Aktdarstellungen im Gottorfer Skulpturenpark
DAS NÖRDLICHSTE DER GROSSEN MUSEEN IN DEUTSCHLAND IST DIE STIFTUNG SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE LANDESMUSEEN SCHLOSS GOTTORF IN SCHLESWIG, DAS GRÖSSTE KUNSTMUSEUM ZWISCHEN HAMBURG UND KOPENHAGEN.
Es ist im ehemaligen Residenzschloss der Gottorfer Herzöge auf einer Insel am äußersten Punkt des Meeresarmes Schlei untergebracht, der mit der Ostsee verbunden ist. Jahrhunderte lang wurde das Land zwischen den Meeren von hier aus regiert. Jetzt ist das Schloss mit seinen Stallungen und der 800 qm großen Reithalle der Kultur gewidmet. Von den Sammlungen der Archäologie mit dem großen Nydamschiff und den bekannten Moorleichen reicht die Ausstellung mit der Kunst und Kulturgeschichte des Nordens vom Mittelalter bis zur Kunst der Moderne und der Gegenwart.
Das Gelände der Schlossinsel und das des angrenzenden Barockgartens mit dem Gottorfer Globus in einem eigenen Haus ist durch die Aufstellung von über 50 großen Plastiken zu einem Skulpturenpark mit Werken vornehmlich des 20. und 21. Jahrhunderts geworden. Den Figuren ist auf dem weitläufigen Gelände vor der Schlossfassade und vor der Wasserfläche des Burgsees ein wunderbarer Umraum gegeben, der sie sich entfalten und Beziehungen untereinander aufnehmen lässt.
Bereits 1932 ist der „Torso“ von Hans Martin Ruwoldt (1891–1969) entstanden, der den weiblichen Körper stark vereinfacht zeigt. Ruwoldt war in der Zeit des Jugendstils ausgebildet worden und ist später als Tierbildhauer bekannt geworden. Die Lehren des Kubismus hat Karl August Ohrt (1902–1993) beherzigt, der seiner Paardarstellung „Torso M, Torso W“ von 1961 die große Wucht von ungegenständlichen Blöcken gibt, es dabei aber versteht, die weibliche Anmut und die männliche Strenge in den Volumina auszudrücken.
Gustav Seitz (1906–1969) schuf seine „Flensburger Venus“ 1963, der generationsgleiche Münchner Bildhauer Hans Wimmer (1907–1992) seine „Desdemona“ 1976. Das ältere Werk scheint das modernere zu sein – wenn man den Abstraktionsgrad zum Maßstab nimmt. Wirklich erlebt die Figur ein rauschendes Crescendo. Von den kleinen Füßen ausgehend wächst der Leib über die Schenkel zu der gewaltigen Körpermitte auf. Der mächtige zerklüftete Rücken entspricht auf seine markante Weise dieser Form. Nur ein kleiner Arm stützt die Figur ab, die sich als Urmutter und zugleich als Nixe darbietet, denn ihre Haut verdichtet sich stellenweise zu einer schuppenhaften Struktur.
Die liegende „Desdemona“ zeigt die tragische Figur Shakespeares nach ihrer Ermordung hingesunken. Ihre ganze klassische Schönheit entfaltet sich in diesem Tod, und sie bedarf einer vom Bildhauer vorgesehenen Stütze unter der Achsel. Aber auch hier gibt es eine expressive Überdehnung (im Hals), die von einer akademischen Bildhauerei getadelt worden wäre. Von Hans Wimmer finden die Besucher auf Gottorf sein originalgetreu aufgebautes Atelier mit vollendeten und begonnenen Arbeiten und dem originalen Inventar vor.
Fritz Fleer (1921–1997) war Schüler von Edwin Scharff, jedoch auch von Gerhard Marcks beeinflusst, für den er in jungen Jahren Bronzen goss. Sein „Großer Athlet“ von 1985 erinnert an griechisch-archaische Figuren des 6. Jahrhunderts vor Christus, ist aber auch ebenso aus modernem abstrahierendem Formzusammenziehen zu erklären. Von Fleer befinden sich weitere männliche und weibliche Aktfiguren im Gottorfer Park.
Zu den besten Schülern von Gustav Seitz gehörte neben Edgar Augustin (1936–1996) Klaus Kütemeier (1939–2013), dessen „Kniende weibliche Figur“ aus Granit, die von 1981 bis 1983 entstanden ist, ihn als konsequenten, beharrlich arbeitenden Steinbildhauer zeigt. Sicherlich hat er auf altägyptische Vorbilder geachtet, hier aber einen ganz modernen Frauentyp auf eine Weise geschaffen, die an Architektur erinnert und den ägyptischen Anspruch von Ewigkeit in die Moderne transferiert. Auch von Kütemeier sind einige weitere Hauptwerke im Skulpturenpark von Schloss Gottorf zu sehen.