Die Essenz liegt in der Reduktion, an der Grenze zur Abstraktion.

Interview mit Conrad Jon Godly

Nach sei­nem Stu­di­um in der Mal­klas­se von Franz Fedier hat­te Con­rad Jon God­ly zwei Ein­zel­aus­stel­lun­gen in Gale­rien und nahm an eini­gen Grup­pen­aus­stel­lun­gen teil, so auch in der Kunst­hal­le Basel. Mit dem ver­dien­ten Geld reis­te er für ein Jahr in die USA, wo er vor allem zeich­ne­te und foto­gra­fier­te. Zurück in der Schweiz, zeig­te God­ly eini­gen Leu­ten sei­ne Fotos, und die­se waren begeis­tert. God­ly bekam sei­ne ers­ten Wer­be­auf­trä­ge als Foto­graf. Die Auf­nah­men waren sehr beliebt und er bekam immer mehr Auf­trä­ge, wel­che ihn letzt­lich wie­der ins Aus­land führ­ten: „Ich fing an in Paris, Mai­land, Lon­don, Mün­chen, Los Ange­les und in vie­len ande­ren Metro­po­len für bekann­te Mode- und Gla­mour- Maga­zi­ne zu arbei­ten.“ 18 Jah­re lang blieb dies sei­ne Tätig­keit, bis er eines Tages genug davon hat­te und wie­der zu sei­nen Wur­zeln als Maler zurück­kehr­te, in die abge­le­ge­ne Hüt­te sei­nes Groß­va­ters. Die­se ganz beson­de­re „Rei­se“ hat uns neu­gie­rig gemacht, und wir luden Con­rad Jon God­ly zu einem Gespräch.

Herr God­ly, spiel­te der Berg in Ihrer Kind­heit eine Rol­le? Gibt es dazu eine beson­de­re Erinnerung?

Ja, der Berg spiel­te für mich schon in mei­ner Kind­heit eine gro­ße Rol­le, denn ich wur­de in Davos mit­ten in der Berg­welt gebo­ren und wuchs dort auch auf. Im Som­mer ging ich mit mei­nen Eltern und mei­ner Schwes­ter wan­dern, mein Vater war ein ver­sier­ter Alpi­nist und Ski­leh­rer, und daher ver­brach­ten wir im Win­ter jede freie Stun­de auf den Skiern.

Zwischen 1988 und 2004 ent­stan­den aus­schließ­lich Foto­ar­bei­ten ins­be­son­de­re im Fashion- und Lif­style-Bereich. Wir neh­men an, dass rei­sen damals zu Ihrem Arbeits­all­tag gehör­te. Wohin führ­ten Sie Ihre Rei­sen und wel­che Rei­sen präg­ten Sie am meisten?

Rich­tig, in die­ser Zeit als Foto­graf war rei­sen mein All­tag. Jede Woche muss­te ich die Kof­fer packen, ich leb­te sozu­sa­gen im Flug­zeug und in Hotels. Ich habe viel von der Welt gese­hen und leb­te vie­le Jah­re im Aus­land. Oft arbei­te­te ich in Los Ange­les, wo ich vie­le pro­mi­nen­te Leu­te aus dem Film­ge­schäft und Show­busi­ness foto­gra­fier­te. Ich wür­de sagen, dass mich die­se Zeit am meis­ten geprägt hat.

2004 begann ein neu­er Lebens­ab­schnitt. Sie zogen sich auf die Hüt­te Ihres Groß­va­ters in die Schwei­zer Ber­ge zurück und nah­men die Male­rei wie­der auf. Gab es einen bestimm­ten Anlass, der zu die­ser radi­ka­len Ent­schei­dung führte?

18 Jah­re immer auf Rei­sen ist eine lan­ge Zeit, und ich frag­te mich damals, ob ich so wei­ter machen möch­te oder ob es nicht etwas gibt, wor­in ich mehr Lebens­sinn sehe? Das Busi­ness, in wel­chem ich gear­bei­tet habe, ist ein sehr ober­fläch­li­ches, und ich sehn­te mich nach mehr Sub­stanz. Die Male­rei hat­te ich immer im Hin­ter­kopf behal­ten, und nun kam der rich­ti­ge Zeit­punkt, die­se wie­der aufzunehmen.

Con­rad Jon God­ly in sei­nem Ate­lier © Mau­rice Haas

Die immense Kraft der Ber­ge, der Natur schlecht­hin, weist uns Men­schen in unse­re Schran­ken und zeigt uns, wie unbe­deu­tend klein wir sind. 

Wer Ihre Bil­der kennt, weiß: Der Berg ist Ihr Leit­mo­tiv. Nur auf der Lein­wand, oder hat der Berg für Sie etwas Heiliges?

Der Berg ist für mich sicher­lich mehr als ein Berg. Es geht mir in mei­ner Male­rei nie um Abbil­dung, sei es ein Berg, das Meer oder die Natur − viel­mehr bin ich an der Essenz und der Ener­gie von Din­gen und der Natur inter­es­siert. Wie kann ich die­se auf mei­ne Lein­wand brin­gen? Das ist die Her­aus­for­de­rung, wel­cher ich mich als Maler stel­le. Die immense Kraft der Ber­ge, der Natur schlecht­hin, weist uns Men­schen in unse­re Schran­ken und zeigt uns, wie unbe­deu­tend und klein wir sind. Bewegt man sich oft genug in der Natur, setzt auto­ma­tisch eine Selbst­re­fle­xi­on ein.

Die Ber­ge, die Sie malen, exis­tie­ren gar nicht wirk­lich, also sind Sie kein Land­schafts­ma­ler. Ist es eine Visi­on, die Sie malen?

Ich sehe mich kei­nes­falls als Land­schafts­ma­ler. Wie ich es bereits in der vor­aus­ge­gan­ge­nen Ant­wort gesagt habe, bin ich dar­an inter­es­siert, mit mei­ner Male­rei ähn­li­che Ener­gien zu erzeu­gen, wie es die Natur tut. Dies gelingt mir natür­lich nur in beschei­de­nem Maße. Die Kraft und Schön­heit der Natur kennt kei­ne Kon­kur­renz. Ich male kei­ne Por­träts von Ber­gen, mei­ne Ber­ge haben kei­ne Namen, son­dern sie ent­sprin­gen mei­ner Fan­ta­sie. Mit mei­ner Male­rei ver­su­che ich, mit der Natur eins zu sein.

Die Natur und die Kraft des Ber­ges haben seit Men­schen­ge­den­ken bei vie­len Künst­lern, Musi­kern, Phi­lo­so­phen etc. eine gro­ße und beson­de­re Rol­le auf der Suche nach sich selbst gespielt. Ist das auch für Sie ein Thema?

Auf jeden Fall. Setzt man sich der immensen Kraft der Ber­ge aus, beginnt ein Pro­zess, wo man alles Mög­li­che ver­gisst, aber umso mehr anfängt,sich selbst zu spü­ren. Ich emp­feh­le jedem, der auf der Suche nach sich selbst ist, viel Zeit in den Ber­gen zu ver­brin­gen, und dies nicht an einem schi­cken Kur­ort, son­dern weit weg von aller Zivilisation.

Fühlen Sie als Maler, dass Sie bei­spiels­wei­se in der Kom­po­si­ti­on oder im Bild­auf­bau von Ihrer Zeit als Foto­graf, also von die­sem „foto­gra­fi­schen Auge“, in irgend­ei­ner Form profitieren?

Davon pro­fi­tie­re ich sehr! Als Foto­graf habe ich gelernt, was Licht bedeu­tet und wie man Licht lesen kann. Auch lernt man als Foto­graf, wie man ein Bild auf­baut. Die Kom­po­si­ti­on ist sowohl in der Foto­gra­fie als auch in der Male­rei von gro­ßer Wich­tig­keit. Doch ich habe als Foto­graf auch von mei­nem Stu­di­um der Male­rei pro­fi­tiert, gera­de hin­sicht­lich dem Bild­auf­bau. Ich habe also beid­sei­tig von die­sen Erfah­run­gen in zwei ver­schie­de­nen Tätig­kei­ten profitiert.

Ihre Ber­ge sind auf das Wesent­li­che redu­ziert – nahe an der Abs­trak­ti­on, aber doch nicht. Steu­ern Sie die­se Reduk­ti­on bewusst?

Wenn man nahe vor einem Gemäl­de von mir steht, sieht man ein abs­trak­tes Bild. Erst mit aus­rei­chen­der Distanz fängt das Gemäl­de an, rea­lis­ti­sche For­men anzu­neh­men. Ich habe dies nie bewusst zu erzeu­gen ver­sucht, das ist ein­fach so pas­siert, durch das täg­li­che Malen. Ich war selbst über­rascht, als ich die­se Wir­kung zum ers­ten Mal fest­ge­stellt habe. Hin­ge­gen ver­su­che ich immer mehr zu redu­zie­ren. Auch hier geht es letzt­lich um die Essenz. Was ist das Wesent­li­che, wie­viel braucht es, um etwas dar­zu­stel­len? Ich bewe­ge mich immer an der Gren­ze zur Abs­trak­ti­on und wer­de dies in Zukunft immer mehr tun.

Sie arbei­ten mit Öl und tra­gen die Far­be auch sehr groß­zü­gig auf – hat das einen bestimm­ten Grund?

Ölfar­be ist mein Medi­um! Ich lie­be die Kon­sis­tenz die­ser Far­be und auch ihren Geruch. Es ist ein leben­di­ges Mate­ri­al im Ver­gleich zur Acryl­far­be. Die sehr pas­to­sen Farb­auf­trä­ge machen mei­ne Bil­der zu etwas zwi­schen Gemäl­de und Skulp­tur und ver­lei­hen mei­nen Wer­ken die­se Dreidimensionalität.

Arbei­ten Sie mit Skiz­zen im Vor­feld oder direkt auf der Leinwand?

Ich gehe ohne Skiz­zen und ohne Kon­tu­ren mit der Far­be direkt auf die Lein­wand. Die­se ist mein „Schlacht­feld“!

Sie ver­bin­det sehr viel mit Asi­en. Haben Sie sich dort mit der Kal­li­gra­fie beschäftigt?

Ich rei­se seit 16 Jah­ren jedes Jahr nach Japan. Die­ses Land ist mei­ne zwei­te Hei­mat. Ich bin von der Ästhe­tik japa­ni­scher Male­rei und Kal­li­gra­phie fas­zi­niert, aber ich habe die­se nie bewusst stu­diert oder mich in Kal­li­gra­phie ver­sucht. Dies soll­te ein west­li­cher Künst­ler auch gar nicht erst ver­su­chen, dies ist aus­schließ­lich den Asia­ten zuge­dacht, nur sie ver­ste­hen und kön­nen das! Kal­li­gra­phie benö­tigt ein lebens­lan­ges Prak­ti­zie­ren. Auch bin ich mit einer Japa­ne­rin verheiratet.

Der Kunst­his­to­ri­ker Phil­ipp Mei­er beschreibt in einem aus­führ­li­chen Arti­kel über Ihr Werk, dass Ihre Art der Male­rei Par­al­le­len zur Kal­li­gra­fie auf­weist. Auch inso­fern, weil die Male­rei für Sie eine medi­ta­ti­ve Beschäf­ti­gung ist. Ist das so?

Die Par­al­le­len mei­ner Male­rei zur japa­ni­schen Kal­li­gra­phie sind unge­wollt und rein zufäl­lig. Trotz­dem wer­den mei­ne Arbei­ten in Japan, Korea und Chi­na hoch geschätzt und ver­stan­den. Asia­ten schau­en Gemäl­de mit ande­ren Augen an als wir west­li­chen Men­schen. Sie kön­nen Bil­der wirk­lich lesen, sie stu­die­ren sehr genau die Pin­sel­füh­rung, in wel­che Rich­tung der Pin­sel geführt wird, und wie er so gewis­se Ener­gien erzeu­gen kann. Sie sind am Wesen inter­es­siert und nicht an Abbil­dun­gen. Die men­ta­le Vor­be­rei­tung ist für mei­ne Male­rei wesent­lich. Es ist eine Art Media­ti­on. Kon­zen­tra­ti­on ist der wich­tigs­te Bestand­teil bei mei­ner Arbeit. Inso­fern gibt es da eine wei­te­re Par­al­le­le zur asia­ti­schen Male­rei und Kalligraphie.

Ihre Wer­ke befin­den sich mitt­ler­wei­le in den Samm­lun­gen eini­ger gro­ßen Schwei­zer Ban­ken. Sie haben Gale­rie­ver­tre­tun­gen in Lon­don und in Tokyo. Ihre Kar­rie­re in der Male­rei ist zwar noch jung, aber schon ziem­lich erfolg­reich. Pla­nen Sie genau Ihre Schrit­te oder las­sen Sie enfach alles auf sich zukommen?

Ich pla­ne nichts außer mei­nen nächs­ten Werkse­ri­en. Ich las­se die Din­ge auf mich zukom­men und ver­traue dem Schicksal.

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