sind die Fakultätsdarstellungen viel ausführlicher und differenzierter behandelt. Zwei Kuppelfelder sind den vier Fakultäten gewidmet, während die mittlere Kuppel, analog zur Bibliothek in Melk und in Zwettl, im Zentrum die göttliche Weisheit zeigt und in der umlaufenden Randzone die irdische Weisheit am Beispiel des Besuches der Königin von Saba bei König Salomon.
Dem Fresko in der Bibliothek des Stiftes Seitenstetten liegt als Thema die Geheime Offenbarung des Johannes zugrunde, und zwar die Stelle mit der Anbetung des Lammes durch die 24 Ältesten (Apk 4,1 bis 5,11). Mit dem von einem Engel präsentierten Zitat Quis est dignus aperire librum? („Wer ist würdig, das Buch zu öffnen?“) wollte der Abt des Klosters, Paul II. de Vitsch, von dem das Konzept des Freskos stammt, den Mitbrüdern und den Besuchern der Bibliothek offenbar sagen, dass sie sich der Heiligen Schrift und der Bücher ganz allgemein würdig erweisen sollten. Wie den Bibliotheken liegt auch den Ausstattungen der Festsäle in der Regel ein mehr oder weniger komplexes theologisches Konzept zugrunde, wobei dieses dem Maler meistens vom Auftraggeber selbst oder von einem Theologen bzw. Gelehrten des Klosters vorgegeben wurde. Den Auftraggebern ging es nicht primär um eine bloß dekorative Ausstattung, sondern noch wichtiger als die künstlerische Form war ihnen der Inhalt bzw. das Thema. Die Umsetzung des inhaltlichen Konzeptes wollte man freilich nicht irgendeinem Maler anvertrauen, sondern man bemühte sich sehr wohl dafür den bestmöglichen zu bekommen und das war in der Zeit zwischen 1730 und 1750 der weitum berühmte Paul Troger.