Gotthard Bonell
Die Schaffenslust, das Feuer, die Hingabe – Gotthard Bonell erweist sich als ein leidenschaftlich von seiner Kunst besessener. Authentisch in der Herangehensweise, meisterhaft in der Technik und Ausführung, individuell in den Rätselhaften, vielschichtigen Bildwelten. Es geht ihm um nicht weniger als die großen Themen des Lebens: Sinnlichkeit und Lust, Schönheit und Schrecken unserer Existenz, Vergänglichkeit und Tod. Bonell ist ein Suchender, ein sich ständig hinterfragender Künstler und Mensch, der mit großer Inbrunst zeichnet und malt, um sich seiner selbst und des Lebens immer wieder aufs Neue bewusst zu werden. Das umfangreiche Schaffen Bonells ist in seiner Vielfalt nur schwer zu fassen, und es wäre falsch, von einer linearen Entwicklung in seinem Werk zu sprechen. Vieles passiert gleichzeitig, immer wieder gibt es Rückgriffe auf frühere Werkserien, werden Motive und Stile aus vergangenen Jahren aufgegriffen und neu interpretiert. Parallel zu sich auflösenden Landschaften entstehen weiterhin romantische Gebirgsketten, neben Gesichtern mit geschlossenen Augen malt Bonell auch noch altmeisterliche Portraits von bekannten Persönlichkeiten.
Das Füllhorn, aus dem er schöpft, wird mit den Jahren immer voller.
Das Füllhorn, aus dem er schöpft, wird mit den Jahren immer voller. Die bildende Kunst nimmt für sich in Anspruch, der Vergänglichkeit zu trotzen, über den Moment hinausbestehen und wirken zu können. Das ist wohl auch die Absicht, die Bonell in seiner malerischen Arbeit hegt. Seine Malerei erzählt von der uns immer wieder antreibenden Sehnsucht, einen Gedanken, eine Idee visuell einfrieren zu können, ein (Menschen-) Bild zu erschaffen und so der Endlichkeit zu entkommen. Darin liegt die grundsätzliche Kraft der Malerei- ein Potenzial, das Bonell mitreißend auszuschöpfen vermag.
Auszug aus „Spätes Licht“ von Günther Oberhollenzer
DIE ZEICHNUNG, AUSSERORDENTLICH RAFFINIERT UND KOMPLEX IN DEN LETZTEN JAHREN, ENTSPRICHT BONELLS PERSÖNLICHKEIT, SEINEM OBSESSIVEN BLICK, DER DIE REALITÄT VERINNERLICHT, SIE OFT INS SURREALE, DOPPEL- UND MEHRDEUTIGE TRANSFORMIERT. SIE IST DIE KÜNSTLERISCHE TECHNIK, DIE IHM AM NÄCHSTEN STEHT. ER WIRD NICHT MÜDE JEWEILS UNTERSCHIEDLICHE ÄSTHETISCHE STRATEGIEN ZU ENTWICKELN, MIT DENEN ER SEINE INHALTE MODIFIZIERT.
Form und Inhalt gehen eine Einheit ein. Seine zeichnerische Sprache reicht von der strengen Linearität, auf die bloße Linie vertrauenden Arbeit bis hin zu Mischtechniken mit raffiniertem Einsatz von Buntstiften und Seidenpapier. In den jüngst entstandenen Blättern, in denen er Körper und Landschaften überblendet, erinnert das dichte Netz oft dünner Linien an den Radierer Bonell. Mit ihnen, diesem Gewebe schafft er Körperlandschaften, einen wie Edith Schlocker es nannte „Garten der Lüste“, Dokumente einer polymorphen Sexualität, die unsere Sinne erregen, unsere Vorstellungskraft reizen. Bonell ist mit der Vergangenheit der Kunst, der Tradition in zweifacher Weise verbunden; durch ein fortwährendes Studium, welches jedoch nie in Nachahmung ausartet und auf Grund der großen Themen, Portrait und Akt, Stillleben und Landschaft, die für ihn nach wie vor gelten, welche er jedoch umdeutet.
Für sein Werk gilt die Dialektik von Intelligenz und Gefühl, ein sensualistischer, melancholischer Blick auf die Realität. Die Landschaft wird bei ihm zum Körper. Die Körper (der Dinge) sind fruchtbar, lebendig, aber auch Dokumente der Verwesung und des Todes. Als Portraitist ist er heute einer der wenigen, dem es gelingt die Spannung zwischen dem Portraitierenden und Portraitierten zum Kapital der Deutung umzumünzen. Die Stillleben sprechen – Robert Mapplethorpe hat von Blüten und Früchten als Ausdruck der Sexualität der Pflanze gesprochen – Bonell teilt mit ihm seinen obsessiven Blick, seine erotischen Obsessionen.
So wie die Spannung zwischen Intelligenz, (auch Kenntnis dessen, was in der Kunst bereits geleistet wurde) und das überströmende Gefühl, eine emotionale Hochstimmung gerade bei den Portraits seiner Freunde, den Malern, Schriftstellern und Musikern zu finden ist, ist die humane Anteilnahme aber auch der kühl distanzierte Blick wichtiger Motor der Unruhe, der Spannung, die man vor allem zuerst in den Zeichnungen, dieser direktesten, seismographischen Kunstübung spürt.
Auszug aus „Intelligenz und Gefühl“ von Peter Weiermair
Zum Künstler
Gotthard Bonell lebt und arbeitet in Südtirol (Italien). Er ist Maler, Zeichner, Radierer und Sänger. Bonell studierte an der Kunstlehranstalt St. Ulrich, sowie an den Kunstakademien von Venedig und Mailand, außerdem besuchte er die Sommerkurse an der internationalen Sommerakademie Salzburg, wo er auch als Assistent tätig war. 1983 absolvierte er ein Auslandsstipendium in Wien. Er begann 1985 das Gesangsstudium am Konservatorium Bozen. Seine Werke befinden sich in verschiedenen Privat- und Museumssammlungen.