Alltagstaugliche Mode

Carl Moser

CARL MOSERS RUF, ZU LEBZEITEN HOCHGEHALTEN, VEREHRT UND GESCHÄTZT – ZEITWEISE IN VERGESSENHEIT GERATEN, DANN DOCH WIEDER IN ZAGHAFTEN VERSUCHEN REANIMIERT, IST AUF DER SELTEN ERREICHTEN QUALITÄT SEINER HOLZSCHNITT-KUNST BEGRÜNDET.

Sei­ne beruf­li­che Lauf­bahn soll­te im elter­li­chen Hand­werks­be­trieb einer Ger­be­rei in Bozen ihren Aus­gang neh­men. Gesund­heit­li­che Pro­ble­me zeich­nen dafür ver­ant­wort­lich, dass ihn sei­ne Talen­te und Ambi­tio­nen einen kon­trä­ren Weg ein­ge­schla­gen lie­ßen. Aka­de­mi­sche Aus­bil­dung im Mün­chen von 1896–1901 und die freie Wahl, im Anschluss das Stu­di­um in Frank­reich 1901–1907 fort­set­zen zu kön­nen – die Som­mer­mo­na­te ver­bringt er in der Bre­ta­gne und in der Nor­man­die – waren nicht jedem Kol­le­gen gegönnt. Wil­fried Kirschl, der gro­ße Moser-Ken­ner und Her­aus­ge­ber der zwei­ten Mono­gra­fie, resü­mier­te im Jah­re 1989 den Anfang Mosers Schaf­fen fol­gen­der Maßen: „ Er nimmt ihm Gemä­ßes auf und arbei­tet in stil­ler Fol­ge­rich­tig­keit an der Rea­li­sie­rung sei­ner Vor­stel­lun­gen. Nichts von den hef­ti­gen Brü­chen und Rich­tungs­än­de­run­gen, die für das Früh­werk so vie­ler sei­ner Gene­ra­ti­ons­ge­nos­sen cha­rak­te­ris­tisch sind, nichts von der Bereit­schaft die­ser Maler, bis­her Geta­nes über Bord zu wer­fen, um einer neu­en Spur zu fol­gen, fin­det sich bei ihm. Kein Künst­ler hat ihn je beherr­schend in sei­nen Bann gezo­gen. Was er damals in sich auf­nahm und was in sei­ner Bild­spra­che lebens­lang nach­wirk­te, war eine Kon­stel­la­ti­on gestal­te­ri­scher Ansät­ze, die so nur ein­mal und nur an die­sem Ort bestan­den hat“.

Um das Jahr 1902 sind die ers­ten Holz­schnit­te anzu­set­zen. The­ma­tisch sind die­se aus den Erleb­nis­sen und Erin­ne­run­gen sei­ner Som­mer­auf­ent­hal­te in der Bre­ta­gne geschöpft. Sti­lis­tisch aber auch the­ma­tisch schei­nen sich Par­al­le­len zu den Japa­ni­schen Holz­schnit­ten auf­zu­tun. Ange­regt durch Max Kurz­weil und vor allem durch Emil Orlik2 kam Moser mit die­ser asia­ti­schen Kunst in Berüh­rung, die seit der Öff­nung des Japa­ni­schen Mark­tes 1853 eine Wel­le von Begeis­te­rung – gera­de in Frank­reich – aus­lö­sen konnte.

Das Krei­sen um eine rela­tiv beschei­de­ne Sujet­wahl beweist, dass Moser sein Inter­es­se wesent­lich stär­ker auf das For­ma­le als auf das Inhalt­li­che lenkt. Er fin­det sich im Rei­gen japa­ni­scher Gestal­tungs­mit­tel auf eine spe­zi­el­le und sehr per­sön­li­che Art und Wei­se zurecht, die den beson­de­ren Charme sei­ne Holz­schnit­te aus­macht. Die unter­schied­li­chen Dar­stel­lun­gen rund um das Leben der Bewoh­ner der Bre­ta­gne, die unmiss­ver­ständ­lich ein Teil der Küs­ten­land­schaft zu sein schei­nen, run­den sich zu einem Gesamt­bild, das einen erzäh­le­ri­schen Cha­rak­ter in sich birgt. Moser wird zum Schil­de­rer eines beschei­de­nen All­tags der Fischer­leu­te und Insel­be­woh­ner. Mit einem geschult-beob­ach­ten­den, bei­na­he foto­gra­fi­schen Blick für den Moment­aus­schnitt begeg­net er den Eigen­tüm­lich­kei­ten die­ses Men­schen­schla­ges – ohne die Prot­ago­nis­ten in ihrer Anony­mi­tät oder im Han­deln zu stö­ren. Moser gelingt es, ein Bild zu zeich­nen, das von äuße­ren Merk­ma­len wie der typi­schen Tracht mit ihren Hau­ben und deko­ra­ti­ven Schul­ter­tü­chern cha­rak­te­ri­siert ist. Als Meis­ter des deko­ra­ti­ven Fachs gelingt es ihm, aus einer gewis­sen Distanz dem har­ten All­tag beschö­ni­gen­de Momen­te abzuringen.

In ähn­li­cher, doch gänz­lich ande­rer Wei­se begeg­net er den Men­schen in sei­ner Hei­mat Süd­ti­rol. Neben dem Inter­es­se, das sich jah­re­lang um Bild­vor­wür­fe mit Moti­ven aus der Bre­ta­gne gedreht hat, lenkt er mit der Rück­kehr nach Bozen 1907 den Focus auf die Begeg­nung mit Men­schen sei­ner Hei­mat. Wenn er sei­ne „Sar­ner“, sei­ne „Sei­ser Bau­ern“, sei­ne Mäd­chen aus Jenesien“4 u.a.m. zum The­ma sei­ner Bild­vor­wür­fe macht, hat man das Gefühl, eine gewis­se Nähe spü­ren zu kön­nen. Den Prot­ago­nis­ten wird die Anony­mi­tät genom­men, Por­trät­haf­te Züge bewei­sen auch, dass Moser durch­aus im Stan­de war, Gesich­ter und Cha­rak­te­re zu zeich­nen zu kön­nen. Par­al­le­len zu den Bre­ta­gne-Bil­dern tun sich in so fer­ne auf, dass sich einer­seits auch hier das Spiel mit dem deko­ra­ti­ven Ele­ment bei der far­ben­fro­hen Klei­dung und der typi­schen Tracht wie­der­holt, ande­rer­seits auch topo­gra­fi­sche Anhalts­punk­te im Bild fest­ge­hal­ten wer­den. Nach den Schil­de­run­gen von Lebens­ge­pflo­gen­hei­ten zwei­er unter­schied­li­cher Regio­nen wen­det sich Moser einem drit­ten, ganz wesent­li­chen Bild­the­ma zu, das auch in sei­ner Prä­sen­ta­ti­on die inten­sivs­ten Bezü­ge zum Japa­ni­schen Holz­schnitt herstellt.

Mit sei­nen schon fast legen­där gewor­de­nen „Pfau“-, „Fla­min­go-“, „Kra­nich“ und-„Pelikan“- Holz­schnit­ten fügt sich Moser in eine Rei­he gro­ßer Ver­tre­ter des Jugend­stils, deren Anlei­hen und Ein­flüs­se aus dem japa­ni­schen Holz­schnitt abzu­lei­ten sind und als immens bedeu­tungs­voll für die Gesamt­eu­ro­päi­sche Kunst gel­ten. Im gro­ßen The­ma „Para­dies“ es gibt wie bei Moser üblich meh­re­re Fas­sun­gen – illus­triert er die Pflan­zen- und Tier­welt in ihrer Viel­falt und Schön­heit. Dem Gat­tungs­reich­tum wird durch sorg­sa­me Schil­de­rung beson­ders viel Auf­merk­sam­keit geschenkt, wobei auf­fal­lend ist, dass Moser in der Begeis­te­rung für Far­be, Dekor und Orna­ment auf der einen Sei­te ein Gegen­ge­wicht in der for­ma­len Reduk­ti­on auf der ande­ren Sei­te fin­det. Die­ses Phä­no­men eines zele­brier­ten Wech­sel­spiels von Detail­ver­liebt­heit und Reduk­ti­on lässt sich in allen The­men­krei­sen – man könn­te es fast als „Moser´sche Hand­schrift“ bezeich­nen – wie­der erken­nen. In der Prä­zi­si­on sei­ner Hoz­schnei­de­kunst (spä­ter ver­wen­det er statt Holz das wei­che­re Mate­ri­al Lin­ole­um) gelingt ihm ein ver­sio­nen­rei­ches Spiel von Far­be, For­mund Flä­che. Das bewuss­te Aus­le­ben in Orna­ment und Dekor erreicht in den vari­an­ten­rei­chen „Pfau“- „Schul­ter­tuch“- und „Häubchen“-Versionen sei­nen Höhepunkt.

Carl Moser ver­steht es auf eine beson­de­re, eher ver­hal­te­ne Wei­se das Ange­bot japa­ni­scher Kom­po­si­ti­ons­ele­men­te aus­zu­rei­zen. Neben den bereits ange­spro­chen sei­en an die­ser Stel­le auch der „unge­wohn­te Bild­aus­schnitt“, die Beto­nung der Flä­che und ihre Kon­tu­rie­rung“, „das Anle­gen eines hori­zon­ta­len Bild­auf­bau­es“, „die flä­chen­haf­te Sti­li­sie­rung“ und vor allem „das Ein­be­zie­hen von ange­schnit­te­nen Objek­ten“ genannt. Carl Moser, der auch bedingt durch die Wirt­schafts­kri­se nach dem Krieg stark an Inter­es­se ver­lor, starb 1939 delo­giert und ver­armt in Bozen. Bemü­hun­gen sei­tens Eugen Fus­se­n­eg­gers der auch sei­ne ers­te Mono­gra­fie ver­an­lass­te und vor allem Wil­fried Kirschl, zäh­len zu jenen Men­schen, die von der Wir­kungs­kraft der Moser´schen Holz­schnit­te über­zeugt waren und die­se stets in den Kon­text gesamt­eu­ro­päi­scher Kunst stellten.

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geschrieben von

Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck. Philosophische Dissertation über die Geschichte der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt und deren Mosaike im Stadtgebiet von Innsbruck. Kurzzeitige Mitarbeit am Tiroler Kunstkataster. Als Ausstellungskuratorin und Autorin von Kunstmonografien und zahlreichen kunstpublizistischen Beiträgen u.a. für Ausstellungskataloge tätig.

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