Wissenschaft und Diagnostik werden zu emotionaler Kunst
Die einzigartigen Kunstwerke, die sich in Ihren Tränen verbergen, sind eine unmittelbare visuelle Darstellung eines bestimmten Moments Ihres Lebens, eine unverfälschte Darstellung Ihrer für die Ewigkeit festgehaltenen Emotionen.
Jede Träne hat eine verborgene Geschichte. Tränen sind kleine Tropfen von Flüssigkeit, aber gleichzeitig auch komplexe Phiolen menschlicher Emotionen, die durch eine der elementarsten und ursprünglichsten Ausdrucksformen unserer Gefühle und Gedanken hervorgerufen werden: dem Weinen. Maurice Mikkers begann 2015 nach Wegen zu suchen, Tränen in Kunstwerke zu verwandeln, was dann zum „Imaginarium der Tränen” führte.
Das Imaginarium der Tränen ist ein fortlaufendes Fotoprojekt. Mikkers hält die Schönheit der Tränen fest, indem er sie kristallisiert und anschließend unter einem Mikroskop fotografiert. Das Ergebnis sind atemberaubende Kunstwerke.
Diese Mikrografien kristallisierter Tränen können zu Geschichten führen. Mikkers: „Da jede Träne eine verborgene Geschichte hat, ist es das letztendliche Ziel, ein größeres Bewusstsein für die diese Tränen verursachenden Geschichten und Herausforderungen des Lebens zu schaffen und dadurch die Menschen hoffentlich näher zusammenzubringen.” Mikkers glaubt, dass wir zu unseren Tränen stehen sollten. „Sie sind ein wahrer Ausdruck unser selbst und unserer Beziehung zur Welt.” Mikkers war Labortechniker, bevor er professioneller Fotograf wurde. Während seiner Arbeit im Labor verbrachte er viel Zeit damit, durch Mikroskope zu schauen. Dieses visuelle Erlebnis war für ihn der faszinierendste Teil seiner Arbeit. Aspekte seiner Arbeit, die gemeinhin als Routine, Wissenschaft und Diagnostik galten, hatten für ihn eine zusätzliche Dimension. Er sah Kunst.
Da Fotografie und Kreativität nicht zu seiner Tätigkeitsbeschreibung gehörten, tauschte er seinen Laborkittel gegen ein Laptop und eine Kamera und machte einige Jahre später an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag seinen Abschluss in Interaktivem Mediendesign. Er entwickelte eine starke Leidenschaft für Fotografie und verband sie mit seiner Leidenschaft für verschiedene Disziplinen von Wissenschaft, Kunst und Technologie. Dies führte Jahre später zu den Micrograph Stories. Für dieses Projekt benutzte Mikkers sein Mikroskop zur Darstellung von Dingen, die wir in unserem Alltag vorfinden und konsumieren.
Eines Tages stieß Mikkers (un)glücklicherweise mit einem seiner Zehen heftig gegen seinen Tisch: Tränen des Schmerzes waren die Folge. Geistesgegenwärtig fing er mit einer Mikropipette eine der Tränen auf, die seine Wange hinunterliefen. Er gab den kleinen Tropfen auf einen Objektträger und machte sich an die Arbeit. Mikkers: „Das Ergebnis einer Dunkelfeldbeleuchtung verblüffte mich. Ich sah eine fast perfekt runde und kristallisierte Träne vor einem dunklen Hintergrund, die klare, helle und schöne Muster und Formen zeigte. Ganz so, als würde man einen kleinen Planeten mit einer einzigartigen Landschaft betrachten.” Dies war so faszinierend, dass Mikkers von diesem Moment an beschloss, mehr Tränen zu untersuchen. So wurde das Projekt Imaginarium der Tränen geboren.
„Wissenschaftlich gesehen können Tränen in drei verschiedene Arten unterteilt werden. Basaltränen, Reflextränen und die bekanntesten Tränenart: die Gefühlstränen, eine Reaktion auf eine emotionale Verfassung wie Schmerz, Wut, Traurigkeit oder Freude. Basaltränen wirken als ständiger Schutzschild zwischen dem Auge und der übrigen Welt und halten Schmutz und Fremdkörper fern. Reflextränen bilden sich, wenn Ihre Augen schädliche Reizstoffe wie Rauch, Fremdkörper oder Zwiebeldunst wegspülen müssen.”
Es war nicht immer ganz einfach, Gefühlstränen festzuhalten, da die meisten Menschen nicht in der Lage sind, nach Bedarf zu weinen. Dazu kommt, dass Tränen korrekt konserviert werden müssen, wenn sie nicht sofort bearbeitet werden. Das Projekt brachte viel Warten mit sich. Mikkers probierte viele Techniken aus, um zu lernen, wie man Tränen nach ihrer Festhaltung korrekt konserviert. Im Laufe der Jahre konnte Mikkers jedoch mit Geduld und Beharrlichkeit ziemlich viele echte Tränen festhalten. „Die Geschichten hinter diesen Sitzungen waren unterschiedlich und oft auch eindringlich.”
Mikkers vertieft sich in die wissenschaftlichen psychologischen Erklärungen der Gründe, die uns zum Weinen bringen. Wie sich herausstellte, haben alle kristallisierten Tränen einzigartige Eigenschaften. Dies war einer der Aspekte, der nach Mikkers Ansicht weiter erforscht werden sollte; er war nämlich daran interessiert, herauszufinden, ob auf der Grundlage eines Bilds einer kristallisierten Träne wir tatsächlich zwischen den verschiedenen Arten von Tränen oder sogar von Emotionen unterscheiden können.
Mikkers: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Emotionen einen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung einer Träne haben, allerdings gibt es zu dieser Frage noch nicht viele Untersuchungen.” Im Zuge der Entwicklung des Projekts hat Mikkers den gesamten Prozess weiter verbessert. „In den letzten Jahren haben wir viele Untersuchungen durchgeführt, um eine Methode zu finden, mit der man Tränen zu Hause oder in einem anderen bequemen Umfeld festhalten und konservieren kann, da dies die Orte sind, an denen man wirklich Gefühlstränen vergießen kann.” Dies führte zur Schaffung des Tear Collection Kit, mit dem Tränen bequem und einfach festgehalten, aufbewahrt und per Post an Mikkers verschickt werden können.
In den unter einem Mikroskop aufgenommenen, auch Mikrografien genannten Bildern dreht sich alles um Details. Mikkers: „Es ist eine zeitaufwändige und akribische Arbeit, wir haben deshalb unseren eigenen Scanningtisch gebaut und die Software zu seiner Steuerung entwickelt. Wir können dadurch präzise und „automatisch” ultra-hochauflösende Bilder der Tränen erstellen, indem wir durchschnittlich 500 Bilder in einem umfassenden Gitterschema aufnehmen. Dies macht es uns möglich, die komplette Träne in ihrer ganzen Pracht zu erfassen.” Am stolzesten ist Mikkers auf die verschiedenen Kooperationen mit Universitäten und deren Fachbereichen wie Psychologie, Soziologie, Physik und Biotechnologie.
Diese Kooperationen bringen Kunst und Wissenschaft zusammen, um sich über die Herausforderungen auf diesem Gebiet zu verständigen. Für mich ist das eine schöne symbiotische Beziehung.