MACH’S GUT!!! EU PRATTEIN BEDEUTET, SCHAUT MAN IN DIE ARISTOTELISCHE ETHIK, ETWAS IN RECHTER UND GELINGENDER WEISE ZU TUN, GUT ZU HANDELN. MACH ES GUT! ODER, WIE WIR HEUTE AUCH NOCH SAGEN: MACH’S GUT!
Em-praktisch ist ein gelingendes Vollzugshandeln, es ist ein Ein-Handeln, in dem Theorie und Praxis noch ungetrennt sind. Es ist ein im Handeln verwirklichtes Denken.
Mit dem Begriff des Empraktischen soll etwas thematisiert werden, das streng genommen vor-sprachlich ist, das in der gelingenden Praxis, im Vollzug des Lebens funktioniert. Weil es funktioniert, ist es eine Form des Wissens, die noch nicht per Rationalität erfasst ist, das im strengen Sinne noch nicht gedacht wurde. Es ist prä-rational – vor-rational. Trotzdem ist es eine Form des menschlichen Wissens. Das Empraktische ist eine Wissensform, die jeder theoretischen Wissenschaft zu Grunde liegt. Das heißt, dass die Theorie, die ja immer erst im Nachhinein die Praxis erklären kann auch nach dem Erleben und Tun des Individuums, nach dem empraktischen Handlungsvollzug ansetzt. Deswegen sprechen wir ja auch von Nach-Denken. Das meint, dass wir etwas, das geschehen ist, nach‑, also: hinterherdenken. Dann meinen wir das rationale Verstandesdenken. Die Wissensform des Empraktischen ist ein in die Praxis eingebundenes Wissen, Erfahrungswissen und Erlebniswissen und gehört einer alten Wissensform an, die in der modernen Welt der Wissenschaften eher eine untergeordnete Rolle spielt: der Weisheit. Mit dem Empraktischen soll die Wissensform der Weisheit wieder in den Focus der Philosophie – philo-sophia (griech.) ist die Liebe zur Weisheit – gerückt werden. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich das Apollinische im Dionysischen gründet und dass unsere apollinische Zivilisation den Rausch, die Ekstase, das Dionysische der Kunst braucht, um sich zu erneuern. Das logifizierte Denken würde ohne das wilde Denken seine Schöpferkraft verlieren. Existenziell stellt sich also die Frage: Wieviel Afrika brauchen wir, um moderne Europäer zu bleiben?
Das Performative und das Empraktische – Ein Paradigmenwechsel Mit dem Empraktischen soll in dieser Kolumne ein neues Paradigma einer Philosophie der Praxis thematisiert werden, das sich in der Kunst gründet. Im Augenblick dominieren in der Philosophie , die sich mit Ästhetik beschäftigt, Theorien des Performativen. Hier wird von der These ausgegangen, dass sich das Performative im Empraktischen gründet, weshalb das Empraktische als das Ursprüngliche, Authentische gegenüber dem Performativen erscheint. Ausgangspunkt ist, dass es keine Performance ohne empraktische Erinnerung gibt. Das Performative ist das Darstellende, die Inszenierung. Etwas soll als etwas ausgedrückt oder gezeigt werden. Ein bestimmter Ablauf, ein Vollzug wird durchgeführt. Ein performativer Akt ist ein zu Tage kommender, etwas Gezeigtes. Diese Ebene des Zeig- und explizit Ausdrückbaren, auf der Etwas als Etwas identifiziert werden kann, wird von der Ebene des Empraktischen unterlaufen. Das Empraktische ist die Grundlage des Performativen und gründet sich Lustund Unlustzuständen des Individuums, während das Performative immer schon Expliziertes ist und auf eine bestimmte Wirkung zielt, also Rationalität voraussetzt. Auch wenn sie die Ebene der Rationalität im Zustand des Sich-Verlierens während eines performativen Aktes auch wieder verlassen kann und in empraktische Zustände, die Rauschzustände sein können, versetzt werden kann. Aufführungen sind in ihrem Performance-Charakter aber auch Auslöser empraktischer Ereignisse. Es geht schon um empraktische Prozesse – dort, wo die Theateraufführung, die Inszenierung existenziell auf das Leben anwendbar ist. Der Prozess, der vollzogen wird, ist performativ, die Quelle des Ereignisses und was es wie hervorbringt ist empraktisch.
Gerade für westeuropäische Kulturen ist die Höherschätzung des Performativen typisch. Dem entspricht in unserer Kultur die Dominanz des Apollinischen gegenüber dem Dionysischen, des Künstlichen gegenüber dem Natürlichen, die Dominanz des technologisch Inszenierten gegenüber dem instinktiv Vollzogenen, wie auch die Dominanz des Sehsinns gegenüber allen anderen Sinnen, was Nietzsche als Dekadenzerscheinung und Verblödung der Sinne kritisierte. Mit der Grundannahme, dass das Empraktische das Performative begründet und damit wesentlicher Nährboden desselben ist, wird ebenso davon ausgegangen, dass sich die Kunst in der Empraxis des Lebens – existenziell leybhaftig – durch das Individuum Ausdruck verschafft. Das Individuum wird so zum Medium, zum Formengeber, zum Stilmittel der Kunst. Künstler ist, wer seinen Auftrag ernst nimmt und sein Leben empraktisch zum Lebenskunstwerk individuell stilisiert und in diesem Sinne ein selbstbestimmtes Leben führt. Durch die Kunst erfindet sich der Mensch leiblich-empraktisch das Leben. Die Philosophie versucht dieses Ergreifende zu begreifen.