Das neue Art Concept in der Zürcher Kunstszene

Interview mit Frédérique Hutter

Fré­dé­ri­que Hut­ter schlägt mit ihrem Unter­neh­men FRÉDÉRIQUE HUTTER ART CONCEPT ein neu­es Kapi­tel auf. Auf­bau­end auf die letz­ten zehn Jah­re KATZ CONTEMPORARY Gale­rie­tä­tig­keit, fokus­siert das neue Kon­zept auf ein erwei­ter­tes Ange­bot an Dienst­leis­tun­gen. Nebst der Wei­ter­füh­rung der Gale­rie­tä­tig­keit im Rah­men von tem­po­rä­ren Aus­stel­lungs­pro­jek­ten ohne fixe Aus­stel­lungs­räu­me, wer­den Kunst­be­ra­tung und Kunst­ver­mitt­lun­gen, Ver­kaufs­tä­tig­kei­ten im pri­ma­ry und secon­da­ry Mar­ket, der Auf­bau von Samm­lun­gen, sowie die Umset­zung von erwei­ter­ten Pro­jek­ten im In- und Aus­land im Mit­tel­punkt ste­hen. Außer­dem wird sie sich ein­ge­hend der Betreu­ung und För­de­rung von aus­ge­wähl­ten jun­gen Künst­lern wid­men. Das hat uns neu­gie­rig gemacht und wir haben sie im Rah­men ihres ers­ten Aus­stel­lungs­pro­jekts in Zürich zu einem Gespräch getroffen.

Fré­dé­ri­que Hut­ter und Mag­da­le­na Fro­ner im Gespräch, Foto: Xan­dra M. Linsin

Du bist seit 25 Jah­ren in der Kunst­welt aktiv – wie hat alles begon­nen, woher kommt die Lei­den­schaft für Kunst?

Erstaun­li­cher­wei­se bin ich als Kind zwar nicht mit Kunst­wer­ken auf­ge­wach­sen, aber es war mei­ne Mut­ter, die mich nach Bern in die gro­ße Picas­so-Aus­stel­lung mit­ge­nom­men hat und das war für mich ein ein­schnei­den­des Erleb­nis. Da wur­de mir bewusst, dass ich ein­mal etwas beruf­lich mit Kunst machen möch­te. Um schnell in die­se Welt ein­zu­tau­chen, bin ich nach Genf, um ein Prak­ti­kum bei Christies zu absol­vie­ren. Es folg­ten Gale­rie­sta­tio­nen im Kunst­sa­lon Wolfs­berg, einer tra­di­tio­nel­len, auf moder­ne Schwei­zer Kunst spe­zia­li­sier­te Kunst­ga­le­rie, meh­re­re Jah­re in der renom­mier­ten, inter­na­tio­nal täti­gen Gale­rie Bru­no Bischof­ber­ger mit Schwer­punkt Modern Art, Ame­ri­can Pop Art und Con­cep­tu­al Art. Im Jahr 2000 über­nahm ich zusam­men mit dem Gale­ris­ten Nico­la von Sen­ger die Geschäfts­lei­tung der Gale­rie ars­Fu­tu­ra, eine für zeit­ge­nös­si­sche Gegen­warts­kunst bekann­te Gale­rie. Bis zur Eröff­nung mei­nes eige­nen Gale­rie­pro­jek­tes Katz Con­tem­po­ra­ry folg­ten wei­te­re kur­ze Zwi­schen­sta­tio­nen in nam­haf­ten Gale­rien, wie u.a. der Gale­rie Eva Pre­sen­hu­ber (damals Hau­ser & Wirth II).

Deine eige­ne Gale­rie Katz Con­tem­po­ra­ry hast du 10 Jah­re erfolg­reich geführt. Wel­che waren die Grün­de für die Schließung?

2008 hat­te ich das Glück Inves­to­ren ken­nen­zu­ler­nen und idea­le Gale­rie­räu­me zu fin­den. Ich hat­te den Ent­schluss gefasst selbst etwas zu machen, dach­te an etwas Klei­nes, doch dann kam die Chan­ce mit die­ser Top-Lage und finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung für den Start. Es war mei­ne eige­ne Gale­rie, aber es war ein rie­sen Schiff, das ich steu­ern muss­te. Nor­ma­ler­wei­se fängt eine Gale­rie klein an, wächst mit ihren Künst­lern und wird dann grö­ßer. Ich hat­te eine lee­re Hül­le zur Ver­fü­gung und muss­te sie fül­len. Um die hohen Fix­kos­ten zu decken, konn­te ich nicht nur jun­ge Künstler*innen zei­gen, son­dern eben auch eta­blier­te Posi­tio­nen aus­stel­len. Ich muss­te eine Stra­te­gie ent­wi­ckeln, ob ich an Mes­sen teil­neh­me oder nicht. Ich habe auf die Top-Lage gesetzt und durch vie­le Events die Samm­ler in die Gale­rie gelockt. Es ist nach 10 Jah­ren dann eine Erschöp­fung ein­ge­tre­ten und der Miet­ver­trag ist aus­ge­lau­fen. Das war ein Wen­de­punkt und ich muss­te mich damit befas­sen, ob ich wei­te­re 10 Jah­re wei­ter mache oder mich neu orientiere.

Gibt es in dei­ner Wahr­neh­mung ganz bestimm­te Trends in der Kunst­welt, die das klas­si­sche Kon­zept der Gale­rie verdrängen?

Ja genau, es hat sich in den letz­ten 15 Jah­ren sehr viel ver­än­dert. Die Sche­re ist wei­ter aus­ein­an­der­ge­gan­gen. Das Geschäft kon­zen­triert sich auf die Glo­bal Play­er wie Hau­ser & Wirth, Gagos­i­an, Ropac, Zwir­ner etc. Auch die Samm­ler-Com­mu­ni­ty hat sich ver­än­dert. Frü­her gab es noch den klas­si­schen Samm­ler, der aka­de­misch gebil­det und infor­miert war und mit den Augen gekauft hat und nicht mit den Ohren. Die­se Samm­ler haben die Aus­stel­lun­gen in den Gale­rien bewusst besucht und dann die Kauf­ent­schei­dung getrof­fen unab­hän­gig vom Label der Gale­rie. Wenn ich heu­te auf Mes­sen bin und ich tref­fe Samm­ler, dann erzäh­len sie mir zuerst bei wem sie etwas gekauft haben bevor sie zum Was kom­men und den Künst­ler benen­nen. Die jun­ge Gene­ra­ti­on ist auch mobi­ler aus­ge­rich­tet. Jeder hat heu­te sei­ne klei­ne Samm­lung auf Instagram.

Wie schätzt du all­ge­mein die Ent­wick­lung der Kunst­sze­ne in Zürich ein?

Man nimmt ein Ster­ben der klas­si­schen Pro­gramm­ga­le­rie wahr. Dafür gibt es einen neu­en Trend, jun­ge Gale­ris­ten, die neu eröff­nen, sind schon von Anfang an par­al­lel auf Kunst­han­del aus­ge­rich­tet. Die wis­sen, dass es nur mög­lich ist jun­ge Posi­tio­nen zu för­dern, wenn man ein Lager hat, um das zu finanzieren.

Du bist auch Bot­schaf­te­rin der SANNI Foun­da­ti­on – wor­in genau liegt der Zweck die­ser Stiftung?

Seit 2017 bin ich akti­ve Bot­schaf­te­rin der SANNI Foun­da­ti­on, einer Orga­ni­sa­ti­on, die sich für die Erzie­hung und Bil­dung von Kin­dern und Jugend­li­chen, die Bekämp­fung extre­mer Armut, die Gesund­heits­för­de­rung sowie För­de­rung von Frau­en in Indi­en ein­setzt. Indi­en hat es mir sowie­so ange­tan – ich wer­de im Zuge der nächs­ten Kochi-Muzi­ris Bien­na­le 2020 in Kera­la eine Kunst­rei­se dort­hin orga­ni­sie­ren. Alle Inter­es­sier­ten kön­nen sich für Details ger­ne bei mir melden.

Nun hast du ein neu­es Kapi­tel mit einem neu­en Kon­zept auf­ge­schla­gen? Wie sieht das aus?

Ich war mit mei­nen Ver­käu­fen bei Katz Con­tem­po­ra­ry eigent­lich schon immer zufrie­den, nur wur­de viel von den Fix­kos­ten geschluckt. Somit habe ich mir über­legt, dass es viel­leicht eine öko­no­mi­sche­re und befrie­di­gen­de­re Mög­lich­keit geben muss. Weg von die­sem Kor­sett der Öff­nungs­zei­ten und fixen fünf Aus­stel­lun­gen pro Jahr. Es ging dar­um ein Kon­zept zu fin­den, das mir Spaß macht und wo die För­de­rung der jun­gen Posi­tio­nen im Vor­der­grund steht. Ich betreue also die jun­gen Künst­ler wei­ter – decke Chan­cen für musea­le Aus­stel­lun­gen und Pro­jek­te auf, kom­mu­ni­zie­re für sie und unter­stüt­ze sie mit mei­ner Erfah­rung bei Ver­trags­ab­schlüs­sen. Ich behal­te mein Lager und suche tem­po­rär pas­sen­de Räum­lich­kei­ten, um den Künst­lern die Mög­lich­keit zu bie­ten, ihre Wer­ke zu zei­gen und zu ver­kau­fen. Dafür muss ich natür­lich mit mei­ner Samm­ler­com­mu­ni­ty in Kon­takt blei­ben. Das kom­for­ta­ble an Zürich ist, dass die Stadt kom­pakt ist und alles in „Wal­king distance“ erreich­bar ist. Es gibt eine Dich­te an Räu­men auf engem Platz. Zwi­schen Bel­le­vue und Kunst­haus ent­wi­ckelt sich die neue Kunst­mei­le. Ich lass mir nun immer wie­der was Neu­es ein­fal­len. Wie jetzt hier, für die­se Aus­stel­lung von Mar­ti­na von Mey­en­burg. In die­sem Fall bin ich selbst da und habe den Raum gemie­tet. Eine ande­re Form der Prä­senz wird jene der Kol­la­bo­ra­tio­nen mit Gale­rie­kol­le­gen. Das ist eine Win-Win Situa­ti­on für bei­de Sei­ten. Ich muss nicht stän­dig vor Ort sein, son­dern kann alles von mei­nem Büro aus orga­ni­sie­ren. Mit jun­gen Künst­lern, wo man sich finan­zi­ell nicht so sehr hin­aus­leh­nen kann, wie jetzt mit Vera Mar­ke, habe ich bei einem Freund in sei­nem Geschäft für Inte­ri­or Design aus­ge­stellt. Im Prin­zip habe ich mich nur los­ge­löst von einem fixen Raum. Mein Zuhau­se ist jetzt mei­ne Web­sei­te (www.frederiquehutter.ch). Da fin­det jeder wor­an ich gera­de arbei­te und was ich wo aus­stel­le. Jetzt habe ich mehr Zeit, kann mit den Künst­lern auch rei­sen, wenn sie woan­ders Pro­jek­te rea­li­sie­ren, wie bei­spiels­wei­se erst kürz­lich mit Patrick Graf in Shang­hai bei Hermès.

2018 führ­test du die Lis­te der 50 stil­volls­ten Men­schen der Schweiz an als „Best dres­sed“? Du beschäf­tigst dich auch mit Mode?

Ich hat­te schon immer eine Schwä­che für Fashion. Mein ers­tes Taschen­geld habe ich dafür aus­ge­ge­ben. Tat­säch­lich führ­te ich die­se Lis­te – ganz uner­war­tet – an und wur­de dar­auf­hin von der PR-Agen­tur von Pra­da ange­schrie­ben. Ich wur­de an einer wich­ti­ge Kunst Gala Night an ihren Tisch ein­ge­la­den. Natür­lich war dann mein gan­zes Out­fit von Pra­da. Ich fühl­te mich sehr geschmei­chelt, dass sie mich aus­ge­wählt haben. Ich habe gehört, dass eini­ge Mode­la­bels Micro-Influen­cer im Kunst­be­reich anspre­chen um so geschickt ihr Label zu positionieren.

Kunst & Gla­mour – wie beur­teilst du die­se Kom­bi­na­ti­on? Inwie­fern darf Kunst Gla­mour sein oder gehört ein bestimm­ter Gla­mour-Fak­tor sogar zur Kunst?

Das wur­de in mei­nen Augen durch die Art Basel Miami ver­stärkt. Mit den Par­tys, die sich rund­her­um eta­bliert haben. Kunst sam­meln ist Life­style und eben auch zu etwas Gla­mou­rö­sem gewor­den. Wobei das nicht unbe­dingt mit Geld zu tun hat. Man kann näm­lich mit genü­gend Recher­che für wenig Geld sehr gute Kunst kau­fen. Nur haben wir oft gar kei­ne Zeit mehr die­ser Muse nachzugehen.

Wir sind nun Anfang 2020: Wel­che wer­den für dich die ganz per­sön­li­chen High­lights in die­sem Jahr sein?

Die Ein­zel­aus­stel­lung mit Flo­ri­an Büh­ler mit­te Juni, einer mei­ner jun­gen Künst­ler, der schon in wich­ti­gen Samm­lun­gen ver­tre­ten ist und ich seit beginn an zusam­men arbei­te. Davor zei­ge ich anfangs Mai Arbei­ten von Andrea Hel­ler, eine Schwei­zer Künst­le­rin, die ich neu ent­deckt habe, zusam­men mit Anya-Belyat Giunta, die ich schon mehr­mals aus­ge­stellt habe und einer noch ganz jun­gen Indi­schen Künst­le­rin Poor­vi Sul­ta­nia. Die­se Aus­stel­lung wird eine rei­ne Her­zens­an­ge­le­gen­heit in sehr schö­nen und pas­sen­den Räu­men ganz in der Nähe sein. Ende Jahr geht es dann nach Kera­la Indi­en an die Koch­in Bien­na­le auf die ich mich schon jetzt sehr freue.

www.frederiquehutter.ch

Por­trät Fré­dé­ri­que Hut­ter, Foto: Xan­dra M. Linsin

Die jun­ge Gene­ra­ti­on ist mobil. Jeder hat heu­te sei­ne eige­ne klei­ne Samm­lung auf Instagram. 

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