Der Brixner Domschatz

Bischof Ivo Muser

Der Brix­ner Dom­schatz in Süd­ti­rol zählt zu den bedeu­ten­den Dom­schatz­kam­mern im Alpen­raum und doku­men­tiert haupt­säch­lich die sakra­le Kunst- und Kul­tur­ent­wick­lung des Mit­tel­al­ters und des Barock. Tei­le des Dom­schat­zes, wie lit­ur­gi­sche Gerä­te und Gewän­der sowie eine Rei­he von Reli­qui­en­büs­ten, ste­hen nach wie vor in Gebrauch und befin­den sich in der Domsa­kris­tei. Die nicht mehr in Gebrauch ste­hen­den Objek­te sind zum Teil im Diö­ze­san­mu­se­um der Hof­burg Bri­xen aus­ge­stellt, wobei es sich vor­wie­gend um die ältes­ten und kost­bars­ten Stü­cke han­delt. Zu die­sen gehö­ren neben der Adler­ka­sel aus dem 10. Jahr­hun­dert und den Gewän­dern des seli­gen Bischofs Hart­mann aus dem 12. Jahr­hun­dert eine Rei­he von lit­ur­gi­schen Gerä­ten und Gefä­ßen sowie zahl­rei­che, kost­bar gefass­te Reli­quia­re.

Im Mit­tel­al­ter ver­stand man unter „Schatz“ nicht allein die Ansamm­lung der kost­ba­ren Gegen­stän­de aus Gold, Sil­ber und Edel­stei­nen, son­dern für eine Kir­che oder Palast­ka­pel­le war vor allem der Besitz von Hei­li­gen-Reli­qui­en das Wert­volls­te und somit ihr eigent­li­cher Schatz. Ging es doch in der Reli­qui­en­ver­eh­rung um die segens­rei­che und wun­der­wir­ken­de Kraft der Hei­li­gen. Seit der Auf­klä­rung hat sich das Inter­es­se haupt­säch­lich auf die kost­ba­ren Fas­sun­gen und die kunst­voll gear­bei­te­ten Behält­nis­se, in denen die Reli­qui­en auf­be­wahrt wer­den, gerich­tet und nicht mehr so sehr auf die Reli­qui­en selbst. Zu erwäh­nen sind dies­be­züg­lich sowohl eini­ge Turm­re­li­quia­re, Kas­set­ten aus Holz, Metall und Elfen­bein, Reli­qui­en­glä­ser sowie Stand- und Vor­tra­ge­kreu­ze, in denen eben­falls Reli­qui­en  auf­be­wahrt wer­den. Von den im Diö­ze­san­mu­se­um ver­wahr­ten lit­ur­gi­schen Gewän­dern ist die Adler­ka­sel, eine Glo­cken­ka­sel aus der Zeit um 1000, nicht nur das ältes­te, son­dern wohl auch das bekann­tes­te und wert­volls­te Objekt.

Wir dür­fen uns dar­über freu­en, dass wir im Dom­schatz einen geis­ti­gen Lebens­raum haben und dass uns die­se Wer­ke über Jahr­hun­der­te hin­weg immer neu ansprechen. 

Es han­delt sich dabei um eine in einer zen­tra­len byzan­ti­ni­schen Manu­fak­tur her­ge­stell­te Pur­pur­sei­de mit ein­ge­wo­be­nen gro­ßen schwar­zen Adlern mit Gold­ring im Schna­bel sowie Roset­ten. Die Kasel wird seit jeher mit dem als Hei­li­gen ver­ehr­ten Säbe­ner und Brix­ner Bischof Albuin (+1006) in Ver­bin­dung gebracht, wobei es über den genau­en Zeit­punkt und den Anlass der Schen­kung kei­ne nähe­ren Anga­ben gibt. Eine kai­ser­li­che Schen­kung durch Hein­rich II. oder Kon­rad II. an Bischof Albuin von Bri­xen oder des­sen Nach­fol­ger gilt als wahr­schein­lich. Bedeu­tend sind auch die mit dem seli­gen Bischof Hart­mann (+1164) in Ver­bin­dung ste­hen­den Gewän­der, näm­lich die aus dunk­ler ori­en­ta­li­scher Pur­pur­sei­de gefer­tig­te Kasel, die gelb-gold far­bi­ge Kasel und ein ent­spre­chen­des Plu­via­le sowie eine zu die­sen Gewän­dern gehö­ri­ge Mitra. Von den aus der Barock­zeit stam­men­den Orna­ten ste­hen meh­re­re nach wie vor in lit­ur­gi­scher Ver­wen­dung, wie etwa der mit Gold­sti­cke­rei deko­rier­te Sei­den­or­nat, den die Kai­se­rin Maria The­re­sia 1768, anläss­lich des fünf­zig­jäh­ri­gen Pries­ter­ju­bi­lä­ums von Fürst­bi­schof Leo­pold von Spaur, dem Brix­ner Dom schenkte.

Reli­qui­en­kas­set­te mit ver­gol­de­ten Metallbeschlägen,Venedig, 13. Jh.

Zum glei­chen Anlass ließ die Kai­se­rin auch einen künst­le­risch außer­ge­wöhn­lich reich aus­ge­stat­te­ten Kelch des Wie­ner Gold­schmie­des Joseph Moser über­brin­gen. Von den her­aus­ra­gen­den baro­cken Para­men­ten sei­en noch ein von Graf Chris­toph von Migaz­zi gestif­te­tes Mess­kleid sowie zwei rote Orna­te genannt, der eine gestif­tet von Fürst­bi­schof Johann Franz Khuen und der ande­re vom Dom­herrn Franz von Enzenberg.

Ana­log zu den lit­ur­gi­schen Gewän­dern befin­den sich auch eini­ge alt­ehr­wür­di­ge und sel­te­ne Bei­spie­le lit­ur­gi­scher Gerä­te in der Obhut des Diö­ze­san­mu­se­ums, wie etwa der Gra­bes­kelch von Bischof Alt­win (um1098) und eine Fis­tu­la mit Etui aus dem 12. Jahr­hun­dert. Es han­delt sich dabei um ein Saug­röhr­chen zum Genuss des kon­se­krier­ten Wei­nes. Auf den beson­de­ren Stel­len­wert der Reli­qui­en inner­halb des Dom­schat­zes wur­de bereits hin­ge­wie­sen und es über­rascht daher nicht, dass die­ser Bereich mit zahl­rei­chen und auch künst­le­risch her­aus­ra­gen­den Stü­cken ver­tre­ten ist. Von den heu­te im Diö­ze­san­mu­se­um befind­li­chen Reli­qui­en­mons­tran­zen sind beson­ders zwei Turm­mons­tran­zen aus der Zeit um 1400 sowie das Mar­kus- und das Katha­ri­nen­re­li­qui­ar aus dem 16. Jahr­hun­dert her­vor­zu­he­ben. Mit Reli­qui­en aus­ge­stat­tet sind auch eini­ge goti­sche Stand­kreu­ze, die bis in die Barock­zeit als Paci­fi­cale beim Frie­dens­gruß den Gläu­bi­gen zum Kuss gereicht wur­den. Nicht uner­wähnt blei­ben sol­len auch meh­re­re Reli­qui­en­kas­set­ten, wie z. B. drei Elfen­bein­kas­set­ten aus dem 12. und 13. Jahr­hun­dert, eine Elfen­bein­kas­set­te mit ver­gol­de­ten Reli­efs des berühm­ten Nürn­ber­ger Gold­schmieds Wen­zel Jam­nit­zer (um 1590) und eine Kas­set­te aus Zypern mit ver­gol­de­ten Metall­be­schlä­gen (13. Jh.). Letz­te­re kam jedoch erst 1659 als Geschenk des Dogen Dome­ni­co Con­ta­ri­ni aus Civi­da­le an Fürst­bi­schof Anton Cro­si­ni nach Brixen.

Vor­tra­ge­kreuz, um 1330
Bischof Ivo Muser
Vigi­li­us­büs­te, Franz Keh­rer, 1991

Einen beson­de­ren Schatz des Domes bil­den schließ­lich die Reli­qui­en­büs­ten der Diö­ze­san­pa­tro­ne Kas­si­an, Vigi­li­us, Inge­nu­in und Albuin. Außer den genann­ten birgt der Dom­schatz auch noch Büs­ten­re­li­quia­re des seli­gen Bischofs Hart­mann, sowie der hll. Agnes, Chris­ti­na und Otti­lia. Die­se Reli­quia­re wer­den an den Fest­ta­gen der betref­fen­den Hei­li­gen im Dom zur Ver­eh­rung aus­ge­stellt und alle­samt wer­den sie am zwei­ten Sonn­tag nach Ostern, dem soge­nann­ten Kas­si­ans­sonn­tag, in fei­er­li­cher Pro­zes­si­on durch die Stra­ßen der Stadt getra­gen. Alle die­se Büs­ten sind in Sil­ber gear­bei­tet, teil­wei­se ver­gol­det und wei­sen einen mehr oder weni­ger rei­chen Edel­stein­schmuck auf. Künst­le­risch beson­ders her­vor­ge­ho­ben sei­en die Agnes­büs­te, die die ältes­te ist und um 1490 vom Brix­ner Gold­schmied Valen­tin Schau­er nach einem Ent­wurf von Hans Klo­cker geschaf­fen wur­de und die Büs­te des hl. Vigi­li­us, die als jüngs­te im Jah­re 1991 vom Wotru­ba- Schü­ler Franz Keh­rer aus Enne­berg ent­wor­fen und aus­ge­führt wur­de. Zu den Kost­bar­kei­ten eines jeden und so auch des Brix­ner Dom­schat­zes zäh­len die mit­tel­al­ter­li­chen illu­mi­nier­ten Hand­schrif­ten, die sich heu­te in der Obhut der Semi­nar­bi­blio­thek befin­den und nur zu beson­de­ren Anläs­sen aus­ge­stellt werden.

Die Kir­che will den gesam­ten Dom­schatz mit Sorg­falt gehü­tet wis­sen, denn es geht ihr nicht pri­mär um die mate­ri­el­len, son­dern um die geis­ti­gen Wer­te, die in die­sen Kunst­wer­ken lie­gen. Für die meis­ten Besu­cher bedeu­tet der Dom­schatz auch weit mehr als nur eine Samm­lung künst­le­ri­scher Kost­bar­kei­ten, weil dahin­ter etwas Tran­szen­den­ta­les spür­bar wird. Die Begeg­nung mit den kost­ba­ren Gerä­ten und Gewän­dern des Dom­schat­zes sind Zei­chen dafür, dass es der Kir­che ein Her­zens­an­lie­gen ist, die Fei­er des Got­tes­diens­tes zu einem fest­li­chen Ereig­nis zu gestalten.

Kontakt

Hof­burg Bri­xen (Diö­ze­san­mu­se­um)
Hof­burg­platz 2
I‑39042 Brixen

www.hofburg.it

Öff­nungs­zei­ten
Diens­tag bis Sonn­tag 10 bis 17 Uhr

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