Follow me! Was will die Kunst? Nichts!

Kunst ist nur um der Kunst wil­len da, will nichts, soll nichts und darf alles. L´art pour l´art heißt es und Punkt. Mit der Kunst ver­hält es sich genau, wie mit der Lie­be. Wer sie instru­men­ta­li­siert, sie einem bestimm­ten Zweck zuführt oder einen Grund braucht, um ihre Exis­tenz zu recht­fer­ti­gen, hat ihr Wesen nicht ver­stan­den. Des­halb lässt sich Kunst auch so schwer defi­nie­ren. Was Kunst ist, bestimmt die Kunst. Eine ande­re Fra­ge ist, was der Künst­ler will. Bes­ten­falls sieht er oder sie sich als Geburts­hel­fe­rin eines Kunst­werks: Die Welt fließt durch sie hin­durch, wird tran­szen­diert und mate­ria­li­siert sich als Kunst.

Soweit zum Ideel­len. In Wirk­lich­keit wol­len Künst­ler und die gesam­te Entou­ra­ge aus Gale­ris­ten, Samm­lern und Kunst­freun­den aller Art natür­lich auch was Ande­res. Geld ver­die­nen, zum Bei­spiel. Berühmt wer­den. Auf­merk­sam­keit. Selbst­the­ra­pie. Likes bei Insta­gram. Oder die Welt ver­bes­sern. Letz­te­res ist ein noch eini­ger­ma­ßen heh­res Ziel, immer­hin – aber darf der das? Die Kunst benut­zen, um Frie­den zu schaf­fen? Oder um die Dumm­heit zu besie­gen? „Den Ande­ren“ den Spie­gel vor­zu­hal­ten, ihnen die Augen zu öff­nen und die Wahr­heit zu ver­kün­den und nichts als die Wahr­heit? – Klar darf er das, aller­dings dür­fen die Ande­ren sei­ne Kunst auch im Sin­ne ihrer eige­nen Wahr­heit inter­pre­tie­ren, denn erst mal in die Welt gesetzt, ist die Kunst vogel­frei, wie es ihrem Wesen ent­spricht. Und den­noch hat die Kunst die Welt ver­än­dert. Schon immer. Mehr als Poli­tik, Reli­gi­on oder irgend­wel­che Ideo­lo­gien hat sie ihre Dyna­mik, ihre grenz­über­schrei­ten­de Kraft und als Ver­kör­pe­rung von Frei­heit ihr avant­gar­dis­ti­sches Poten­ti­al immer behalten.

WÄHREND IHRE SCHWESTER, DIE LIEBE, BESÄNFTIGT, RUFT DIE KUNST ZUR REVOLUTION. 

So gese­hen sind Künst­ler und Künst­le­rin­nen mit Inten­ti­on und Bot­schaft Auf­stän­di­sche. Sie schre­cken das Volk auf, das sich eben noch so bequem vom Smart­phone und Medi­en hat regie­ren las­sen. Sie pro­du­zie­ren Din­ge, die kein Mensch braucht und Ideen, die völ­lig aus dem Ruder lau­fen. Der Ein­fluss, den sie mit ihrer Kunst aus­üben, ist sub­til, aber tief­grei­fend. Künst­ler sind Influen­cer der ers­ten Stun­de. Schon immer haben sie mit ihrem Werk oder auch nur mit einer ein­zi­gen Arbeit die Sicht auf die Welt ver­än­dert. Bereits die ers­ten Höh­len­ma­le­rei­en mit ihrer zwei­di­men­sio­na­len Dar­stel­lung drei­di­men­sio­na­ler Phä­no­me­ne aus dem „ech­ten Leben“ war eine Revo­lu­ti­on und alle wei­te­ren Ent­wick­lun­gen und Erwei­te­run­gen des Kunst­be­griffs waren es eben­falls. Jede von ihnen muss­te erkämpft wer­den und alle haben nicht nur die Kunst selbst, son­dern auch die Gesell­schaft ver­än­dert. Des­halb sind die­se Künst­ler berühmt gewor­den. Noch heu­te hat sich Cara­vag­gi­os Kampf gegen den Stil der Renais­sance gelohnt, wir pro­fi­tie­ren von Geor­ge Grosz und sei­nem Mut, das Ent­set­zen zu zei­gen, von Picas­so, von Andy War­hols Lust am Pop, der Bru­ta­li­tät der Wie­ner Aktio­nis­ten, vom Intel­lekt und Geist eines Joseph Beuys und wir wer­den auch Jona­than Mee­se dank­bar sein müs­sen. – Spä­tes­tens, wenn die Dik­ta­tur der Kunst Wirk­lich­keit gewor­den ist. Allen Künst­lern und Künst­le­rin­nen, die (welt)bewegende Kunst gemacht haben ist gemein, dass Kern ihrer Arbeit nicht der gut ver­käuf­li­che Main­stream war, son­dern der Geist ihres Schaf­fens. Nur dar­in fin­det sich das Poten­ti­al, im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis und in einem erwei­ter­ten Bewusst­sein der Gesell­schaft Spu­ren zu hin­ter­las­sen. Die­se Män­ner – und schmerz­li­cher­wei­se erst in jüngs­ter Zeit auch eini­ge, immer noch zu weni­ge Frau­en haben es geschafft, das Den­ken und Füh­len der Men­schen mit ihrer Kunst zu verändern.

Im Gegen­satz zu den Influen­cern der schö­nen, neu­en Welt sind sie dabei kei­ne „Supert­ar­gets des Mar­ke­ting“, weil sie eben ihre Kunst nicht zu Mark­te tra­gen. Zwar wer­den Arbei­ten berühm­ter Künst­ler zu unfass­ba­ren Prei­sen am Kunst­markt gehan­delt und der Name des Künst­lers selbst „ver­mark­tet“ – aber das berührt nicht den Kern, die See­le der Kunst. Beginnt näm­lich der Künst­ler, dem Mar­ke­ting im Schaf­fens­pro­zess Raum zu geben, ist er für die Kunst ver­lo­ren. Er malt das, was die Gale­ris­ten, Samm­ler und Feri­en­haus­be­sit­zer für ihre Wän­de wol­len und das ist nie­mals Revo­lu­ti­on, son­dern bes­ten­falls eine klit­ze­klei­ne Pri­se Pro­vo­ka­ti­on durch den Fünf­hun­der­ter gezo­gen. Das pri­ckelt so schön, in den Augen.

Damit ste­hen die „Influen­cer“ der Kunst in ent­ge­gen­ge­setz­ter Posi­ti­on zu den all­ge­gen­wär­ti­gen Influen­cern der Sozia­len Medi­en, die ihre Posts und Vide­os rein in den Dienst des Mar­ke­ting stel­len und von den Stra­te­gen als idea­le Ver­käu­fer jed­we­den Pro­dukts gese­hen und genutzt wer­den. Maß­geb­lich ist dafür nichts, als die Men­ge der Fol­lower, die bereit sind, sich die Emp­feh­lun­gen, Kom­men­ta­re oder Kri­ti­ken ihrer Stars zu eigen zu machen.

Fol­lower wün­schen sich natür­lich auch die Künst­ler. – Aber viel­leicht eher auf einer grund­sätz­li­che­ren Ebe­ne. Es wäre ja schon schön, wenn der Ein­fluss der Kunst auf Gesell­schaft, Poli­tik und eigent­lich alles und alle zuneh­men wür­de. Wenn KUNST­vol­les Den­ken an der Tages­ord­nung wäre, wenn Kunst in poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Ent­schei­dun­gen die glei­che Rele­vanz hät­te wie die Indus­trie oder gar die Kir­che. Man stel­le sich vor, dass die Fra­ge nach künst­le­ri­schem Gewicht und Ästhe­tik einer poli­ti­schen – oder JEDER Ent­schei­dung zugrun­de läge! Nicht auszudenken!

Dann wür­den alle Men­schen zu Künst­lern und Künst­le­rin­nen wer­den und Beuys hät­te am Ende doch noch Recht.
Endlich.
www.anja-es.de

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geschrieben von

Malt, schreibt, performt und bringt Texte und Bilder als Gesamtkunstwerk mit Musikern auf die Bühne. Ausstellungen und Performances in Deutschland und Dänemark. Mit ihrer Bildserie „La Gonzesse“ in Sammlungen, Galerien und Medien erfolgreich. Anja Es: KUNST! in der Alten Vogtei, Travemünde.

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