Kann man Kunst haben?

Rezension zum Buch – Mein Besteller Teil 1

Dass die öster­rei­chi­sche Künst­le­rin Elke Sil­via Kry­stu­fek schreibt, ist hin­rei­chend bekannt – es gehört zu ihrer Aus­drucks­form als Künst­le­rin, es ist Teil ihres Oeu­vres. Nun erscheint im „Kon­ter­frei – Jour­nal of Sos Aca­de­my“, dem sehr begehr­ten Publi­ka­ti­ons­pro­jekt von Robert Jeli­nek, ein Buch von ihr mit dem Titel mein Best­sel­ler Teil 1.

Kur­ze prä­gnan­te deutsch- und eng­lisch­spra­chi­ge Tex­te, die sowohl unab­hän­gig von­ein­an­der als auch mit­ein­an­der einen Sinn erge­ben. Die Tex­te sind zeit­lich ver­setzt ent­stan­den und wur­den für die­ses Buch­pro­jekt von Kry­stu­fek zusam­men­ge­tra­gen und in einen Kon­text gear­bei­tet. Der Titel könn­te tref­fen­der nicht sein, denn das Buch han­delt von der lite­ra­ri­schen Beschrei­bung des Ver­kau­fens: sich selbst, ande­re, die Seele.

MEIN BESTSELLER Teil 1 – Elke Sil­via Kry­stu­fek. Im neu­en Buch von Elke Sil­via Kry­stu­fek MEIN BESTSELLER, Teil 1 geht es ums Verkaufen. 

Es kann jedoch in wei­te­rer Fol­ge als stil­voll-kri­ti­sche Bot­schaft an die Macher der Kunst­in­dus­trie inter­pre­tiert wer­den. Mit Witz, char­man­ten Umschrei­bun­gen und sehr viel Tief­grün­dig­keit zieht Kry­stu­fek den Kunst­be­trie­ben mit einer gehö­ri­gen Por­ti­on Direkt­heit das Fell über die Ohren. Eine, die sich traut, das anzu­spre­chen, was unter Kunst­schaf­fen­den zwar viel dis­ku­tiert, aber dann doch rei­hen­wei­se mit Bück­lings akzep­tiert wird. Der Erfolgs­druck und zuwei­len auch der Neid machen’s mög­lich. Welch ein Befrei­ungs­schlag, an den sich die öster­rei­chi­sche Bien­na­le-Teil­neh­me­rin von 2009 hier wagt.

Sich etwas von der See­le schrei­ben – klingt salopp, aber ist den­noch die authen­tischs­te Form der Schrift­stel­le­rei. Schon das Inhalts­ver­zeich­nis lässt uns schmun­zeln und stimmt nach­denk­lich zugleich. Mar­kan­te dop­pel­deu­ti­ge Titel wie „Ein­schuss­far­ben“ oder „Forerun­ners After­run­ners Drift­wood“ machen uns neu­gie­rig: Wel­cher Ein­schuss? In Far­ben? Wer ist Treib­holz? Mit ihren Tex­ten eröff­net Kry­stu­fek für die lite­ra­ri­sche Kunst der Meta­phern eine neue Dimen­si­on. Die Künst­le­rin spielt mit einer The­men­band­brei­te, die von reli­giö­sen und poli­ti­schen bis hin zu all­tags­taug­li­chen, ja gar roman­ti­schen Inhal­ten reicht: Islam, NSA, Straf­recht, Kochen, Bota­nik… Sie kri­ti­siert bei­spiels­wei­se die Gier nach dem Neu­en und die so genann­te „Lust­öko­no­mie“, indem sie von der Begeg­nung mit einem Bedui­nen schreibt. Aus­ge­rech­net ihm erzählt sie, dass der Titel ihres ers­ten Buches NEIN ist.

An einer ande­ren Stel­le bedient sie sich der Meta­pher des Geschmacks: „Wie Gewür­ze mit­ein­an­der ein Bild erge­ben. Von Gewür­zen träu­men. Der per­fek­te Geschmack ist immer über­ra­schend, oft zufäl­lig.“ Man wird als Lese­rin dazu ver­führt, die Tex­te regel­recht zu ver­schlin­gen, neu­gie­rig dar­auf, was da noch alles über­ra­schend auf einen zukommt. Sie pran­gert die „Nicht­an­käu­fe“ der Muse­en an und kürt die Zwei­di­men­sio­na­li­tät des „Shei­tels“ der Frau zum „neu­en Sym­bol einer fri­schen Zusam­men­ar­beit zwi­schen Kunst, Kom­merz und Reli­gi­on, die trotz Auf­klä­rung immer wie­der ihre Räu­me in der gegen­wär­ti­gen Welt behaup­tet“. Kry­stu­fek appel­liert: “Let us be mem­bers of the move­ment of peo­p­le who do not have a desi­re to fuck other peo­p­le over.” Und holt uns − noch bevor wir die Illu­si­on fer­tig aus­ma­len kön­nen − mit dem nächs­ten Satz wie­der nüch­tern zurück auf den Boden der Tat­sa­chen: „But we are not real­ly united as a group.“

Vom Kau­fen, Sam­meln und Haben der Kunst ist eben­falls die Rede: Kann man ein Kunst­werk haben? Hier neh­men wir die Ant­wort natür­lich nicht vor­weg, aber das Buch, das muss man in jedem Fall haben. Die Ergän­zung des Titels lässt uns gar ver­mu­ten, dass mit Teil 1 noch nicht Schluss ist. Wir plä­die­ren jeden­falls für eine Fortsetzung.

Elke Sil­via Krystufek

Elke Sil­via Kry­stu­fek (* 1970 in Wien) ist bil­den­de Künst­le­rin, Foto­gra­fin, Instal­la­ti­ons­künst­le­rin und Autorin in Wien und Ber­lin. Sie stu­dier­te an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te Wien von 1988 bis 1993 bei Arnulf Rainer.

Ihre Arbeit ist ein For­schungs­pro­jekt, das von Stra­te­gien in der Bil­den­den Kunst, Lite­ra­tur und Mode inspi­riert ist, wie zum Bei­spiel vom Künst­ler Josef Albers, dem Schrift­stel­ler H.G. Wells und der Desi­gne­rin Cathy Pill.

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