Eine Frau, die weiß, was sie will

Interview mit Agnes Husslein-Arco

An einem Mon­tag im Hoch­som­mer betre­ten wir das geschlos­se­ne Leo­pold Muse­um in Wien, um ein Inter­view mit Agnes Huss­lein-Arco zu füh­ren. Die Sze­ne­rie ist groß­ar­tig – inmit­ten der Schie­les, Kokosch­kas und Klimts dür­fen wir die geeig­ne­te Kulis­se aus­wäh­len. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Wir ent­schei­den uns intui­tiv für den Män­ner­akt von Egon Schie­le, eine Selbst­dar­stel­lung. Noch heu­te ist es am Kunst­markt schwie­rig, einen Män­ner­akt, der von einer Frau gemalt wur­de, zu ver­kau­fen. War­um ist das so? Vor dem Akt Schie­les ste­hend fin­den wir die Ant­wort jeden­falls nicht und wid­men uns wie­der dem Set­ting. Als Agnes Huss­lein-Arco in ihrem grün­wei­ßen Som­mer­kleid den Raum betritt, zieht sie alle Ener­gie auf sich. Es ist nicht nur ein Mythos, ihre Aura scheint tat­säch­lich in Posi­ti­vis­mus und Stär­ke getränkt. Sie kommt gera­de vom Wör­ther­see und hat im Anschluss eine Vor­stands­sit­zung, aber den­noch wirkt sie gelas­sen und geer­det. Sie ist eine, die sich als Frau in einer män­ner­do­mi­nie­ren­den Bran­che ihren Weg gele­gent­lich auch mit männ­li­chen Attri­bu­ten erkämp­fen musste.

Als Grün­de­rin von Sotheby’s Öster­reich nann­te man sie damals Anfang der 80er Jah­re noch „die Klei­ne“ – heu­te wür­de das wohl kei­nem Mann mehr so leicht über die Lip­pen kom­men, wenn er Agnes Huss­lein-Arco gegen­über­steht. Als Frau ist es ihr in ers­ter Linie immer um Respekt gegan­gen, und genau den hat sie sich in über 40 Jah­ren auch erar­bei­tet. Nur ein­mal ging die­ser ihr gegen­über ver­lo­ren, in der bekann­ten Affä­re rund um ihre unschö­ne Abset­zung als Direk­to­rin des Bel­ve­de­re. Aber sogar in die­ser Situa­ti­on ist es ihr gelun­gen, noch­mals über sich hin­aus­zu­wach­sen, denn „jede Kri­se ist eine Chan­ce, um sich neu zu definieren“.

Agnes Huss­lein-Arco vor dem Grün­der­fo­to der Seces­si­on, Foto: Xan­dra M. Linsin

Ich bin eine eman­zi­pier­te Frau, aber kei­ne Eman­ze. Das Geschlecht ist für mich kein Kri­te­ri­um, und emp­fun­de­ne Unge­rech­tig­kei­ten habe ich als Chall­enge gese­hen – ich möch­te auf­grund mei­ner Kom­pe­tenz und mei­nes Wis­sens etwas erreichen. 

stay­in­art: Wir haben heu­er zum ers­ten Mal in der Geschich­te einen glo­ba­len Lock­down erlebt. Wie sind Sie mit die­sem „Still­stand“ umgegangen?

AGNES HUSSLEIN-ARCO: Ich habe gro­ßes Glück, dass ich ein Haus am Wör­ther­see habe, wo ich mich mit mei­ner Fami­lie und mei­nen Hun­den zurück­ge­zo­gen habe. Es war das ers­te Mal, dass ich eine so lan­ge Zeit in die­sem Haus ver­bracht habe und den See und die Natur erle­ben konn­te. Es war so ruhig, dass man die Wel­len der schwim­men­den Enten beob­ach­ten konn­te, pracht­voll! Mei­ne Arbeit konn­te ich weit­ge­hend von zuhau­se erle­di­gen und war über sämt­li­che Online-Tools sehr gut ver­netzt, um Mee­tings abzu­hal­ten. Was die Ruhe angeht, so war es eine ange­neh­me Zeit. Mein Leben war ja immer total hek­tisch, und in die­ser Zeit des Lock­downs konn­te ich mich wie­der auf das Wesent­li­che kon­zen­trie­ren – das habe ich als sehr ange­nehm emp­fun­den! In der Ruhe liegt die Kraft.

Sie waren Eis­kunst­läu­fe­rin – ein Wett­be­werbs­sport. Hat Sie das zu einer „Kämp­fe­rin“ gemacht?

Ja natür­lich – auch beim Sport geht es dar­um, sich aufs Wesent­li­che zu kon­zen­trie­ren, mit Dis­zi­plin auf den Weg zum Ziel zu ach­ten und dabei nie­mals auf­zu­ge­ben. Was noch dazu kommt: Beim Eis­kunst­lauf gibt es kei­ne objek­ti­ve Mess­lat­te, wie bei­spiels­wei­se Zeit. Man ist dort einem mensch­li­chen Urteil aus­ge­lie­fert. Men­schen haben Emo­tio­nen und Inter­es­sen. In sol­chen Situa­tio­nen habe ich schon sehr früh gelernt, emp­fun­de­ne Unge­rech­tig­kei­ten weg­zu­ste­cken. Es war eine sehr lehr­rei­che Zeit – immer­hin habe ich den Sport fast 20 Jah­re ausgeübt.

Sie sind ja nicht als Ver­fech­te­rin der Frau­en-Quo­te bekannt – warum?

Das fra­ge ich mich auch; des­halb bin ich sehr dank­bar für die­se Fra­ge. Ich habe in mei­nem Leben sehr viel mit Künst­le­rin­nen gear­bei­tet, was mein Aus­stel­lungs­pro­gramm beweist, aber auch der Groß­teil mei­ner Beleg­schaft in den unter­schied­li­chen Insti­tu­tio­nen war weib­lich. So war auch der Frau­en­an­teil sowohl der Aus­stel­lun­gen als auch der Ankäu­fe, die ich wäh­rend mei­ner Zeit im Bel­ve­de­re getä­tigt habe, in Sum­me ver­hält­nis­mä­ßig hoch. Ich bin eine eman­zi­pier­te Frau, aber kei­ne „Eman­ze“. Ich wür­de nie jeman­den aus­stel­len, nur weil es eine weib­li­che Posi­ti­on ist. Für mich zählt die Qua­li­tät, die Leis­tung, die Qua­li­fi­ka­ti­on. Das Geschlecht ist kein Kri­te­ri­um. Ich hät­te so ein Kri­te­ri­um auch für mich nie in Anspruch genom­men. Ich möch­te einen Job nicht bekom­men, nur aus dem Grund, weil ich eine Frau bin. Ich möch­te auf­grund mei­ner Kom­pe­tenz und mei­nes Wis­sens etwas erreichen.

Haben Sie in Ihrer Kar­rie­re nie einen Nach­teil erlebt, weil Sie eine Frau sind?

Ich habe es sicher in mei­nem Berufs­le­ben schwe­rer gehabt als so man­cher männ­li­che Kol­le­ge. Ich habe ja sehr lan­ge für ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men wie Sotheby’s und das Gug­gen­heim Muse­um gear­bei­tet, wo Frau­en schon damals sehr geför­dert und vor allem respek­tiert wor­den sind. Das macht auch den gro­ßen Unter­schied: Dass eine Frau respek­tiert wird für das, was sie zu sagen hat. Als ich damals in Wien mit Sotheby’s begon­nen habe, hat­ten so man­che Her­ren im Kunst­han­del die Ein­stel­lung: „Na, der Klei­nen wer­den wir es schon zei­gen!“ Mich hat die­se Ein­stel­lung ange­spornt, ich habe es als Chall­enge gese­hen, um wei­ter zu kom­men. So war ich dann auch die ers­te weib­li­che Muse­ums­di­rek­to­rin in einem öster­rei­chi­schen Bun­des­mu­se­um. Man kann sich vor­stel­len, dass es auch in den Minis­te­ri­en manch­mal schwie­rig war, sich als Frau Gehör zu ver­schaf­fen. Ich neh­me es als Her­aus­for­de­rung – geht nicht, gibt’s nicht!

Gab es ein Schlüs­sel­er­leb­nis, das Ihre Lei­den­schaft für die Kunst geweckt hat?

Zum einen ist ja bekannt, dass ich von Kind­heit an mei­nen Groß­va­ter Her­bert Boeckl in sei­nem Künst­ler­da­sein erle­ben durf­te. Er hat damals viel Zeit mit uns Kin­dern ver­bracht. Zum ande­ren hat­te ich einen groß­ar­ti­gen Vater, der es ver­stan­den hat, die Talen­te mei­ner Geschwis­ter und mir zu erken­nen und zu för­dern. Ich wuss­te als jun­ges Mäd­chen nicht, was ich stu­die­ren möch­te, und dach­te eher dar­an, Foto­mo­dell oder Ste­war­dess zu wer­den. Mein Vater leg­te mir nahe, Kunst­ge­schich­te zu stu­die­ren und die­sem Rat folg­te ich. Das Stu­di­um war damals unglaub­lich alt­mo­disch, ein rich­tig ver­staub­tes „alt­vä­te­ri­sches“ Insti­tut. Ich dach­te, dass ich das nicht aus­hal­ten wür­de. Mein Vater mein­te dar­auf­hin, ich sol­le doch zeit­gleich ins Doro­the­um als Exper­ten-Ele­vin gehen. Wahr­schein­lich war die­ser Schritt für mich das Schlüs­sel­er­leb­nis, denn im Doro­the­um mit Pro­fes­sor Herbst habe ich gelernt zu schau­en, zu beur­tei­len. Ich durf­te die Kunst­ge­gen­stän­de in die Hand neh­men, hat­te mit Men­schen, vor allem mit Sammler*innen zu tun, das hat mir viel mehr Freu­de berei­tet als das tro­cke­ne Stu­di­um. Ich habe dann sehr schnell pro­mo­viert, bin Exper­tin im Doro­the­um gewor­den, um dann nach New York zu gehen und dort bei Sotheby’s zu begin­nen. Die­se ganz ande­re Kul­tur in Ame­ri­ka hat mich in mei­ner Art, wie ich auch heu­te noch im pro­fes­sio­nel­len Kon­text agie­re, sehr geprägt.

Sie sind eine „Mache­rin“ und eine „Netz­wer­ke­rin“, und haben auch ein Stück weit die ame­ri­ka­ni­sche Stra­te­gie des „Spon­so­rings“ für Muse­en in Öster­reich eta­bliert. Was ist aus­schlag­ge­bend, um Men­schen als Geldgeber*innen für die Kul­tur und ins­be­son­de­re die Kunst zu gewinnen?

Zum einen ist es natür­lich uner­läss­lich, gut ver­netzt zu sein, also über ein gro­ßes Netz­werk in allen Berei­chen zu ver­fü­gen: Kunst, Indus­trie und Gesell­schaft. Zum ande­ren muss man die För­de­rer hegen und pfle­gen. Ich habe bei Sothe­bys und im Gug­gen­heim Muse­um von der Pie­ke auf gelernt, wie man das macht. Wahr­schein­lich habe ich auch das Talent dafür, da ich ein sehr kom­mu­ni­ka­ti­ver Mensch bin und mit vie­len Men­schen gut umge­hen kann. Ich bin über­zeugt, ich kann Men­schen ver­net­zen, habe ein sehr gutes Gedächt­nis und, so den­ke ich, eine hohe emo­tio­na­le Intel­li­genz. Die­ses Reper­toire an Eigen­schaf­ten haben vie­le Men­schen nicht. Bei Spon­so­ring muss man die Leu­te in der See­le, in ihrer Emo­ti­on „erwi­schen“, muss auf sie zuge­hen. Das ist ein lan­ges Pro­ze­de­re. Heu­te, den­ke ich, fin­de ich zu allen rele­van­ten Per­sön­lich­kei­ten einen Zugang. Grund­sätz­lich gilt: Spon­so­ring ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße, es ist ein Neh­men und ein Geben – letzt­end­lich muss für bei­de Sei­ten ein Mehr­wert gene­riert werden.

Welche Per­sön­lich­keits­merk­ma­le muss eine Füh­rungs­per­sön­lich­keit in einem inter­na­tio­na­len Muse­um unbe­dingt mit­brin­gen, um zu „über­le­ben“?

Zunächst die inter­na­tio­na­le Ver­net­zung, von der wir schon gespro­chen haben. Es ist sicher­lich ein gro­ßes Man­ko hier in Öster­reich, dass die meis­ten Direk­to­ren inter­na­tio­nal zu wenig ver­netzt sind. Als Direk­tor muss man das Haus auch nach außen ver­tre­ten, mutig und ent­schei­dungs­freu­dig sein und einen Kon­flikt nicht scheu­en. Ich hat­te nie Angst vor die­sen Auf­ga­ben, bin immer vor mei­nen Leu­ten und vor mei­nem Haus gestan­den, selbst wenn es der Minis­ter war. Ich war viel­leicht unbe­quem, aber ich habe das Muse­um, die Kunst und die Künst­ler ver­tre­ten und zwar mit gan­zem Enga­ge­ment. Ich fürch­te mich vor nichts – mir geht es immer um die Sache! Ich habe auch die Fähig­keit, sofort eine Ent­schei­dung tref­fen zu kön­nen, auch wenn sie sich spä­ter als falsch herausstellt.

Sie müs­sen nicht drü­ber schlafen?

Oh nein, ich weiß immer sofort, was ich will!

Als Leit­fi­gur des Bel­ve­de­res haben Sie die­ses Muse­um in eine neue Ära geführt und dann sind Sie plötz­lich zu einem Opfer poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen gewor­den. Begrün­det hat man die­se Ent­schei­dung mit Com­pli­ance Ver­stö­ßen, die sich im Nach­hin­ein als halt­los erwie­sen haben. Was hal­ten Sie prin­zi­pi­ell von unse­rem Rechtsstaat?

Zuerst ein­mal haben mich die­se Vor­wür­fe damals sehr gekränkt. Ich habe alles für die­ses Muse­um gege­ben, alle mei­ne Bezie­hun­gen offen gelegt, Schen­kun­gen arran­giert, die in die­ser Grö­ßen­ord­nung bis dato nie­mand erzielt hat. Ich war so fas­sungs­los, dass ich mich damals unmit­tel­bar gar nicht zur Wehr set­zen konn­te. Ich habe eine sehr schlech­te Eigen­schaft: Wenn man mich per­sön­lich angreift und mich zu Unrecht beschul­digt, geht mir dies so unter die Haut, dass es mich zum Wei­nen bringt. Die­se Freu­de woll­te ich dann auch nie­man­dem machen. Was mich schon etwas erstaunt hat, ist die Tat­sa­che, dass die Unter­stüt­zung sei­tens der Künst­ler rela­tiv beschei­den aus­ge­fal­len ist. Aber zurück zur Fra­ge: Es ist nun ein­mal so, bei Gericht und auf hoher See ist man in Got­tes Hand. Es war ein Poli­ti­kum, das muss man zur Kennt­nis neh­men. Eine völ­lig kon­stru­ier­te Sache. Wenn man mir das vor­her gesagt hät­te, hät­te ich nie­mals geglaubt, dass so etwas mög­lich ist. Dass die Miss­gunst und der Neid auf mei­nen Erfolg als Direk­to­rin so groß sind, hät­te ich mir nie vor­stel­len kön­nen. Ich gehö­re ja kei­ner poli­ti­schen Par­tei oder Bewe­gung an, ich bin völ­lig unab­hän­gig. Dass man so weit geht und auch für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen so eine Erfolgs­ge­schich­te ein­fach unter­bricht, das hät­te ich mir nie aus­ma­len kön­nen, denn ich habe aus­schließ­lich kul­tu­rel­le Wer­te für die Repu­blik und die nächs­ten Gene­ra­tio­nen gene­riert. Wer hat das sonst so umfas­send gemacht? Gera­de habe ich den „Radetz­ky­marsch“ von Joseph Roth gele­sen und muss fest­stel­len, dass sich nicht viel geän­dert hat seit damals. Die Miss­gunst und der Neid in Öster­reich sind groß. Was mich sehr brüs­kiert, ist der offen­sicht­li­che Schutz für soge­nann­te „Par­tei­mit­glie­der“. Das hat im 21. Jahr­hun­dert abso­lut nichts ver­lo­ren. Auf dem Rücken der Kunst oppor­tu­ne Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, um Per­so­nen eine Posi­ti­on zu ver­schaf­fen, das ist wider­lich! Aber man muss dar­an wach­sen. Zum Glück habe ich wun­der­ba­re Freun­de und dar­un­ter auch Hei­di Goëss-Hor­ten, die so eine Unge­rech­tig­keit nicht gutheißen.

Da füh­ren Sie uns schon zur nächs­ten Fra­ge. Wir sit­zen nun hier im Leo­pold­mu­se­um, wo auch die über­aus erfolg­rei­che Aus­stel­lung WOW statt­fand. Es war Ihre ers­te Aus­stel­lung nach die­sem unschö­nen Ende beim Bel­ve­de­re. Wie hat sich das angefühlt?

Was mich sehr gefreut hat ist, dass Hei­di Goëss-Hor­ten auf mich zuge­kom­men ist und mir zu die­sem Zeit­punkt anver­traut hat, dass sie ihre Samm­lung aus­stel­len möch­te. Das zeigt schon, was für eine tol­le Per­sön­lich­keit sie ist. Zuvor hat nie­mand von der Exis­tenz der Samm­lung gewusst. Sie hät­te die­sen Schritt in die Öffent­lich­keit nicht machen müs­sen – dann hät­te sie jetzt weni­ger Unru­he in ihrem Leben. Natür­lich war ich vor der Eröff­nung ner­vös, wie die Aus­stel­lung bei den Men­schen ankommt. Der gro­ße Erfolg hat mich vor allem für Hei­di Goëss-Hor­ten sehr gefreut, weil es auch eine Bestä­ti­gung für die Qua­li­tät der Samm­lung war.

Als Geschäfts­füh­re­rin von Sotheby’s Öster­reich haben Sie 1982 das inter­na­tio­na­le Kunst­ge­sche­hen nach Wien gebracht und anschlie­ßend vie­le Men­schen beim Auf­bau ihrer Samm­lung beglei­tet. Unter ande­rem auch Hei­di Goess-Hor­ten. Wie haben Sie sich ken­nen­ge­lernt, und war­um hat Frau Goess- Hor­ten in den 90er Jah­ren zu sam­meln begonnen?

Ja, ich habe sie von Anfang an beglei­tet. Sie ist eine kunst­sin­ni­ge Per­son. Sie malt selbst, hat ein sehr gutes Auge und ist schon sehr kon­kret in ihren Vor­stel­lun­gen. Wäh­rend sie die Samm­lung auf­ge­baut hat, war sie anonym und woll­te dies auch lan­ge blei­ben. Ken­nen­ge­lernt haben wir uns, schon bevor sie zu sam­meln begann, am Wörthersee.

Es ist heu­te wahr­schein­lich eine noch grö­ße­re Her­aus­for­de­rung, gute Kunst zu sam­meln, als in der 80er und 90er Jah­ren. Was wür­den Sie jun­gen Sammler*innen raten – wel­che Her­an­ge­hens­wei­se ist vielversprechend?

Ich glau­be, man muss zunächst sehr viel schau­en: in Aus­stel­lun­gen, Gale­rien, Ate­liers. Das Auge muss ler­nen, es ist ein Pro­zess. Man muss die Künst­ler und deren Ent­wick­lung ver­fol­gen. Man muss Freu­de dar­an haben und das, was man kauft, soll­te man lie­ben. Vie­le machen den Feh­ler, dass sie in kür­zes­ter Zeit glau­ben, sie wis­sen schon alles. Man soll­te sich aus­tau­schen und bera­ten las­sen, aber, und das ist der sprin­gen­de Punkt, von den Richtigen.

Sie haben in Ihrer Kar­rie­re ja schon meh­re­re Muse­en gebaut und sicher­lich einen gro­ßen Erfah­rungs­schatz. Was ist Ihnen bei so einem Muse­ums­bau am allerwichtigsten?

Mein Chef und Leh­rer Tho­mas Krens hat immer gesagt: „Prime Loca­ti­on!“ Also fan­den wir die pas­sen­de Immo­bi­lie im ers­ten Bezirk. Das Muse­um wird sehr spe­zi­ell – ein Dia­log zwi­schen Alt und Neu. Die Fas­sa­den sind ja Teil der Kunst­ge­schich­te, weil sie im Zuge des Ring­stra­ßen­baus im His­to­ris­mus erbaut wur­den. Innen wird die Struk­tur sehr inter­es­sant, mit rund 1.500 m² Aus­stel­lungs­flä­che und allen Faci­li­ties, die man braucht. Es muss einen Cha­rak­ter haben, aber auch leicht hand­le­bar sein und genau­so wird es: ein „very spe­cial place“.

Sie sind eine gro­ße Unter­stüt­ze­rin der öster­rei­chi­schen Kunst und haben die­se auch als Bot­schaf­te­rin in die Welt hin­aus­ge­tra­gen. Wie sieht das Kon­zept der Hei­di Hor­ten Coll­ec­tion aus – wird es da auch zu Wech­sel­aus­stel­lun­gen kom­men, wer­den auch zeit­ge­nös­si­sche Künstler*innen gezeigt oder ist es eine rei­ne Sammlungspräsentation?

Das Vor­bild ist Peg­gy Gug­gen­heim in Vene­dig. Es wird also die Peg­gy Gug­gen­heim von Öster­reich. Wir wer­den natür­lich mit der Samm­lung arbei­ten, die ja so umfas­send ist, dass man nicht alles auf ein­mal zei­gen kann. Wir wer­den natür­lich auch klei­ne Son­der­aus­stel­lun­gen machen oder auch zeit­ge­nös­si­sche Künstler*innen einladen.

Es wird lebendig…

Ja, es wird leben­dig. Es wird zum Bei­spiel einen Skulp­tu­ren­park auf dem Vor­platz geben. Natür­lich muss man bei den Besu­chern auch für Abwechs­lung sorgen.

Sie haben stets betont, dass ein Muse­um ein Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men ist. Kön­nen Sie das bit­te spe­zi­fi­zie­ren? Und inwie­fern wird die Hei­di Hor­ten Coll­ec­tion „Dienst­leis­te­rin“ sein?

Für uns wird die Ver­mitt­lung eine ganz gro­ße Rol­le spie­len. Wir wer­den die neu­es­ten Tech­no­lo­gien und Medi­en dafür ver­wen­den. Kin­der und Jugend­li­che wer­den wir beson­ders för­dern. Die Über­schrift lau­tet „Edu­ca­ti­on“. Schon 1980 gab es im Gug­gen­heim Muse­um ein Pro­gramm, es hieß „Lear­ning Through Art“. Das war immer Vor­bild für mich. Wir möch­ten ein inter­es­sier­tes Publi­kum errei­chen und ein hori­zont­er­wei­tern­des Ange­bot umset­zen, bei­spiels­wei­se auch durch „edu­ca­tio­nal events“.

Das Muse­um wird ein Pri­vat­mu­se­um einer der ver­mö­gends­ten Frau­en in Euro­pa. Wo viel Geld ist, ist bekannt­lich viel Neid. Den­ken Sie, es ist inso­fern schwie­ri­ger, die Akzep­tanz für die­ses neue Muse­um zu schaffen?

Ja, das erle­ben wir jetzt gera­de, aber ich bin über­zeugt davon, dass die Men­schen im End­ef­fekt wahn­sin­nig stolz auf Hei­di Goëss-Hor­ten sein wer­den. Der Groß­teil der Men­schen ist an ihrer Per­son inter­es­siert und dar­an, was sie erschaf­fen hat. Die gan­ze Welt schreibt über sie, sie ist unter den 100 bedeu­tends­ten Sammler*innen gelis­tet. Hei­di Goëss-Hor­ten ist eine hoch­sen­si­ble, sehr intel­li­gen­te, unab­hän­gi­ge und künst­le­risch affi­ne Per­son, die Gro­ßes geleis­tet hat. Und sie ist unglaub­lich groß­zü­gig. Sie baut ein Top-Muse­um in Wien, macht ihre Samm­lung der Öffent­lich­keit zugäng­lich und finan­ziert das alles selbst. Ich bin über­zeugt, die Men­schen wer­den die­se Leis­tung erken­nen. Alle, die ich tref­fe, sind begeis­tert von dem Pro­jekt. Sie sind dank­bar und froh, dass es jeman­den gibt, der so etwas auf die Bei­ne stellt. Die ein­zi­gen, denen es nicht behagt, sind die Herr­schaf­ten aus der Poli­tik. Die­ses Muse­um wird über Kunst ver­fü­gen, die es in kei­nem ande­ren Muse­um in Öster­reich gibt. Man kann nur den Hut vor Hei­di Goëss-Hor­ten ziehen!

Die Kul­tur­bran­che ist von der Pan­de­mie ja mit­un­ter am här­tes­ten betrof­fen. Wie kom­men wir da wie­der raus? Was braucht es Ihrer Mei­nung nach jetzt, um Euro­pa als DEN Kul­tur­kon­ti­nent gestärkt aus der Kri­se zu führen?

Es braucht jeden­falls kei­ne lee­ren Ver­spre­chun­gen und kei­ne Wort­hül­sen. Ich glau­be, es kommt eine Zeit der Wahr­heit auf uns zu, die die Spreu vom Wei­zen tren­nen wird. Dass die öffent­li­che Hand hier alles unter­stüt­zen wird und kann und der gro­ße Geld­re­gen kommt, das schlie­ße ich eher aus. Die Ver­ant­wort­li­chen müs­sen sich alter­na­ti­ve Model­le über­le­gen. Jede Kri­se ist eine Chan­ce, um sich neu zu defi­nie­ren. Man wird sich wirk­lich end­lich inten­siv mit dem loka­len Publi­kum aus­ein­an­der­set­zen müs­sen. Und vor allem soll­te nun end­lich ein Mit­ein­an­der und nicht ein Gegen­ein­an­der gepflegt wer­den. Die Muse­en haben die Depots voll mit wun­der­ba­rer Kunst, und jedes Muse­um in Öster­reich hat sei­nen Auf­trag. Viel­leicht regt die neue Situa­ti­on end­lich dazu an, sich ernst­haft damit zu befassen!

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