Der ganze Glanz Namibias

Es ist Ende der Regen­zeit in Nami­bia, doch das Land dürs­tet. Seit Beginn der Wet­ter­auf­zeich­nun­gen gab es nie ein Regen ärme­res Jahr. Wir wol­len mehr erfah­ren über Nami­bia – das Land der Wei­te, das rund zwei­ein­halb Mal so groß ist wie Deutsch­land, aber nur rund 2,8 Mio EW zählt. Und doch ist es dabei das arten­reichs­te Land ganz Afrikas!

Um in einer Woche mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Gebie­te zu sehen, haben wir uns den kun­di­gen Gui­des von Land Rover Expe­ri­ence anver­traut, die uns sicher zu aus­ge­wähl­ten Tages-Etap­pen füh­ren. Von Wind­hoek aus, das auf rund 1655 m Höhe liegt, geht die ers­te Rou­te über den Bosua Pass hin­un­ter bis zum Atlan­tik. Die ‚scrabb­led road‘, eine unbe­fes­tig­te Stra­ße, die uns so noch viel­fach begeg­nen wird, führt bis nach Swa­kop­mund. Wie eine Fata Mor­ga­na erhebt sich der Ort aus dem Wüs­ten­sand. Die deut­sche Kolo­ni­al­zeit hat immer noch Spu­ren hin­ter­las­sen, doch die Bezeich­nung “Deutsch­lands süd­lichs­tes See­bad” ist längst über­holt. Die ange­nehm fri­schen Tem­pe­ra­tu­ren stam­men vom Ben­gue­la-Strom, der den Atlan­tik selbst im Hoch­som­mer nur auf rund 22° C erwärmt. Für unse­re Dünen Dri­ving ste­hen wir zei­tig auf um der Mit­tags­hit­ze zuvor zu kom­men. Es ist ein ganz eige­nes Erleb­nis, durch die bizar­re Dünen­land­schaft zu fah­ren, die gold­gelb vor unse­ren Augen glit­zert. Vom Wind wer­den die Sand­mas­sen stän­dig zu neu­en Objek­ten model­liert. Auf­fäl­lig ist, dass in den glän­zen­den For­ma­tio­nen man­che Stel­len ganz schwarz ver­färbt sind. Der ein­hei­mi­sche Gui­de erklärt, dass dies Eisen­par­ti­kel aus dem Meer sind. Über­haupt sei Nami­bia das Mine­ra­li­en reichs­te Land der Welt.

Nach “Fun pur” und einem köst­li­chen Lunch im Nach­bar­ort Wal­vis Bay, bei dem wir die Bekannt­schaft von Peli­kan Dodo machen dür­fen, war­tet noch ein High­light auf uns. Auf der Fahrt zu den süd­lich gele­ge­nen Salt Works, dem größ­ten Salz­pro­du­zen­ten Afri­kas, des­sen schnee­wei­ße Ber­ge wie rie­si­ge auf­ra­gen­de Kris­tal­le bereits von wei­tem zu sehen sind, ste­hen tau­sen­de von Fla­min­gos in den Lagu­nen. Und plötz­lich sehen wir sie: pink­far­be­ne Salz­seen, in denen wei­ße Salz­kris­tal­le schil­lern. Ein Wun­der der Natur, das einem abs­trak­ten Land­schafts­bild gleicht!

Am nächs­ten Tag geht es wei­ter Rich­tung Nor­den, vor­bei an Cape Cross mit sei­ner bemer­kens­wer­ten, rund 250 000 Rob­ben zäh­len­den Kolo­nie und schließ­lich ent­lang der Ske­le­ton Coast. Die Fas­zi­na­ti­on die­ser unwirt­li­chen Land­schaft, liegt in ihrer abso­lu­ten Abge­schie­den­heit. Nebel und seich­te Küs­ten­ge­bie­te, die selbst Walen zum Ver­häng­nis wer­den, haben hier einst vie­le Schif­fe auf Grund lau­fen las­sen. Wracks und Ske­let­te machen den Ske­le­ton Natio­nal­park, des­sen Zugang streng regle­men­tiert ist, zu einem beson­de­ren Fotospot.

Wir fah­ren Land ein­wärts und sind nach end­los wei­ßer Ebe­ne froh, die sich zart vio­lett erhe­ben­den Ber­ge des Dama­ral­an­des zu sehen. Unser Ziel nach Errei­chen von Palm­wag heißt Eten­de­ka in der Kunene Regi­on. Die letz­ten 20 Kilo­me­ter for­dern uns mit einer ein­stün­di­gen off­road Stre­cke noch ein­mal alles ab. Die Wan­de­rung vom Camp in der Ebe­ne zum Ete­de­ka Hills Camp fühlt sich dage­gen wie ein Spa­zier­gang an. Boas, unser Gui­de beglei­tet uns in den Sonnenuntergang.

MILLIONEN STERNE – MILLIONEN EDELSTEINE
Der Auf­gang von Jupi­ter und Saturn am kla­ren Him­mel krönt ein köst­li­ches Mahl aus Oryx-Gulasch, Reis und Kicher­erb­sen am Lager­feu­er. Eine Nacht unter Mil­lio­nen gla­mou­rös fun­keln­der Ster­ne ist der Lohn für einen anstren­gen­den Tag. Ein spek­ta­ku­lä­rer Son­nen­auf­gang begrüßt die Früh­auf­ste­her. Zum Früh­stück gibt es einen atem­be­rau­ben­den Blick über das sich weit öff­nen­de, in Oran­ge getauch­te Land. Gestärkt bege­ben wir uns auf den Abstieg. Unzäh­li­ge gro­ße, röt­lich gefärb­te Stei­ne for­men eine Art Mond­land­schaft, die kon­zen­trier­tes Gehen for­dert. Immer wie­der glit­zert und fun­kelt es dazwi­schen von Quarz­kris­tal­len, die zu tau­sen­den unter unse­ren Füßen lie­gen und uns ins Stau­nen ver­set­zen. Oft nimmt man sie erst auf den zwei­ten Blick wahr, da sie von röt­li­chem Staub über­zo­gen sind. Es sind zwar nicht die berühm­ten nami­bi­schen Dia­man­ten, die einst im Sperr­ge­biet und heu­te vor­wie­gend am Mee­res­grund gebor­gen wer­den, aber den­noch lösen sie Fas­zi­na­ti­on aus. Gui­de Boas erzählt, dass es in Swa­kop­mund ein spe­zi­el­les Mine­ra­li­en­mu­se­um, die Kris­tall Gale­rie gibt, mit dem welt­weit größ­ten je gefun­de­nen Quarz­kris­tall, der über 14 100 Kilo­gramm wiegt bei einem Aus­maß von sagen­haf­ten drei Metern Brei­te und drei Metern Höhe.

Zurück im Eten­de­ka Moun­tain Camp freu­en wir uns nach aus­gie­bi­ger Mit­tags­rast über die aus­ste­hen­de Ent­de­ckungs­tour. Boas bringt uns mit sei­nem Jeep tief in die Land­schaft am Fuße des Groot­berg Mas­sivs. Giraf­fen, Hyä­nen, Zebras, Oryx- und Spring­bock-Her­den sowie ein jun­ges Ele­fan­ten­paar fas­zi­nie­ren uns ein­mal mehr und zei­gen uns, wie reich Nami­bi­as Land­schaft und Natur geseg­net ist. Und schließ­lich ent­de­cken wir noch ein Löwen­ru­del, das vor eini­gen Tagen eine Giraf­fe geris­sen hat und sich nun im Schat­ten von Büschen und Grä­sern aus­ru­hen kann. Muna, die Anfüh­re­rin der Sip­pe, wacht mit ihrem Bru­der Tara über das Wohl der Fami­lie. Auf einem frei­en Feld in der Savan­ne hal­ten wir für eine Erfri­schung. Wohl nie hat ein Sun­dow­ner bes­ser geschmeckt, als heu­te, nach die­sem erleb­nis­rei­chen Tag, der sich nun oran­ge-gol­den sei­nem Ende neigt.

ONGAVA – HEIMAT SELTENSTER RHINOZEROSSE
Nach span­nen­der Wei­ter­fahrt errei­chen wir mit Zwi­schen­stopp Kaman­jab das 30 000 Hekt­ar gro­ße Ong­ava Reser­vat. Es liegt am süd­li­chen Rand des berühm­ten Eto­sha Natio­nal­parks und gilt als eines der erle­sens­ten pri­va­ten Natur­re­ser­va­te des Lan­des. 1991 haben sich eini­ge Gleich­ge­sinn­te den Traum erfüllt, aus unpro­fi­ta­blen Rin­der­far­men ein Natur­re­ser­vat ent­ste­hen zu las­sen, um bedroh­te Wild­tier­ar­ten vor Wil­de­rei zu schüt­zen. Direkt vor der Lodge des Ong­ava Ten­ted Camp sehen wir am Was­ser­loch sich tum­meln­de War­zen­schwei­ne, Anti­lo­pen und zahl­rei­che Vogel­ar­ten. Um die beson­ders gefähr­de­ten Breit- und Spitz­maul­nas­hör­ner zu sehen, gehen wir am Spät­nach­mit­tag mit Gui­de Salo­mon auf Erkun­dungs­tour. Fast erschre­ckend ist die extre­me Tro­cken­heit des Gebie­tes, die kein Blatt an den Büschen gelas­sen hat und kein Gras wach­sen lässt. So weiß Salo­mon auch genau, wo er die sel­te­nen Nas­hör­ner, die bis heu­te wegen ihres Horns gejagt wer­den, auf­spü­ren kann. Sie sind am Fut­ter­platz, wo man ihnen aus­rei­chend Heu als Nah­rung bie­tet. Der Wind steht güns­tig für uns und so kön­nen wir uns durchs Gebüsch ganz nahe an die Rhi­no-Grup­pe her­an­wa­gen. Ein erhe­ben­des Safa­ri-Erleb­nis, die­se Schät­ze der Natur haut­nah betrach­ten zu dür­fen! Dif­fu­ses Licht durch Sand und Wind asso­zi­iert eine Sze­ne­rie wie aus Urzei­ten. Tags dar­auf besich­ti­gen wir noch das For­schungs­zen­trum, das ganz neu im Som­mer eröff­net wur­de. Im inter­ak­ti­ven Besu­cher­zen­trum erhal­ten wir inter­es­san­te Infor­ma­tio­nen zu Geo­lo­gie, Tie­ren, Pflan­zen sowie öko­lo­gi­schen Zusam­men­hän­gen. Eine groß­ar­ti­ge Schnitt­stel­le zwi­schen Tou­ris­mus und For­schung, die wir ger­ne noch vor unse­rer Abfahrt erkunden.

OKONJIMA UND DIE AFRICAT-STIFTUNG
West­lich des Water­berg Pla­teau Parks liegt das Okon­ji­ma Natur­re­ser­vat. Hier haben wir von der „Afri­Cat Stif­tung“, einer Non-Pro­fit Orga­ni­sa­ti­on gehört, die dem Schutz und dem Erhalt von geret­te­ten, betreu­ten und reha­bi­li­tier­ten Raub­kat­zen dient. Rund 70 Kilo­me­ter süd­west­lich von Otji­wa­ron­go errei­chen wir das Okon­ji­ma Plains Camp. Nach kur­zer Erfri­schung fah­ren wir mit Gui­de Mar­tin in die Savan­ne um Ama­li, eine Leo­par­din auf­zu­spü­ren. Trotz ihres Track­ing-Hals­ban­des und Mar­tins Ortungs­ge­rät dau­ert es im 20 000 Hekt­ar gro­ßen Gebiet lan­ge bis wir erfolg­reich sind und sie im Gebüsch auf einem Ast aus­ma­chen. Ama­li prä­sen­tiert sich stolz in all ihrer Pracht. Zugleich mit einer fast stoi­schen Gelas­sen­heit, die sich nur ein Tier leis­ten kann, das um sei­ne Über­le­gen­heit weiß. Nach kur­zem Fla­nie­ren ent­schwin­det Ama­li im Gebüsch, um sich wenig spä­ter noch­mals direkt vor unser Auto zu legen. Zum Son­nen­un­ter­gang erhe­ben wir unser Glas auf die­se magi­schen Augen­bli­cke, die wir wohl nie ver­ges­sen wer­den. Tris­tan Böh­me, Adop­tiv­sohn der Inha­ber­fa­mi­lie Hans­son und lei­den­schaft­li­cher Lei­ter der Afri­Cat Stif­tung, hat sich am nächs­ten Mor­gen Zeit genom­men und erklärt uns Zusam­men­hän­ge, Pro­ble­ma­tik und uner­müd­li­che Lösungs­ver­su­che im Reser­vat Tie­re zu schüt­zen, zu erfor­schen und sie vor Wil­de­rei zu bewahren.

Mit vie­len Ein­drü­cken, aber auch vie­len Fra­gen und Gedan­ken fah­ren wir Rich­tung Oka­hand­ja unse­rem End­ziel Wind­hoek ent­ge­gen. Wir sind dank­bar, auf unse­rer Rund­tour auch in ent­le­gens­te Ecken Nami­bi­as gekom­men zu sein, und dadurch die Schät­ze und Viel­falt des Lan­des mit sei­ner unglaub­li­chen Natur ent­deckt zu haben.

Wie sel­te­ne Kunst­wer­ke prä­sen­tie­ren sich Wild­tie­re und Mine­ra­li­en, die die Land­schaft in unglaub­li­che Far­ben tau­chen und dar­aus das meis­ter­haf­te “Gesamt­werk Nami­bia” ent­ste­hen lassen.

Für die rund 330.000 Ein­woh­ner zäh­len­de Stadt Wind­hoek bleibt uns nur noch wenig Zeit bis zum Heim­flug. Ein kur­zer Bum­mel durch die Inde­pen­dence Ave­nue, die ehe­ma­li­ge Kai­ser­stras­se, gibt einen vagen Ein­blick. Das „typisch Deut­sche“ ist längst ver­schwun­den. Heu­te ist man mit Stolz Nami­bi­er, egal ob Weiß oder Schwarz. Die jun­ge, auf­ge­schlos­se­ne Gene­ra­ti­on spricht Eng­lisch, Afri­kaans und wer möch­te lernt Deutsch. Eines wur­de klar ver­stan­den: Nur wenn man gemein­sam agiert, kann die Natur in all ihrer Schön­heit und Arten­viel­falt erhal­ten wer­den. Nur dann flo­riert der Tou­ris­mus, der vie­len Arbeits­plät­ze bie­tet. Und nur dann kön­nen Pro­ble­me gelöst wer­den für ein auch zukünf­tig „glän­zen­des“ Namibia.

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Sie schreibt und fotografiert als freie Journalistin seit über 27 Jahren für unterschiedlichste Medien wie das Porsche Club Magazin, den Münchener Merkur, Welt, spiegel-online, die PNP sowie die FNP, den Münchener Merkur u.v.a. Mit den Schwerpunkten Reise, Wellness, Kulinarik und Lifestyle gründete sie 2016 ihr eigenes online-Magazin www.lastsecrets.de. Weltweit agierend gilt die Liebe der Autorin besonders ihrer Heimat, den Alpen, denen sie als Hommage ihr Buch „Die ganze Kraft der Alpen“ widmete.

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