Rolf Ohst
Fürchte dich nicht, ist der Titel eines Großformates in Öl. Aber man fürchtet sich. Vor der Masse Frau, die einem aus jedem Bild entgegen drängt. Vor dem Fett, den glänzenden Fleischbergen, vor der schieren Körperlichkeit, der schonungslosen Sicht auf alles. Aber man kann den Blick nicht abwenden. Den begierigen Blick auf das Weib.
Was hilft? Rationalisierung, Analyse, Interpretation? Sicher. Rolf Ohst hat Gier gemalt. Die kann man nicht klein malen, daher die großen bis übergroßen Formate. Das „Sich-einverleiben“ der Welt, dieses Hauptthema unserer westlichen Gesellschaft, symbolisiert sich in Fett. Das ist abstoßend, schockierend, ekelerregend und verlockend. Wir alle sind gierig und vielleicht ist das vor allem Frauen aufoktroyierte Schlankheitsdiktat eine Art soziales Mieder, eine Larve zur Maskierung der Gier. Rolf Ohst lässt dem Fett freien Lauf.
Rolf Ohst schafft es, alles in seinen Bildern zu vereinen: Anklage, Trieb, Lust und Kampf.
Schönt nichts und sieht nicht zur Seite. Und lässt auch dem Betrachter nicht die Wahl. Erschütternd. Wie das bebende Fett seiner Modelle, die alle weiblich sind. Sehr weiblich. Mit üppigen Hüften, wogenden Brüsten, schweren Schenkeln, dicken Bäuchen. Für Ohst Sinnbilder von Mütterlichkeit, Leben und Trieb. Sein obsessiver Blick auf das Weibliche ist seine Inspiration; nicht nur für die Kunst. Aber mit seiner Kunst will er eine Lanze brechen, für die Frau – und gegen die Unterdrückung der Weiblichkeit. Gegen ihre Ausbeutung und Einschnürung. Besonders deutlich wird das in seiner Arbeit „Earth“, die Mutter Erde zeigt: In einer Abraumhalde auf die Knie gezwungen, mit einem lächerlichen Bau eingerüstet und von Arbeitern und Soldaten zum Abbau bereit gemacht. Auf den Seiten des Altarbildes sind Meteoriten zu sehen, quasi die Leben-bringenden Spermien für unseren Planeten. Klappt man die Flügel zu, erscheint die Erde in einem Endzeitszenario aus der Sicht eines Astronauten. Das alles in altmeisterlicher Klasse. Der Hausner Schüler Rolf Ohst hält sich an die Realität. In Form und Inhalt. Als Maler und Bildhauer. Dabei zitiert er in seinen Inszenierungen ganz nebenbei die Väter seiner Malerei: Botticelli, Tizian, Rubens, Rembrandt, Corinth und viele mehr. Mit seinen barocken Wolken, den dunklen Seestücken und den üppigen Akten bewegt er sich im Duktus der Klassischen Moderne – die er mit seiner zeitgemäßen und gesellschaftskritischen Interpretation zu einem beeindruckenden Stück Gegenwartskunst macht. Darüber hinaus: Sein Sampling hat Humor.
Allerdings nicht immer. Sein „Vater Unser“ mit einer gekreuzigten, dicken Frau lässt den Betrachter bestürzt zurück. Vielleicht wäre es nicht nur für Psychoanalytiker interessant zu ergründen, warum diese Version eine so viel drastischere Reaktion hervorruft, als ein gekreuzigter Jesus. Rolf Ohst erklärt seine Intention: Das Weibliche wird an´ s Kreuz geschlagen. Überall. Zu allen Zeiten. Von allen Religionen.
Gegensätze wie Sinnlichkeit und Abscheu vereinen sich in seinen Arbeiten zu Kunst, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Das mag daran liegen, dass Rationalisierung, Analyse und Interpretation allein eben doch nicht helfen. Weil die verfluchten Emotionen… Die Furcht vor dem Weib – die Furcht, so „auszuufern“ – die Furcht, sich gehen zu lassen – die Furcht, nicht geliebt zu werden – die Furcht, die Furcht, die Furcht. „Fürchte dich nicht“ heißt das Gemälde, das an Botticelli´s Geburt der Venus erinnert. Und man weiß nicht, ob dieser Satz sich an die Frau in Öl richtet oder an die Frau oder den Mann aus Fleisch und Blut. So vielschichtig, wie die Bedeutungsebenen in seiner Malerei sind auch die Titel seiner Bilder. Das ist Absicht. Rolf Ohst will verstören. Er will berühren, entsetzen, erschüttern, erfreuen und stimulieren. Er will, „dass sich was bewegt – im Kopf, im Herz oder sonst wo.“ Und natürlich, wie sollte es anders sein, ist jedes Bild ein Selbstportrait. Es zeigt seine Empörung, seine Liebe, seine Ängste, seine Haltung, seine Gefühle und Gedanken. So wie jeder Künstler sich immer nur selber malt.