Bacon und Giacometti

Exzessiver Lebenswandel und eine gemeinsame Muse verbinden Bacon und Giacometti

Bacon und Gia­co­metti teil­ten zeit ihres Schaf­fens einen uner­schüt­ter­li­chen Glau­ben an die Bedeu­tung der mensch­li­chen Figur. Inten­siv beschäf­tig­ten sie sich mit der Rol­le der Tra­di­ti­on, denn bei­de stu­dier­ten, kopier­ten und para­phra­sier­ten die alten Meis­ter. Bei­de inter­es­sier­ten sich für die Her­aus­for­de­rung der zwei­di­men­sio­na­len und  drei­di­men­sio­na­len Dar­stel­lung von Raum, wobei sie käfig­ar­ti­ge Gebil­de in ihre Wer­ke inte­grier­ten, um die Figu­ren in ihrer Umge­bung zu iso­lie­ren. Zudem befass­ten sie sich mit dem frag­men­tier­ten und defor­mier­ten Kör­per und wand­ten sich obses­siv dem Por­trät und der damit ver­bun­de­nen Dar­stel­lung mensch­li­cher Indi­vi­dua­li­tät zu.

Gra­ham Keen/Portrait Gia­co­metti und Bacon/3/LAC/197x300mm

 Jeder der bei­den rekla­mier­te für sich, ein „Rea­list“ zu sein. 

Gia­co­metti und Bacon setz­ten sich in ihrem künst­le­ri­schen Schaf­fen mit den­sel­ben exis­ten­ti­el­len Fra­gen des moder­nen Men­schen aus­ein­an­der: Ein­sam­keit und Schmerz, Sexua­li­tät und Gewalt, Leben und Tod – die Nöte des Seins. Außer­dem teil­ten sich die bei­den auch eine Muse und zwar die Male­rin Isa­bel Rawst­hor­ne. Für bei­de Künst­ler stand sie Modell, mit bei­den war sie Erzäh­lun­gen zufol­ge im Bett. Sie inter­pre­tier­ten Rawst­hor­ne auf eigen­tüm­li­che Wei­se: aus unter­schied­li­cher Distanz von Gia­co­metti betrach­tet und als furi­en­haf­te „Femme fata­le“ insze­niert bei Bacon.

Der bri­ti­sche Maler und der Schwei­zer Bild­hau­er lern­ten sich Anfang der 1960er Jah­re durch ihre Muse per­sön­lich ken­nen. 1965 waren sie bereits so gut mit­ein­an­der befreun­det, dass Bacon Gia­co­metti in der Tate Gal­lery in Lon­don besuch­te, wäh­rend die­ser dort sei­ne Aus­stel­lung ein­rich­te­te. Eine Serie von Auf­nah­men des eng­li­schen Foto­gra­fen Gra­ham Keen doku­men­tiert die­se Begeg­nung und zeigt bei­de Künst­ler in einen anre­gen­den Dia­log ver­tieft. Mehr als ein hal­bes Jahr­hun­dert spä­ter tref­fen nun die­se bei­den bedeu­ten­den Künst­ler in der Fon­da­ti­on Beye­ler wie­der auf­ein­an­der, und das erwähn­te Dop­pel­por­trät von Rawst­hor­ne bil­det den Auf­takt der Ausstellung.

Wäh­rend das Expres­si­ve und zwang­haft Extro­ver­tier­te der Dar­stel­lun­gen Bacons den Betrach­ter sofort in ihren Bann zie­hen, kenn­zeich­nen die Por­träts Gia­co­mett­is eine Zurück­hal­tung, die nicht weni­ger hyp­no­ti­sie­rend wirkt: Auch die­se Per­so­nen ver­an­schau­li­chen eine Situa­ti­on, die von Zwang geprägt ist, ihnen scheint der Druck ein­ge­schrie­ben zu sein, den der Künst­ler auf sei­ne Model­le aus­üb­te, indem er sie zu abso­lu­tem Still­sit­zen nötig­te. Die­ser Druck wand­te sich auch gegen Gia­co­metti selbst, der – sein ver­meint­li­ches Nicht-Kön­nen ver­flu­chend – die Bil­der immer wie­der von Neu­em begann, bis die Por­träts radi­kal redu­ziert und extrem ver­dich­tet waren.

Das fort­ge­setz­te Schei­tern Gia­co­mett­is war Pro­gramm. Hät­te er nicht stän­dig das Gefühl gehabt zu schei­tern, hät­te ihm womög­lich der Impuls gefehlt wei­ter­zu­ma­chen. Arbei­ten scheint für ihn zu einem guten Teil auch die Suche nach per­sön­li­cher Grenz­über­schrei­tung gewe­sen zu sein, so als habe er sich für sein Künst­ler­da­sein bestra­fen wol­len. Dies traf wohl auch auf Bacon zu, auch wenn sich in des­sen Bil­dern die Aggres­si­on vor allem nach außen zu rich­ten scheint.

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