Maria Chalela-Puccini

Die Künst­le­rin Maria Cha­le­la-Puc­ci­ni, in Kolum­bi­en gebo­ren und auf­ge­wach­sen, stu­dier­te bil­den­de Kunst an der Uni­ver­si­tät Javer­ia­na in Bogo­ta. Nach Abschluß des Stu­di­ums bereis­te sie Euro­pa und blieb erst­mal in Ber­lin. Eine bei­spiel­haf­te Arbeit aus die­ser Zeit sind Bewe­gungs­stu­di­en einer Tän­ze­rin, deren Kör­per­sil­hou­et­te sie wäh­rend des Tan­zes mit Koh­le auf groß­for­ma­ti­ges Papier über­trug. Die dabei ent­ste­hen­den Über­la­ge­run­gen machen bereits zen­tra­le The­men Cha­le­la-Puc­ci­nis künst­le­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zung sicht­bar. Es ist der ste­te Ver­such Bewe­gun­gen ein­zu­fan­gen, den abge­bil­de­ten Men­schen und Objek­ten ein Eigen­le­ben zu ver­lei­hen. Die geschiet unter Anwen­dung ver­schie­de­ner Tech­ni­ken an den Schnitt­stel­len zwi­chen stil­lem und beweg­tem Bild, Ana­lo­gem und Digitalem.

Inter­es­siert an der Erkun­dung unter­schied­li­cher nar­ra­ti­ver und abs­trak­ter Mög­lich­kei­ten im Bereich Ani­ma­ti­ons­film kam Cha­le­la-Puc­ci­ni nach Wien und stu­dier­te in der Klas­se Male­rei und Ani­ma­ti­ons­film an der Uni­ver­si­tät für Ange­wand­te Kunst unter der Lei­tung von Judith Eis­ler. Die frü­hen, hier ent­stan­de­nen Arbei­ten zeu­gen von einem expe­ri­men­tel­len Umgang mit ver­schie­de­nen Medi­en und Tech­ni­ken – ent­we­der sind es digi­ta­le Col­la­gen, die aus­ge­druckt und hän­disch bear­bei­tet wer­den, oder umge­kehrt wird Gemal­tes ein­ge­scannt und digi­tal ani­miert. Zu sehen ist das in ihrem Ani­ma­ti­ons­film Dia­ry of a sail­or who did not pay the rent. Der Film erzählt vom tra­gi­schen Schick­sal eines ein­sa­men See­fah­rers, wel­cher, ver­tieft auf sei­ne Lein­wän­de malend, so sehr von wil­den Aben­teu­ern auf offe­ner See träumt, dass er  ergisst sei­ne Mie­te zu bezah­len. Die per­sön­li­che Fra­ge nach der künst­le­ri­schen Iden­ti­tät wird dabei auf iro­ni­sche Wei­se als fil­mi­sche Para­bel dargestellt.

Im Film vie­jo, old man, alter mann erlei­det der Prot­ago­nist eine Auf­lö­sung sei­ner Identität. 

Auf nur einer Flä­che, Frame für Frame mit Ölfar­be gemalt und über­malt, erzählt der Film die Geschich­te eines alten Man­nes, wel­cher am Fens­ter­platz der Stamm­bar sein Glas hebend so lan­ge ver­weilt, bis er sich voll­kom­men mit der Sze­ne­rie ver­eint und in der Wand verschwindet.

Ihr auf Glas gemal­ter Ani­ma­ti­ons­film An edu­ca­ted woman, eine drei­tei­li­ge Serie, die 2015 am Tri­cky women Film­fes­ti­val mit dem Hubert Siel­ecki Preis aus­ge­zeich­net wur­de, ist eine Inter­pre­ta­ti­on gesell­schaft­li­cher Prak­ti­ken über die Iden­ti­täts­kon­struk­ti­on einer Frau. Tei­le von Frau­en­kör­pern pas­sie­ren dabei auf Fließ­bän­dern meh­re­re Sta­tio­nen einer Fabrik um adjus­tiert zu wer­den, die Gehir­ne wer­den ent­nom­men und die Brüs­te ver­grö­ßert. Ein altes Gram­mo­phon spielt dazu eine  chall­plat­te mit Ver­hal­tens­ko­di­zes. Im Epi­log erzählt die Künst­le­rin über ihre Arbeits­wei­se und auf­tau­chen­de Absur­di­tä­ten beim Ver­such eines Selbst­por­träts: “A self por­trait is like try­ing to remem­ber your own exis­tence by recrea­ting yours­elf again and again and again and again.” Der Arbeits­pro­zess unter­streicht die­se Aus­sa­ge. Jedes mit Acryl auf Glas gemal­te Bild wird für den jeweils nächs­ten Frame über­malt. Die Kame­ra doku­men­tiert dabei die Spu­ren die­ses Wech­sel­spiels von Destruk­ti­on und Kreation.

Aktu­ell arbei­tet Cha­le­la-Puc­ci­ni an einer Serie von Por­träts fik­ti­ver Per­so­nen. Neben der Lust am Hap­ti­schen und der Unmit­tel­bar­keit des Malens, argu­men­tiert sie die per­sön­li­che Ent­wick­lung zur Male­rei mit der Erklä­rung des Begrif­fes Ani­ma­ti­on, wel­cher sich vom latei­ni­schen Wort ani­ma­tio (das Bele­ben) ablei­tet. Erzeug­te sie in ihren Fil­men Bewe­gung durch die schnel­le Abfol­ge meh­re­re Ein­zel­bil­der, ver­sucht sie nun die­se im Stand­bild wie­der­zu­fin­den – den abge­bil­de­ten Per­so­nen eine See­le zu ver­lei­hen. Ver­rin­nen die Ölfar­ben der Ver­ti­ka­li­tät wegen über Nacht und ver­än­dern dadurch den Aus­druck eines Gesichts, nennt sie es Zufall. Die per­ma­nen­te  Wie­der­ho­lung des­sel­ben Motivs, mitt­ler­wei­le besteht die Serie aus über zwei­hun­dert Por­träts, fin­det im Kon­text zu Ben­ja­mins Auf­satz Das Kunst­werk im Zeit­al­ter sei­ner tech­ni­schen Repro­du­zier­bar­keit wei­te­re Bedeu­tung. Für Cha­le­la ist es ein per­sön­li­cher Akt des Wider­stands gegen die tech­no­lo­gi­sier­te Welt. Die ver­kann­ten Gesich­ter beschrei­ben dabei die Schnell­le­big­keit und den Iden­ti­täts­ver­lust des post­mo­der­nen, digi­ta­len Indi­vi­du­ums – und rei­hen sich ein in die Geschich­te der Porträtmalerei.

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geschrieben von

wurde 1988 in Klagenfurt geboren. Nach Studien- und Arbeitsaufenthalten in Udine, Zagreb, New York und Brüssel studierte er Architektur an der TU Wien. Er arbeitet als freischaffender Architekt, Bühnenbildner und Filmemacher.

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