Jos Pirkner

In Form gegossene Inspiration. Jos Pirkner bereichert die Kunstwelt um eine ganze Dimension.

Jos Pir­k­ner beein­druckt nicht allei­ne durch sei­ne ein­zig­ar­ti­ge Kunst, son­dern genau­so als Mensch, der ehr­lich über sei­ne Gefüh­le spricht und sei­nem bis­he­ri­gen Erfolg mit über­zeug­ter Beschei­den­heit begeg­net. Er erzählt sei­ne Geschich­te mit einer quir­li­gen Leich­tig­keit und beschreibt mit viel Gespür sei­nen ganz per­sön­li­chen Zugang zur Kunst. Die Ener­gie und Kraft eines Bul­len mag stark sein – Jos Pir­k­ners Gegen­wart noch stär­ker. Geprägt von sei­ner Wil­lens­kraft, sei­ner tref­fen­den Ges­tik, sei­ner emo­ti­ons­ge­la­de­nen Mimik, sei­ner lebens­be­ja­hen­den und gerad­li­ni­gen Ein­stel­lung begeis­tert er sein Gegen­über. Jos Pir­k­ner und sei­ne Skulp­tu­ren zei­gen deut­lich, wie aus einer ers­ten spon­ta­nen Idee eine gro­ße Bot­schaft ent­ste­hen kann. Inspi­ra­ti­on wird durch Pir­k­ners Schaf­fens­kraft regel­recht in eine beseel­te Form gegos­sen und berei­chert unser Dasein um eine gan­ze Dimension.

1927 in Ost­ti­rol gebo­ren, hat Jos Pir­k­ner, unter­stützt von sei­nen Eltern, das künst­le­ri­sche Hand­werk von der Pike auf gelernt. Nach der Aus­bil­dung zum Bild­hau­er an der Meis­ter­schu­le für ange­wand­te Kunst in Graz geht er nach Utrecht, um in der „Edels­mid­se Brom“ als selb­stän­di­ger Gold- und Sil­ber­bild­hau­er zu arbei­ten. Dort lernt er Joke (Johan­na) ken­nen, die gro­ße Lie­be sei­nes Lebens und sei­ne Muse. Mit sei­nen Plas­ti­ken in Sil­ber, Bron­ze oder Glas hat Pir­k­ner rasch Erfolg. Inter­na­tio­na­le Bekannt­heit erreicht er durch die archi­tek­to­ni­sche Gestal­tung des Red Bull Head­quar­ters in Fuschl. 14 rie­si­ge Bul­len, Euro­pas größ­te Bronzeskulptur.

Im Interview

Wir haben Jos Pir­k­ner anläss­lich sei­nes 88. Geburts­tags zu einem Gespräch in sei­nem Wohn­zim­mer getrof­fen. Ganz spon­tan hat er uns erlaubt die­ses ener­gie­ge­la­de­ne Inter­view, in dem er beruf­li­che und per­sön­li­che Höhe­punk­te Revue pas­sie­ren lässt und Ein­sicht in sei­ne Zukunfts­plä­ne gibt, mit unse­rer Leser­schaft unge­kürzt und unzen­siert zu teilen.

Der Lebens­weg als Künst­ler ist in der Gesell­schaft ein beson­de­rer. Wann wur­de Ihnen bewusst, dass Sie die­sen Weg gehen wer­den? Stan­den für den jun­gen Josef Pir­k­ner über­haupt Alter­na­ti­ven im Raum?

Ich wur­de von zuhau­se aus sehr unter­stützt. Bereits in der Schu­le habe ich unheim­lich ger­ne gezeich­net und eigent­lich woll­te ich Maler wer­den. Mei­ne Eltern haben immer gesagt: „Du Pepi“ – zuhau­se nann­te man mich so – „wenn du das machen willst, dann mach das“. Und damals in den Kriegs­jah­ren und auch danach muss­te alles bezahlt wer­den – ja, das war eine ande­re Zeit. Einen ande­ren Beruf gab es für mich nicht, ich woll­te nur malen. Schon wäh­rend des Besuchs der Haupt­schu­le habe ich im Papier­ge­schäft von Lienz mei­ne Bil­der ver­kauft. In Kla­gen­furt, wo ich mei­ne Aus­bil­dung begon­nen habe, gab es kei­ne Klas­se für Male­rei, weil sich zu weni­ge ange­mel­det haben und so kam ich zur Bild­haue­rei. Da war dann Prof. Rudolf Rein­hart, der hat mich zur Metall­plas­tik gebracht. Als 1943 die Kunst­schu­le in Kla­gen­furt geschlos­sen wur­de, zog man mich in den Volks­sturm ein. Davon zurück­ge­kehrt hat mich Prof. Rein­hart kon­tak­tiert, da er eine Pri­vat­schu­le in Salz­burg eröff­net hat. Mei­ne Eltern woll­ten aber, dass ich eine noch all­ge­mei­ne­re Aus­bil­dung mache, wes­halb ich mich dann für den Besuch der Ange­wand­ten in Graz ent­schloss. Da habe ich gleich die zwei­te Klas­se besucht und von dort aus bin ich dann auch nach Hol­land. Vom Direk­tor in Graz wur­de ich erst kürz­lich ein­ge­la­den ein­mal die Schu­le zu besu­chen und mir vor Ort ein Bild von der jet­zi­gen Gold­schmie­de zu machen. Mein Sohn, der Gidi, hat im Übri­gen auch die Aus­bil­dung zum Gold­schmied gemacht und er war ein wun­der­ba­rer Gold­schmied. Wie er dann aber Auf­trä­ge für Kun­den gemacht hat kamen immer so Äuße­run­gen wie „da wird wohl der Papa mit­ge­hol­fen haben“, immer der Papa, das ärgert einen jun­gen Mann, der sich selbst etwas auf­bau­en will. Er hat mitt­ler­wei­le ein eige­nes Event­un­ter­neh­men und macht das hervorragend.

Erich Marx, der Kura­tor Ihrer Aus­stel­lung im Schloss Bruck beschreibt Sie als einen „ech­ten Tiro­ler“. Was ver­ste­hen Sie darunter?

Naja, ich bin ein stol­zer Tiro­ler, das ist so. Wir Ost­ti­ro­ler sind ja die Tiro­ler von den Tiro­lern! Ich war lan­ge im Aus­land, aber ich war immer mit mei­ner Hei­mat Tirol verbunden.

Bild­hau­er zu sein, bedeu­tet neben der künst­le­ri­schen Gabe vie­le ande­re Fähig­kei­ten zu ver­ei­nen: Mate­ri­al­kennt­nis­se, hand­werk­li­ches Kön­nen­räum­li­che Vor­stel­lungs­kraft und nicht zuletzt auch extre­men phy­si­schen Ein­satz. Wie haben Sie sich all die­ses angeeignet?

Ja, durch die Bild­hau­er­klas­se bin ich zur plas­ti­schen Form­ge­bung gekom­men, vor allem auch in Hin­blick auf die Sta­tik und Ana­to­mie. Im Vor­der­grund stand für mich immer der Raum – als Bild­hau­er ist es für mich von höchs­ter Prio­ri­tät mich mit dem Raum aus­ein­an­der­zu­set­zen. Bei jeder Aus­stel­lung erklä­re ich, was eine Skulp­tur bedeu­tet, wel­ches Gespür man dazu benö­tigt. Ich suche immer die vier­te Dimen­si­on der Bewe­gung. Mei­ne Skulp­tu­ren sind nicht an einen Sockel gebun­den, son­dern sie bewe­gen sich im Raum. Aber um noch­mals auf das Mate­ri­al ein­zu­ge­hen: Jedes Mate­ri­al ver­langt nach eige­ner Bear­bei­tung und da bin ich sehr akku­rat. Es gibt heu­te näm­lich Bild­hau­er, die sägen mit einer Motor­sä­ge etwas aus und las­sen die Holz­skulp­tur dann in Bron­ze gie­ßen. Fach­lich ist das aber nicht ver­tret­bar. Auch Stein ist hier nicht geeig­net. Das ist nicht gerecht, das passt mir nicht. Ich baue mei­ne Skulp­tur mit der Model­lier­mas­se aus Lehm von innen nach außen auf, wäh­rend bei einer Holz- oder Stein­form von außen nach innen Mate­ri­al weg­ge­hackt wird. In der Bron­ze suche ich immer das Modell, kei­ne gro­ße Bron­ze­skulp­tur ist jemals aus Holz oder Stein entstanden.

Mei­ne Art zu model­lie­ren ist sehr inten­siv, da ich viel auf­tra­ge und die Mas­se dann rich­tig bear­bei­te, um zu mei­ner Form zu kom­men. Der Gia­co­metti bei­spiel­wei­se hat auf­ge­tra­gen, weni­ger model­liert, aber spar­sam auf­ge­tra­gen, also auch von innen nach außen.

Der Stier und das Pferd sind in der Bild­haue­rei seit jeher belieb­te Moti­ve, um Ener­gie und Kraft aus­zu­drü­cken. Was fas­zi­niert Sie per­sön­lich an die­sen Wesen?

In Hol­land hat­te ich mein Ate­lier auf einem Bau­ern­hof und da war auch ein Pfer­de­stall dabei. Die­ser Bezug zu den Pfer­den ist für mich dort so rich­tig ent­stan­den und war von da an stets prä­sent. Ein Pferd ist ein­fach etwas edles, kräf­ti­ges, sau­be­res, es ist ein gewal­ti­ges Wesen. Das Pferd in allen Varia­tio­nen war für mich stets ein The­ma. Stie­re habe ich schon frü­her in Eisen gemacht, eigent­lich waren es eher Bisons, da habe ich im Aus­druck über­trie­ben. Der Stier war immer wich­tig auch durch die mytho­lo­gi­sche Gestalt Euro­pa, also Euro­pa und der Stier.

Erlau­ben Sie uns an die­ser Stel­le einen kur­zen Exkurs: Sie grei­fen immer­wie­der The­men aus der grie­chi­schen Mytho­lo­gie auf und pro­ji­zie­ren die­se auf die heu­ti­ge Zeit. Mit wel­chem Mythos bzw. wel­cher Figur lie­ße sich Ihrer Mei­nung nach die aktu­el­le Situa­ti­on in Euro­pa am ehes­ten darstellen?

Euro­pa wur­de in der Mytho­lo­gie ja über das Meer geret­tet, von einem Stier, der sich anschlie­ßend in Zeus zurück­ge­wan­delt hat. Aktu­ell wür­de ich die Figur des Ika­rus ver­wen­den, um Euro­pa zu beschrei­ben. Wir haben heu­te in der For­schung und Poli­tik vie­le „Ika­ru­se“. Und so wie Däda­lus zu ihm gesagt hat „Pass auf, flieg nicht zu weit!“, so müss­te man es heu­te auch zu For­schern und Poli­ti­kern sagen. Mehr wol­len, höher wol­len, das ist ein Aus­druck der heu­ti­gen Zeit. Ika­rus war ja gefan­gen im Laby­rinth und Däda­lus war Archi­tekt und hat ihm Flü­gel gebaut, um dem Laby­rinth zu ent­flie­hen. Er kam dann der Son­ne zu nahe, so dass das Wachs an dem die Federn befes­tigt waren schmolz. Es lässt sich sehr wohl in die heu­ti­ge Zeit pro­ji­zie­ren, denn das heu­ti­ge Euro­pa will auch alles haben – was hat Euro­pa eigent­lich mit den Bal­kan­län­dern zu tun? Das kann nicht gut gehen, ich kann nicht gan­ze Völ­ker inte­grie­ren, denn ihre Kul­tur wer­den die­se Völ­ker wei­ter pfle­gen und so ent­ste­hen wie­der Staa­ten inner­halb von Staa­ten. Es ist schon unheim­lich, das wird irgend­wann krachen.

Kommen wir wie­der zurück zu Ihren Skulp­tu­ren: Ana­to­mie ist für Sie zweit­ran­gig, weil Sie als Künst­ler vor allem Bewe­gung und Emo­tio­nen­ver­mit­teln möch­ten. Ist die­ser Pro­zess des Spü­rens und Hin­ein­füh­lens in ein Wesen psy­chisch nicht unheim­lich fordernd?

Ich habe frü­her sehr viel Sport gemacht und mei­ne Frau war ja Bal­lett­tän­ze­rin, wes­halb ich die Dar­stel­lung der Bewe­gung immer gut im Griff hat­te. Span­nend wird es dann mit der ana­to­mi­schen Ver­zer­rung – sie ist für mich des­halb wich­tig, weil sie die Bewe­gung noch akzen­tu­iert, also inten­si­viert. Es ist mei­ne Spra­che, mein Aus­druck. Die The­men, mit denen ich mich befas­se, berüh­ren mich, die raum­grei­fen­de Form ent­steht dann aus die­ser Berüh­rung heraus.

Ihr Pro­jekt für das Red Bull Head­quar­ter in Fuschl am See hat sich über meh­re­re Jah­re gezo­gen, in denen Ihre Schaf­fens­kraft uner­schöpf­lich­war. Wel­che Trieb­fe­der war hier aus­schlag­ge­bend, um die­ses Pro­jekt kon­se­quent durchzuziehen??

Mir war bewusst, dass es ein rie­si­ges Pro­jekt ist und eine Her­aus­for­de­rung, der ich mich gestellt habe. Von der Dimen­si­on der Skulp­tu­ren her war die­ses Pro­jekt wirk­lich außer­ge­wöhn­lich und wäre auch nicht vie­len Bild­hau­ern zu Gesich­te gestan­den. Viel­leicht habe ich hier ja auch einen Kom­plex (lacht). Ich bin klein, also je grö­ßer mei­ne Wer­ke, des­to lie­ber. Zuerst muss­te ein Ate­lier her. Die Pro­por­ti­on hin­zu­be­kom­men war schon gewal­tig, aber dafür habe ich immer alles von oben betrach­tet. Am Anfang waren es 12, dann 14 und hät­te ich nicht auf­ge­hört wären es wahr­schein­lich 18 Bul­len gewor­den (lacht). Irgend­wann muss­te ich dann auf­hö­ren. Ich habe es so gemacht, wie ich es machen muss­te. Jede Bewe­gung der Bul­len war anders, jedoch muss­te das Gesamt­kon­zept pas­sen. Ich habe wirk­lich jeden Tag dar­an gear­bei­tet, so groß mit Lehm zu model­lie­ren, das war eine wil­de Arbeit. Es gab kei­ne Zeit für etwas ande­res. Aber etwas ist ent­stan­den, denn im Grun­de habe ich zehn Jah­re lang nichts in eige­ner Sache gemacht und es hat sich in die­sen zehn Jah­ren eini­ges ver­än­dert. Was, das wird sich erst her­aus­stel­len, wenn ich jetzt nach die­ser Pau­se wie­der begin­ne zu model­lie­ren, das wird ein neu­er Abschnitt.

Die Arbeit wird eine Fort­set­zung sein, aber eine ver­än­der­te, weil zehn Jah­re dazwi­schen lie­gen. Auf die­se Fort­set­zung freue ich mich heu­te schon! Da habe ich schon The­men und Inten­tio­nen – ganz spon­ta­ne Sachen, die es in sich haben, das spü­re ich.

Gut, dass Sie das anspre­chen: Die „Inspi­ra­ti­on“ ist das The­ma die­ser Aus­ga­be. Was ist für Sie Inspi­ra­ti­on, wo fin­den Sie die­se oder ist sie bei Künst­lern gene­rell omnipräsent?

Das wun­dert mich auch oft selbst woher das kommt, ich habe ja ganz vie­le Ideen und man denkt und denkt dar­über nach. Eigent­lich ist DIE gute Idee ein Bruch­teil von einer Sekun­de und das ist die Idee, von der du nicht abwei­chen kannst. Da kom­men ande­re dazu, aber es bleibt immer bei der ers­ten. Das ist DIE Idee, ein Bruch­teil, das kommt spontan.

Sie spre­chen von einer bzw. der Idee als Inspi­ra­ti­on. In der Lite­ra­tur wird in Zusam­men­hang mit Inspi­ra­ti­on auch manch­mal „die Ein­ge­bung des Gött­li­chen“ erwähnt. Glau­ben Sie an Gott?

Ja, ich glau­be an Gott, ich bin ein gläu­bi­ger Mensch. Den­noch kommt in mir schon auch manch­mal ein gro­ßes Fra­ge­zei­chen auf, bei­spiels­wei­se wenn man sich mein Fami­li­en­grab ansieht, das drückt den Unglau­ben durch die Trau­er aus und zugleich die Auf­er­ste­hung durch die Freu­de und da sitzt einer als Zweif­ler und das bin ich. Ich zweif­le ein biss­chen und fra­ge mich oft, was wirk­lich danach kommt. Aber mei­ne Frau Joke und ich waren da immer einer Mei­nung: Gehe raus in die Natur und du siehst Gott, das ist Got­tes Schöp­fung, das ist unser Gott.

Danke für die­se sehr per­sön­li­chen Wor­te. Der bekann­te und eben­so gefürch­te­te Kunst­kri­ti­ker Vitto­rio Sgar­bi hat Sie besucht und Ihre Wer­ke als eine ein­ma­li­ge Ver­schmel­zung von­na­tu­ra­lis­ti­schen, spi­ri­tu­el­len und sym­bo­li­schen Wer­ten gelobt – wie wich­tig sind für Sie Kunst­kri­ti­ker und deren Meinung?

Ich mag den Sgar­bi und er mich auch, denn er war ja da und ihm hat mei­ne Arbeit sehr gut gefal­len. Ja sicher tut mir das gut. Mich freut es, wenn er mich nicht ganz abhakt (lacht) aber ori­en­tie­ren kann ich mich dar­an nicht. Ein ande­rer sagt näm­lich viel­leicht das Gegen­teil. Was an mei­ner Arbeit nicht gut ist, sagt mir erfah­rungs­ge­mäß sowie­so kei­ner ins Gesicht.

Gibt es Künst­ler Ihrer Gene­ra­ti­on, die Sie in irgend­ei­ner Form beein­flusst haben?

Nein, das habe ich immer abge­wehrt. Zum Bei­spiel haben sich vie­le Bild­hau­er von Hen­ry Moo­re beein­flus­sen las­sen, aber ich bin immer ich geblie­ben. Lie­ber bin ich dritt­ran­ging ich als ein erst­ran­gi­ger Kopie­rer. Ich bin ich und das blei­be ich und das freut mich und das ist ehr­lich, das Schöns­te, was man tun kann.

Wie neh­men Sie die Ent­wick­lung der zeit­ge­nös­si­schen Kunst wahr und wer bestimmt Ihrer Mei­nung nach die Regeln am Kunstmarkt?

Das ist fürch­ter­lich, was sich ent­wi­ckelt und wie sich das ent­wi­ckelt. Das ist gesteu­er­te Kunst­po­li­tik, eine faschis­to­ide Kunst­po­li­tik, wie eine Dik­ta­tur: Das hat Kunst zu sein! So kann man mit den Leu­ten nicht umge­hen und die Leu­te ent­mün­di­gen, denn die ste­hen dann vor einem Brett mit zwei Nägeln und dann sagen die: „Ich ver­ste­he es zwar nicht, aber das wird schon Kunst sein.“ Anders hät­ten sie natür­lich sagen müs­sen, dass das eben ein „Schmarrn“ ist. Nach­dem die Leu­te ent­mün­digt sind, kann man Scheis­se in Dosen ver­kau­fen. Das ist nur mehr das Geschäft einer Lob­by, weni­ger gro­ßer Gale­rien und Auktionshäuser.

Jetzt kom­men auch noch die Namen, also die Mar­ken, dazu: da wird ein Name kre­iert, der wird gepusht, in den Muse­en her­um­ge­reicht, die ver­die­nen wahn­sin­nig viel Geld und dann kommt der nächs­te. Robert Dorn­helm hat auch schon gesagt man soll sich nie am Schar­la­ta­nis­mus und an dem heu­ti­gen Kunst­han­del ori­en­tie­ren. Da gibt es ja Samm­ler, die rufen in einer Gale­rie an, sagen sie möch­ten zwei Bil­der 0,70 x 1m von dem und dem, aber das Bild haben sie vor dem Kauf gar nicht gese­hen. Dar­um gefällt mit, was Marx sagt:Die heu­ti­ge Kunst ist die Stra­fe Got­tes für die Rei­chen.“ Er hat recht, denn wo ist das Ver­hält­nis, wo ist der Pro­porz, das ist ja nicht mehr nor­mal. Ein trös­ten­der Gedan­ke ist: Alles kommt ein­mal an die Rei­he und so wird auch mei­ne Kunst ein­mal an der Rei­he sein.

Würden Sie sich selbst irgend­wie unter dem Ein­fluss der Avant­gar­dis­ten sehen?

Nein, das sind die Künst­ler von damals, das war dann zum Teil eine ent­ar­te­te Kunst. Wie sie Picas­so damals beschump­fen haben und jetzt wird er gefei­ert. Das müsst ihr euch mer­ken: Alles, was momen­tan nega­tiv beschimpft wird ist dann eine oder zwei Gene­ra­tio­nen spä­ter die Kunst schlecht­hin. Weil es immer Ver­tre­ter und Ver­tei­di­ger gibt. Vie­le stre­ben den Skan­dal an, damit sie berühmt wer­den. Die Avant­gar­de-Kunst ver­bin­de ich mit der Ver­gan­gen­heit, das ist jetzt schon vor­bei. Ich will mich eigent­lich gar nicht ver­glei­chen, ich will ich sein.

Wenn Sie heu­te auf Ihren bis­he­ri­gen Weg als Künst­ler und als Mensch zurück­bli­cken, wel­che waren die bedeu­tends­ten Mei­len­stei­ne und gibt es über­haupt irgend­et­was, das Sie heu­te anders machen würden??

Per­sön­lich war die Geburt unse­res Soh­nes Gidi das prä­gends­te Erleb­nis. Joke hat­te lei­der immer wie­der Fehl­ge­bur­ten und dann ist es end­lich gelun­gen. Die Ärz­te waren so bemüht, dass das gelingt und so war es dann. Für Joke und für mich war das wun­der­bar. Als Mensch war für mich die Geburt sehr prä­gend und des­halb sind wir dann auch zurück nach Tirol. Künst­le­risch gese­hen war das Gesamt­pro­jekt Fuschl als Gesamt­kunst­werk der Archi­tek­tur, Natur und Kunst ein beson­de­rer Lebens­ab­schnitt. Das Denk­mal­amt will es jetzt unter Denk­mal­schutz stel­len und das freut mich sehr, denn es ist auch für mich ein Lebens­werk. Natür­lich gibt es immer Din­ge, die man im Nach­hin­ein anders machen wür­de, sonst wäre es auch nicht gut, das hat auch mit Ent­wick­lung zu tun und das treibt mich an.

Viele jun­ge Künst­ler stre­ben danach, erfolg­reich zu wer­den und ihr Talent zum Beruf zu machen, aber der Durch­bruch gelingt nur sehr­We­ni­gen. Was wür­den Sie als erfolg­rei­cher und erfah­re­ner Künst­ler die­ser neu­en Gene­ra­ti­on mit auf den Weg geben?

Ja, das kann nur eines sein: Man muss eine eige­ne Hand­schrift ent­wi­ckeln. In jun­gen Jah­ren kann man viel expe­ri­men­tie­ren, bis man das Gespür fürs Mate­ri­al hat. Man soll nur für sich arbei­ten, sich nicht vor­ei­lig an Gale­rien bin­den, die einen zum Lie­fe­ran­ten machen. Man muss war­ten bis man 40 Jah­re alt ist, denn vor­her sind zu vie­le Ein­flüs­se da, von denen man sich erst befrei­en muss. Als ich zum Bei­spiel Fuschl geplant habe, habe ich jede Archi­tek­tur­zeit­schrift ver­mie­den, denn ich woll­te mich nicht beein­flus­sen las­sen. Sucht euren Weg, mit Herz und Gespür! Kunst muss man im Heu­te machen, im Jetzt erle­ben, macht das und schaut nicht links und rechts, das macht euch zu Künstlern.

Sie haben vor­hin das The­ma Mar­ken und Namen ange­spro­chen. In der Fach­li­te­ra­tur heißt es, dass beson­ders aus­schlag­ge­bend für die Beur­tei­lung eines Mar­ken­cha­rak­ters die Asso­zia­tio­nen sind, die die Mar­ke aus­löst z. B. inno­va­tiv, exklu­siv, hoch­wer­tig, zuver­läs­sig, kul­tig, preis­wert. Wel­che Asso­zia­tio­nen wür­den Sie sich für die Mar­ke „Jos
Pir­k­ner“ wünschen?

Ich bin kei­ne Mar­ke, ich brau­che kei­nen Hut, kei­ne vie­len Frau­en und auch kei­ne sechs Kat­zen im Haus. Schön wäre, wenn ich als ein Künst­ler der Zeit mit einer indi­vi­du­el­len for­ma­len Spra­che und der Gabe zu deu­ten wahr­ge­nom­men wür­de. Ich will etwas sagen, eben mit mei­ner Kunst.

Wir haben den zwei­ten Guss Ihres vier­zehn­ten Bul­len in der Aus­stel­lung auf Schloss Bruck gese­hen, mit Ihrer ganz per­sön­li­chen Wid­mung anIh­re im Jahr 2010 ver­stor­be­ne Frau: „Joke, wir haben es geschafft!“ Möch­ten Sie dazu noch ein per­sön­li­ches State­ment abgeben?

Joke, obwohl sie lei­der den Abschluss die­ses Wer­kes nicht mehr erle­ben konn­te, war sie für mich immer gegen­wär­tig. Ihr Bei­sein, wie sie im Ate­lier geses­sen ist und mir zuge­se­hen hat, wie wenn sie mit­ma­chen wür­de und ihre ehr­li­che, gera­de und auch mit­un­ter schar­fe Kri­tik habe ich so sehr geschätzt. Sie war für mich ein­fach prä­sent und soll auch für die Nach­welt noch prä­sent sein, denn sie war die Frau an mei­ner Sei­te und wenn man mir ein­mal spä­ter ein gutes Wort oder eine Ehre zuspre­chen wird, dann soll auch Joke damit ver­bun­den sein.

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