Rafael Rozendaal
Das Werk des Künstlers Rafaël Rozendaal besteht aus einer riesigen Menge an Domainnamen. jede Website ist ein einzelnes Kunstwerk und zugleich Titel der Arbeit. Jede Arbeit zeigt eine verdichtete Version einer virtuellen Idee. Die Themen reichen von lavaspuckenden Vulkanen, klingenden Planeten, von Küssen, über Geld, Blut und Popcorn bis hin zu abstrakten Zeitreisen. Er selbst nennt sich „Url-Tetischist“. auf seinen Lippen steht das wort „Internet“ tätowiert.
Rafaël Rozendaal ist ein holländisch-brasilianischer Künstler, geboren 1980 in Amsterdam. Als er die Welt des Internets entdeckt, spürt er sofort eine starke Anziehungskraft. 2001 entsteht sein erstes Werk http://whitetrash.nl/: ein Selbstporträt vor gelbem Hintergrund, das durch Anklicken den Schnurrbart, die Sonnenbrille und die Frisur verändert. Dem folgt eine Ausstellungseinladung nach Los Angeles in die Galerie des griechischen Künstlers Miltos Manetas, Begründer der Neen-Bewegung.2 Der Slogan „Neen“ ist phonetisch an das Wort „Screen“ angelehnt und bedeutet im Altgriechischen „genau jetzt“.
Ich glaube, wenn Leonardo da Vinci gewusst hätte, dass es einmal eine magische Box gibt, die mit einem reden kann, dass sich diese Box mit Farbe, Sound und Bewegung bearbeiten lässt und dass sich jeder kostenlos, zu jeder Zeit interaktiv Bilder darin anschauen kann, wäre er begeistert gewesen.
Neen Art ereignet sich gegenwärtig, global im Internet und experimentiert mit Neuen Technologien. Rozendaal erkennt sofort das Potenzial des Internets als größte Ausstellungsplattform, als Studio, als Treffpunkt und zugleich Lager für seine Arbeiten und nutzt es fortan als Leinwand für seine Kunst. „Menschen geben sehr viel Geld für Häuser mit einer guten Aussicht aus, aber sie verbringen mehr Zeit damit auf den Bildschirm zu schauen“, stellt Rozendaal fest und kreiert ein Werk nach dem anderen. Seine Webseiten ziehen heute jährlich über 40 Millionen Besucher an. Die Anfangsphase des net.art Künstlers Rozendaal ist geprägt von einem experimentierfreudigen, spielerischen und zugleich humorvollen Umgang mit dem Medium Internet. net.art ist ein Bereich der Digitalen Kunst. Sie existiert seit der Entstehung des World Wide Web (1994). Rafaël Rozendaal gibt sie das Gefühl der Vollendung, der Selbstkontrolle und der totalen Unabhängigkeit von den sonst üblichen Hierarchien. Eine weitere frühe Arbeit aus dem Jahr 2002 ist www.iamveryverysorry.com Wie in allen seiner Arbeiten geht es dem Künstler hier um die Erforschung des Bildschirms als Bildraum oder Landschaft, die weiter schauen lässt als der Blick durch ein reales Fenster.
Formal sieht er seine Arbeiten mit der Malerei verwandt, nur dass sich seine Bilder bewegen und ein endloses Eigenleben in der öffentlichen Domain beginnen können. Mit scharfem Blick und viel Humor bewegt er sich durch die Welt des binären Codes. Die Website http://www.papertoilet.com/ (2006) vereint Ästhetik mit Nonsens. Sie zeigt eine interaktiv entrollbare Klopapierrolle. Die Idee erscheint einfach. Aber der Weg dahin, dass sich die Rolle wirklich fühlbar verkleinert bis sie sich schließlich ins Nichts verliert, ist ein lang durchdachter Prozess, den der Künstler zusammen mit seinem Programmierer Reinier Feijen entwickelt hat. Die größte Schwierigkeit für den Künstler bedeutet die perfekte Form für eine Idee zu finden. Der erste Schritt sind Zeichnungen, die der Künstler von der Rolle erstellt. Danach folgen komplizierte und zeitintensive Codierungen. Das Ergebnis ist ein interaktives Meisterwerk, das den gewohnten Nutzerumgang mit der Maus (click, drag & drop) als etwas ganz Natürliches erklärt. Ab 2009 zeichnet sich bei Rafaël Rozendaal ein verstärktes Interesse an Raumwahrnehmung – sowohl in Form von Installation im realen Ausstellungsraum als auch mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Raumes im Browser-Fenster.
Mit www.fromthedarkpast.com (2009) schafft er eine rein auf Geometrie basierende Seite einer bergigen Landschaft aus schwarzen, weißen und grauen Dreieckskörpern über die der Betrachter endlos gleiten kann. Die URL ist immer Titel und zugleich Ort der jeweiligen Arbeit. Domainnamen sind einzigartig und können weder gefälscht noch kopiert werden. Sie sind das Echtheit-Zertifikat des Kunstwerkes. Im Quellcode der jeweiligen Arbeit stehen Künstlername, Titel, Entstehungsjahr sowie Angaben zum Programmierer – also all das, was ein Kunstsammler von einem Original erwartet. Kauft dieser ein Netzkunstwerk, so erwirbt er die Domain und wird ebenso im Quellcode aufgeführt.
Rafaël Rozendaals Domains zeigen, dass selbst mit minimalen Programmierkenntnissen net.art von Weltruhm entstehen kann. Dem Hype um seine Kunst begegnet er mit dem bescheidenen Argument, dass er auch nichts anderes täte als Künstler, die vor ihm Bilder mit Farben und Formen geschaffen haben. Mit dem Unterschied, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden neuen Technologien arbeitet. Und von diesen ist er überzeugt: „Ich glaube, wenn Leonardo da Vinci gewusst hätte, dass es einmal eine magische Box gibt, die mit einem reden kann, dass sich diese Box mit Farbe, Sound und Bewegung bearbeiten lässt und dass sich jeder kostenlos, zu jeder Zeit interaktiv Bilder darin anschauen kann, wäre er begeistert gewesen“, sagt er.