Interview mit Ricardo Azarcoya
Das LUMEN Museum der Bergfotografie am Kronplatz zeigt, neben der permanenten Ausstellung, in fünf Räumen Wechselausstellungen, die gemeinsam mit dem künstlerischen Beirat konzipiert werden. Im Fokus stehen dabei fotografische Positionen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Berg auseinandersetzen.
Ulrich Ackermann, auch bekannt als Fotograf des Vertikalen, ist durch die radikale Verwendung der Panoramakamera im Hochformat bekannt. Den Landschafts- und Naturaufnahmen der Dolomiten verleiht er durch die Vogelperspektive eine nie gesehen Tiefenwirkung. Dank der Partnerschaft mit National Geographic kann das Museum auf deren vielseitiges Archiv zurückgreifen. Dieses Jahr fiel die Wahl auf den mexikanischen Fotografen Ricardo Azarcoya. Mexiko deshalb, weil so eine Verbindung zwischen der Bergküche im Food Space & Restaurant AlpINN und der Bergfotografie im LUMEN hergestellt wird. So wird den Besucher*innen ein Erlebnis für alle Sinne geboten. Im Restaurant werden Gerichte des mexikanischen 2‑Sterne-Michelin-Chefs Jorge Vallejo kreiert und parallel dazu zeigt LUMEN eine Ausstellung eindrucksvoller Fotografien der Berge Mexikos und Patagoniens. Das hat uns neugierig gemacht und wir baten Ricardo Azarcoya zu einem Interview.
Sie beschreiben sich selbst als visuellen Geschichtenerzähler. Welche Geschichten erzählen Sie mit Ihrer Fotografie?
Ich erzähle Geschichten von Menschen, um andere Menschen zu inspirieren. Mein Interesse an Geschichten begann schon als kleiner Junge, jedes Mal, wenn ich mit meinen Großeltern sprach, genoss ich es ihren Erinnerungen zu lauschen, ich schuf dazu Bilder in meinem Kopf. Alle Geschichten, die ich gerne erzähle, sind also Geschichten, die unbekannt sind, und selbst wenn ein Bild etwas Offensichtliches suggeriert, können Sie durch den Kontext und die geschriebene Erzählung Orte und Situationen entdecken, die Ihnen nicht bekannt waren. Ich denke, das ist die wahre Kraft der Fotografie und des Geschichtenerzählens, um die Herzen der Menschen zu öffnen, denn am Ende sind die persönlichen Geheimnisse, Weisheiten und Erinnerungen nicht über Google auffindbar, sie warten darauf, dass wir, die Fotografen und Geschichtenerzähler, sie entdecken. Ich arbeitegerne mit natürlichem Licht ohne Blitz, um die Aufnahme realistisch zu halten. Filmemacher haben die Möglichkeit, Bild, Bewegung und Ton einzufangen, wir nicht, also versuche ich, Bilder zu machen, die der Betrachter fühlen kann.
Wie und warum haben Sie sich für die Ausbildung zum Dokumentarfotografen entschieden?
Um ganz ehrlich zu sein, ich denke, die Fotografie hat sich für mich entschieden, ich habe Betriebswirtschaft studiert und mich eines Tages entschieden, an einem Fotowettbewerb teilzunehmen, den die Universität organisiert hat. Am Abend der Preisverleihung erfuhr ich, dass ich den Wettbewerb gewonnen hatte. Ich mochte Fotografie schon immer, aber als Hobby. Am Tag nach meinem Gewinn des Wettbewerbs entschied ich mich, Fotografie zu studieren. Dann entdeckte ich die dokumentarische Fotografie und das Geschichtenerzählen. Das gab mir die Möglichkeit, mich wirklich zu engagieren und sensibler für die Geschichten anderer zu sein, es gab mir die Möglichkeit, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Ws braucht ein guter Fotograf, um ein National Geographic Fotograf zu werden?
Es ist wichtig die Dinge mit ethischen Grundsätzen, Leidenschaft und der richtigen Einstellung anzugehen. Ich denke auch, dass man neugierig und mutig genug sein muss, um sein Leben außerhalb der persönlichen Komfort-Zone zu leben. Es geht nicht rein um Fotografie an sich, sondern eben auch um die Einstellung, wenn man Teil dieser Familie sein möchte.
Ihr Arbeitsprozess findet in erster Linie in der Natur statt. Wie denken Sie über die Entwicklung der ökologischen Realität?
Geschichten über Naturschutz verwandeln sich immer in Geschichten über Verhaltensweisen von Menschen. Geschichten von Menschen, die ihr Leben dafür einsetzen, um das Gleichgewicht auf unserem Planeten wiederherzustellen, und auch Geschichten von Menschen, die unserer Umwelt schaden. Die aktuelle Situation ist nicht sehr positiv, aber es wäre gerade noch früh genug, um verantwortungsbewusster zu handeln. Deshalb vertraue ich der Fotografie und dem Geschichtenerzählen, denn die Menschen sehen, fühlen und verstehen lernen, dass unser einziges Zuhause uns braucht. Ich persönlich meine, dass die Jugend derzeit schon sehr weit ist. Ich habe Vorträge und Präsentationen für junge Menschen in Lateinamerika gehalten, und sehr wohl das Gefühl, dass sie sich um unsere Zukunft kümmern, dass sie sich von Geschichten, die ich zeige, berühren lassen. Ich vertraue auf die nächste Generation.
Sie sind Gründer eines sehr berühmten Fotofestivals in Ihrer Heimatstadt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Im Jahr 2008 zog ich nach New York City, um an einem Praktikumsprogramm mit der preisgekrönten VII Photo Agency teilzunehmen, ich durfte von diesen großartigen Fotografen viel lernen. Während ich dort war, entdeckte ich so viele neue Dinge über Fotografie und das Erzählen von Geschichten, dass ich beschloss, nach Mexiko zurückzukehren und diese Erfahrung und dieses Wissen mit anderen zu teilen. Das war der Ursprung des Fotofestivals „Photofest“. Die Idee war, Fotoausstellungen aus verschiedenen Themen, Themen und Perspektiven auf das Festival zu bringen, um Fotografen und Menschen zu stärken.
Ihre Arbeiten sind Teil einer Ausstellung des LUMEN Museums am Kronplatz. Wie gut kennen Sie Südtirol und die Dolomiten?
Um ehrlich zu sein, bin ich nicht sehr vertraut mit diesen Orten, ich habe einige Bilder gesehen und von den Dolomiten viel gehört. Meine Arbeiten entstehen in Lateinamerika. Ich habe aber natürlich Südtirol und die Dolomiten gegoogelt und bin dabei mich zu verlieben! Orte wie diese sind diejenigen, die einem den Atem rauben und buchstäblich der Grund dafür sind, warum wir unseren Planeten unbedingt schützen müssen. Ich werde diesen Ort auf der Karte, die ich in meinem Büro habe markieren, um zu wissen, dass ich ihn zumindest einmal im Leben besuchen muss.
Wlche Ihrer Werke sind in der Ausstellung zu sehen?
Ich werde einige meiner Arbeiten von Mexiko, Patagonien und Feuerland im südlichsten Teil Argentiniens und Chiles zeigen, unberührte Orte ganz in der Nähe der Antarktis. Diese Berge mit noch gesunden Gletschern sind ein einzigartiges Erlebnis. Die Betrachter* innen werden sich den Bildern stellen und ihre innere Stimme zum Sprechen bringen. Jeder wird ein anderes Erlebnis haben, aber alle werden emotional sein. Fotografie schafft Erinnerung und wird sie den Menschen zugänglich gemacht, wie im LUMEN, ist sie der physische Beweis dafür, dass wir an diesen Orten in den Bergen waren, um einen Moment zu erleben. Dadurch wird sie Teil der Geschichte der menschlichen Evolution.